Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr.Köhler, Dr.Pichler, Dr.Höltzel, Dr.Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarete K*****, vertreten durch Dr.Hans Miksch, Rechtsanwalt in Jennersdorf, wider die beklagte Partei Josef G*****, vertreten durch Dr.Alfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 16.870 s.A., Zahlung einer Rente und Feststellung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8. März 1961, GZ R 72/61-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. Dezember 1960, GZ 4 Cg 1084/60-4, bestätigt wurde, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Aus Anlaß der Revision werden die Urteile des Berufungsgerichtes und des Erstgerichtes insoweit, als damit über das Feststellungsbegehren entschieden wurde, einschließlich des ihnen zugrunde liegenden Teiles des Verfahrens erster und zweiter Instanz als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Belange zurückgewiesen.
Die Kosten des als nichtig erklärten Teiles des Verfahrens einschließlich der des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; demgemäß betragen die vom Beklagten der Klägerin zu ersetzenden Kosten des Verfahrens erster Instanz nur S 913,08 (statt S 1.045,70) und die des Berufungsverfahrens nur S 552,56 (statt S 663,08).
Text
Begründung:
Am 18.7.1959 wurde die Klägerin bei einem Verkehrsunfall verletzt. Sie verlangte aus diesem Grunde mit der am 2.11.1960 eingebrachten Klage vom Beklagten den Ersatz von Schäden in einer Gesamthöhe von S
16.870 sowie die Zahlung einer Rente für die Zeit vom Jänner 1960 bis Juni 1961 in Höhe von S 392,- bzw S 196,- monatlich. Außerdem begehrt sie die Feststellung, daß der Beklagte ihr auch die künftigen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen habe. Da der Beklagte zu der auf den 24.11.1960 anberaumten ersten Tagsatzung nicht erschien, erging am 9.12.1960 ein Versäumungsurteil im Sinne des Klagebegehrens, mit dem allerdings die Exekution auf das "Sondervermögen aus der Versicherung" beschränkt wurde; dies im Hinblick darauf, daß über das Vermögen des Beklagten am 19.12.1959 zu S 21/59 des Landesgerichtes Feldkirch das Konkursverfahren eröffnet worden war, das noch nicht beendet war.
Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht war - wie offenbar schon das Erstgericht - der Auffassung, daß die Konkurseröffnung der Klagsführung insoweit, als es sich um den Anspruch des Beklagten gegen den Haftpflichtversicherer auf Befreiung von der Haftung den beim Verkehrsunfall Geschädigten gegenüber handelt, nicht im Wege stehe. Dieser Anspruch sei kein Bestandteil der Konkursmasse, sondern ein vom Konkurs nicht betroffenes Sondervermögen im Sinne des § 6 Abs.3 KO. Im übrigen hielt das Berufungsgericht die geltend gemachten Ansprüche auf Grund des für wahr zu haltenden Klagsvorbringens für gerechtfertigt. Das Urteil des Berufungsgerichtes bekämpft der Beklagte aus dem Revisionsgrund des § 503 Z.4 ZPO nur insoweit, als über das Feststellungsbegehren entschieden wurde. Er beantragt, das angefochtene Urteil in diesem Belange dahin abzuändern, daß das Feststellungsbegehren abgewiesen werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Wenngleich der Beklagte in der Revision auf die Frage, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß über sein Vermögen im Zeitpunkt der Klagseinbringung das Konkursverfahren anhängig war, nicht mehr zurückkommt, hatte sich doch das Revisionsgericht damit zu befassen, weil, wie noch auszuführen sein wird, ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 6 Abs.1 und 2 KO eine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit darstellt. Das Revisionsgericht vermag sich der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Konkurs der Prozeßführung gegen den Gemeinschuldner selbst deshalb nicht im Wege stehe, weil zufolge der vom Erstgericht angeordneten Beschränkung der Exekutionsführung nur ein vom Konkurs nicht betroffenes Sondervermögen des Beklagten im Sinne des § 6 Abs.3 KO in Anspruch genommen sei, nicht anzuschließen. