Norm
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7Kopf
SZ 34/76
Spruch
Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil. (§ 7 UWG.)
Entscheidung vom 16. Mai 1961, 4 Ob 313/61.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II, Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die klagende Partei beschäftigt sich mit der Erzeugung und dem Vertrieb eines zement- und rostlösenden Öles, des sogenannten "X-Öles", für die Bauindustrie. Im Juni 1960 brachte der Beklagte, der bis Oktober 1959 Gesellschafter und Geschäftsführer der klagenden Partei war, an verschiedene Baufirmen ein Rundschreiben zum Versand, in welchem es u. a. heißt: "Die wenig elegante Klingenführung unserer Konkurrenz, verbunden mit zahlreichen mündlich gestreuten Unwahrheiten zur Erzielung einer geballten Diffamierung, veranlaßt uns, Ihnen folgendes zur Kenntnis zu bringen: Herr Friedrich R.
...... hat als erster den Bluff und Schwindel "X-Öl" erkannt ......
Mit viel Aufwand, durch eine Häufung von Verträgen, kurz: mit viel
Schaumschlägerei - abgeblendet auf seriöse Wirkung - wurde ein
Grundstoff als Wundermittel dargestellt, von welchem sich
herausstellte, daß er Bluff ist, mit chemischer Wirkung gleich null
...... Wir lehnen es ab, mit "X-Öl" auf einen Nenner gebracht zu
werden ..... Die Gegenseite bezweckt nun, den ganzen Bluff "X-Öl"
mit gut gespielter Seriosität sich handelsgerichtlich schützen zu
lassen. Wir hingegen kämpfen dagegen an, daß ein ausgesprochener
Schwindel unter dem Deckmantel des Handelsgerichtes fundiert werden
soll ..... ".
Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung dieser Behauptungen, zur Zahlung eines Schadenersatzes von 20.000 S und einer Buße von 10.000 S, sowie die Erteilung der Befugnis zur Urteilsveröffentlichung. Der Beklagte wendete ein, daß seine Behauptungen der Wahrheit entsprächen.
Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren statt und führte aus, daß sich der Beklagte gleichgültig, ob das Erzeugnis der klagenden Partei tatsächlich wertlos sei oder nicht, nicht der Methode des Rundschreibens vom 20. Juni 1960 bedienen durfte. Der pamphletartige Charakter und die unsachliche Gehässigkeit des Rundschreibens verletzten die guten Sitten.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sei zwar dem Beklagten zuzugeben, daß überprüfbare Behauptungen, wie z. B. die Bezeichnung eines Konkurrenzunternehmens als "Schwindelfirma", seines Inhabers als "Betrüger", noch als tatsächliche Behauptungen im Sinne des § 7 UWG. angesehen werden könnten. Die beklagte Partei habe sich aber in ihrem Rundschreiben nicht mit solchen Behauptungen begnügt. Das Rundschreiben müsse in seinem Gesamtinhalt beurteilt werden; daraus ergebe sich aber die gehässige Absicht, mit der das Verhalten und die geschäftliche Betätigung der klagenden Partei als Konkurrenzfirma einer moralischen Beurteilung unterzogen würden. Solche Ankündigungen fielen aber nicht unter § 7 UWG., sondern unter § 1 UWG., der Wahrheitsbeweis sei daher nicht zulässig. Auch ein kritisierender Vergleich müsse in der Form würdig sein, Schärfe und Gehässigkeit unterlassen. Das Erstgericht habe das Vorgehen des Beklagten daher mit Recht dem § 1 UWG. unterstellt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit Recht beschwert sich der Beklagte, daß er zu dem von ihm
angebotenen Wahrheitsbeweis nicht zugelassen worden ist. Von
entscheidender Bedeutung ist hiebei, ob die Behauptungen des
Beklagten als Tatsachen im Sinne des § 7 UWG. angesehen werden
müssen, oder ob es sich um ein bloßes Werturteil handelt, das nach §
1 UWG. beurteilt werden muß. Die Unterscheidung zwischen beiden ist
oft schwierig, wie Hohenecker - Friedl (Wettbewerbsrecht, S. 39)
richtig ausführen. Sie kann unabhängig von der gewählten
sprachlichen Form nur danach getroffen werden, ob die Behauptung
bewiesen werden kann oder ob es sich um eine unüberprüfbare
Meinungskundgebung handelt. Wenn man das Rundschreiben des Beklagten
nach seinem gesamten Inhalt unter diesem Gesichtspunkt betrachtet,
ergibt sich, daß er behauptet, das sogenannte "X-Öl" der klagenden
Partei sei vollkommen wertlos und besitze nicht die chemischen
Eigenschaften, die ihm zugesagt würden. In einem dem Rundschreiben
beigelegten Anhang wird dies im einzelnen belegt und die chemische
Zusammensetzung und Wirkung des "X-Öls" bekanntgegeben. Es handelt
sich daher im wesentlichen um Tatsachenbehauptungen, die allerdings
in der Form eines Werturteils aufgestellt werden. Da eine objektive Nachprüfung des Wahrheitsgehalts der Behauptungen aber ohne weiteres möglich ist, kann der Beklagte vom Wahrheitsbeweis nicht ausgeschlossen werden. Vor Durchführung des Wahrheitsbeweises kann aber auch noch nicht entschieden werden, ob der Beklagte darüber hinaus durch die Form und den Inhalt seiner Veröffentlichung auch gegen § 1 UWG. verstoßen hat. Erst die danach getroffenen Feststellungen über den behaupteten Tatbestand werden erkennen lassen, ob und in welchem Umfang dies der Fall gewesen ist. Der Beklagte hat sich auch darauf berufen, daß die klagende Partei es war, die in unlauterer Weise gegen sein Unternehmen vorgegangen ist. Wenn ein solches unlauteres Verhalten der klagenden Partei auch sein eigenes unlauteres Verhalten an sich nicht entschuldigen könnte, so ist es doch für die Beurteilung des Rundschreibens des Beklagten in seiner Gesamtheit, insbesondere für die Beurteilung der eingangs des Rundschreibens der klagenden Partei zum Vorwurf gemachten Handlungsweise, von wesentlicher Bedeutung.
Da die Untergerichte Beweisaufnahmen unterlassen haben, ist die Sache noch nicht spruchreif.
Anmerkung
Z34076Schlagworte
Tatsachenbehauptung, Abgrenzung vom Werturteil, Werturteil, Abgrenzung von der TatsachenbehauptungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0040OB00313.61.0516.000Dokumentnummer
JJT_19610516_OGH0002_0040OB00313_6100000_000