TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/17 2004/11/0014

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Veröffentlicht am 17.03.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs4 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 1998/I/002;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2003/11/0109 E 23. Mai 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des G in L, vertreten durch Mag. Thomas Burkowski, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Gerstnerstraße 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 28. November 2003, Zl. VwSen-520427/2/Sch/Pe, betreffend Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 29. September 2003 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, "binnen drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides ein amtsärztliches Gutachten über Ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gem. § 8 FSG beizubringen".

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. November 2003 wies die belangte Behörde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung ab. Sie begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe - am 5. August 2003 - in einem Wachzimmer der Bundespolizeidirektion Linz Anzeige erstattet, wonach ihm sein Leichtkraftfahrzeug gestohlen worden sei. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass kein Diebstahl vorgelegen sei, sondern der Beschwerdeführer das Fahrzeug in der Nähe eines Gastlokals abgestellt habe. Nach dem Besuch dieses Lokals, im Zuge dessen auch alkoholische Getränke konsumiert worden seien, habe sich der Beschwerdeführer nach Haus begeben. Am nächsten Tag habe er sein Fahrzeug abholen wollen, habe es aber an dem von ihm vermuteten Abstellort - in der Nähe eines weiter entfernten Würstelstandes, der vom Beschwerdeführer vor dem Lokalbesuch aufgesucht worden sei - nicht vorgefunden, weshalb er Diebstahlsanzeige erstattet habe. Nach der gegebenen Sachlage dürfte der Beschwerdeführer also vergessen haben, wo er das Fahrzeug abgestellt habe. Der Beschwerdeführer leide nach eigenen Angaben seit Geburt an Kinderlähmung, aus diesem Grund müsse er immer wieder Medikamente einnehmen, zu welchen kein Alkohol getrunken werden sollte, und er habe angegeben, es komme auch wiederholt zu Erinnerungslücken, wenn Alkohol konsumiert worden sei. Der Beschwerdeführer vermeine, daraus könnten keinerlei Verdachtsmomente im Hinblick auf eine allfällige Einschränkung seiner körperlichen und geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen abgeleitet werden. Als Unterstützung dafür diene eine ärztliche Bestätigung Dris. Schöpfel, Arzt für Allgemeinmedizin, wonach der Beschwerdeführer an keinerlei chronischen Erkrankungen leide und keine Dauermedikation benötige. Auch sei eine Bestätigung des Versicherers des Beschwerdeführers vorgelegt worden, wonach aus dem Titel KFZ-Haftpflichtversicherung keine Schadensleistungen zu tätigen gewesen seien.

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer entgegen, zwar sei es nicht lebensfremd anzunehmen, dass jemandem nach (übermäßigem) Alkoholkonsum Erinnerungslücken unterlaufen und hinsichtlich der Zeit, in der die Alkoholbeeinträchtigung gegeben war, wenig oder nichts in Erinnerung geblieben ist. Im vorliegenden Fall müsse man aber ausgehend davon, dass das Fahrzeug vom Beschwerdeführer in nüchternem Zustand vom ersten zum zweiten Abstellort gelenkt worden sei, annehmen, dass bei ihm die Erinnerungslücke nicht (nur) aufgrund der Alkoholbeeinträchtigung entstanden sei. Auch müsse "angenommen werden, dass dem Beschwerdeführer zumindest teilweise entfällt, dass er eben an diesen Erinnerungslücken leidet". Sonst wäre es nicht erklärlich, dass er, "ohne nach dem vergeblichen Aufsuchen des vermeintlichen Abstellortes seines Fahrzeuges noch weitere Überlegungen anzustellen, wo er am Vorabend noch gewesen sein könnte" - wie die belangte Behörde zu dieser Feststellung gelangte, begründete sie nicht -, um allenfalls dort nach dem Fahrzeug Ausschau zu halten, sogleich Diebstahlsanzeige erstattet habe. Ein derartiges Maß an Vergesslichkeit rechtfertige die von der Erstbehörde angenommenen Bedenken, ob beim Beschwerdeführer noch die entsprechende Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, hier eines Leichtkraftfahrzeuges, gegeben sei. Es sei durchaus nicht irrelevant, ob sich ein Kraftfahrzeuglenker noch an kurz zurückliegende erlebte Ereignisse im Straßenverkehr erinnern könne oder nicht, etwa von Bedeutung wäre das Erinnerungsvermögen an einen stattgefundenen Verkehrsunfall, um den Verpflichtungen nachkommen zu können u.ä. Bemerkenswert erscheine auch, "dass beim Beschwerdeführer nach der erfolgten - unzutreffenden - Diebstahlsanzeige plötzlich wieder die Erinnerung an den Vorabend eingesetzt hat; dabei bleibt es naturgemäß unüberprüfbar, ob diese Schilderungen auch den Tatsachen entsprechen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und stellte den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 maßgeblich.

Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen

oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1.

ausdrücklich zu verbieten,

2.

nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Auflagen eingehalten werden, oder

              3.              nur für eine bestimmte Zeit oder nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten.

Das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges entgegen einer behördlichen Verfügung nach Z. 1, 2 oder 3 ist unzulässig. Eine solche Verfügung ist aufzuheben, wenn der Grund für ihre Erlassung nicht mehr gegeben ist.

..."

§ 3 FSG-GV lautet (auszugsweise):

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinn des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

..."

Im Unterschied zur außer Kraft getretenen Fassung des § 26 Abs. 5 FSG hat sich - im gegebenen Zusammenhang - die bescheidmäßige Aufforderung nach der neuen, für die Erlassung des Bescheides der belangten Behörde maßgeblichen Rechtslage darauf zu richten, der Betreffende habe "sich ärztlich untersuchen zu lassen" bzw. "die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen". Für eine Aufforderung zur Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens, wie dies nach der Fassung des § 26 Abs. 5 FSG vorgesehen war, besteht nunmehr keine gesetzliche Grundlage. Schon deshalb hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2005, Zl. 2003/11/0167).

Darüber hinaus hat die belangte Behörde verkannt, dass es bei einem Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG - hier in Verbindung mit § 32 Abs. 1 FSG anzuwenden - zwar noch nicht darum geht, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl. erneut etwa das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2005, mwH). Im vorliegenden Zusammenhang wäre ein Aufforderungsbescheid daher nur dann rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestanden hätten, dem Beschwerdeführer ermangle es an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

Die belangte Behörde stützte sich zur Begründung ihrer Entscheidung auf den Vorfall vom 5. August 2003, bei dem der Beschwerdeführer Diebstahlsanzeige betreffend sein Leichtkraftfahrzeug erstattete, wobei sich später herausstellte, dass er den Abstellort des Fahrzeuges, das er nach einem Lokalbesuch wegen der Erkenntnis, er sei wegen Alkoholkonsums nicht mehr fahrtauglich, stehen gelassen hatte, lediglich vergessen hatte. Dieser eine Vorfall, auch im Zusammenhang mit der offensichtlich zur Begründung seines Vergessens gemachten Äußerung, es komme bei ihm bei Alkoholkonsum im Zusammenhang mit Medikamenten, die er auf Grund seiner Kinderlähmung einnehmen müsse, zu Erinnerungslücken, rechtfertigt noch nicht begründete Bedenken an der Eignung, Kraftfahrzeuge zu lenken. Der Hinweis der belangten Behörde, er habe - sinngemäß - darauf vergessen, dass er Erinnerungslücken habe, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Ursprung des dieser Überlegung zu Grunde gelegten Sachverhaltes von der belangten Behörde nicht begründet wurde.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides würde begründete Bedenken voraussetzen, dass der Beschwerdeführer eine der in § 3 Abs. 1 FSG-GV genannten Voraussetzungen für das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung nicht erfüllt. Derartiges ist dem angefochtenen Bescheid aber nicht zu entnehmen, zumal sich die belangte Behörde bedeckt gehalten hat, hinsichtlich welcher der in den §§ 3 ff FSG-GV genannten Kriterien sie Bedenken hegt. Der Hinweis auf § 5 Abs. 1 Z. 3 und Z. 4 lit. a FSG-GV in der Gegenschrift ersetzt nicht die erforderliche Begründung im angefochtenen Bescheid.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 1 Z 4 VwGG Abstand zu nehmen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. März 2005

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004110014.X00

Im RIS seit

20.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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