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs.3 KO muß es sich hiebei um einen Rechtsstreit über Ansprüche handeln, die das zum Konkurs gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen. Es kann nun nicht gesagt werden, daß die Haftpflichtversicherungssumme oder der Anspruch des Beklagten gegen den Versicherer auf Befreiung von seiner Haftung der Klägerin gegenüber das zum Konkurs gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffe. Die Haftpflichtversicherungssumme ist wohl zur Deckung von Ansprüchen bestimmt, die dem Geschädigten aus dem Haftpflichtfall gegen den Versicherungsnehmer zustehen, welcher Verwendungszweck im Konkurs des Versicherungsnehmers dadurch gesichert wird, daß der Geschädigte gemäß § 157 VVG abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen kann. Das besagt aber nicht, daß die Haftpflichtversicherungssumme im Konkurs überhaupt keine Rolle spiele. Kann doch neben ihr auch auf das sonstige Vermögen des Gemeinschuldners gegriffen werden, was insbesondere im Falle der Unzulänglichkeit der Versicherungssumme aktuell wird. Es ist daher für die übrigen Gläubiger des Gemeinschuldners keineswegs ohne Belang, in welcher Weise die Haftpflichtversicherungssumme verwendet wird. Daß diese ungeachtet des vorerwähnten Verwendungszweckes doch einen Bestandteil des die Konkursmasse darstellenden Vermögens des Gemeinschuldners bildet, folgt auch daraus, daß der Geschädigte nicht etwa unmittelbar unter Umgebung des Versicherungsnehmers auf sie greifen, sondern nur den dem Versicherungsnehmer zustehenden Befreiungsanspruch auf Grund eines gegen ihn erwirkten Exekutionstitels pfänden und sich überweisen lassen kann. Die in der Entscheidung vom 4.2.1953, JBl.1953, S.466, ausgesprochene Ansicht, daß Klagen von Geschädigten, soweit sie nur die Befriedigung aus der Haftpflichtversicherungssumme bezwecken, nicht zurückzuweisen seien, wurde denn auch in der Folge nicht mehr aufrecht erhalten (vgl. E.v.30.4.1958, ZVR 1959, Nr.73).
Es ist also davon auszugehen, daß auch der Befreiungsanspruch des Beklagten das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betrifft. Daß die Klägerin als Geschädigte auf Grund der Bestimmung des § 157 VVG abgesonderte Befriedigung aus ihm verlangen kann, hat wohl zur Folge, daß auf Grund der Bestimmung des § 6 Abs.2 KO eine Klage auch nach der Konkurseröffnung anhängig gemacht und fortgesetzt werden kann. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung kann jedoch eine solche Klage nur gegen den Masseverwalter, also nicht gegen den Gemeinschuldner selbst, erhoben werden.
Der auf der Bestimmung des § 6 KO beruhende Mangel der Verfügungsgewalt des Gemeinschuldners ist wie der Mangel der Prozeßfähigkeit von Amts wegen zu beachten; er hat gemäß §§ 7, 477 Abs.1 Z 5 ZPO die Nichtigkeit des Verfahrens zur Folge (ZVR 1959, Nr.73).
Die Nichtigkeit kann vom Revisionsgericht allerdings nur hinsichtlich des Teiles der Urteile der Vorinstanzen wahrgenommen werden, gegen den ein zulässiges Rechtsmittel vorliegt (vgl. § 462 Abs.1 ZPO, Fußnote 1 zu § 494 ZPO Stagl-Michlmayr 12.Auflg., SZ XXXI 60, EvBl.1958, Nr.63). Diese Voraussetzung ist nur hinsichtlich der Entscheidung über das Feststellungsbegehren gegeben, nicht jedoch hinsichtlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über das Leistungsbegehren.
Die Entscheidung übr die Kosten des als nichtig erklärten Teiles des Verfahrens beruht auf § 51 Abs.3 ZPO. Sie hat zur Folge, daß hinsichtlich der Kosten des aufrecht gebliebenen Teiles des Verfahrens erster und zweiter Instanz die Bemessungsgrundlage um den Betrag, mit welchem das Feststellungsbegehren bewertet wurde (10.000 S), zu vermindern war.
Anmerkung
E75313 2Ob234.61European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0020OB00234.61.0616.000Dokumentnummer
JJT_19610616_OGH0002_0020OB00234_6100000_000