Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erich K*****, Rechtsanwaltsanwärter, *****, vertreten durch Dr. Kurt Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Werner T*****, Rechtsanwaltsanwärter, *****, vertreten durch Dr. Hermann Sackl, Rechtsanwalt in Graz, wegen 17.500 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 29. September 1960, GZ 2 R 84/60-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Juni 1959, GZ 9 Cg 103/59-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 735,07 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Sachverhalt, der diesem Rechtsstreit zu Grunde liegt, sowie der bisherige Gang des Verfahrens ergibt sich aus dem Beschluss des Revisionsgerichtes vom 1. 4. 1960, 2 Ob 672/59-22.
In der Folge hat das Berufungsgericht die Beweise über die Ursache und den Hergang des Unfalles wiederholt und ergänzt und sohin der Klage in Abänderung des Ersturteils im vollen Umfang stattgegeben. Es kam zu dem Ergebnis, dass der Beklagte infolge Übermüdung während der Fahrt eingeschlafen sei und die Herrschaft über das Fahrzeug verloren habe. Seine Fahrlässigkeit bestehe darin, dass er trotz erkennbaren Schlafbedürfnisses weiter gefahren sei. Er hafte im Sinn der einschlägigen Vorschriften des italienischen Rechtes, nämlich Art 2043, 2947 cod civ, Art 157, 590 cod pen für den nichtverjährten Schadenersatzanspruch des Klägers. Diesen treffe kein Mitverschulden. Es gebührten ihm 12.000 S Schmerzengeld, 1.000 S für Transportkosten, 4.000 S für Verpflegs- und Ärztekosten und 500 S für Kleiderschäden, somit der volle Klagsbetrag.
Dieses Urteil bekämpft der Beklagte seinem gesamten Umfang nach mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen oder es im Sinn der Klagsabweisung abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Sie rügt zunächst unter dem Gesichtspunkt beider geltend gemachten Revisionsgründe, dass das Berufungsgericht auf Grund der bloßen Tatsache des Unfalles eine gemäß Art 590 Abs 2 cod pen strafbare Handlung des Beklagten ohne Beweise für das Vorliegen dieses Tatbestandes angenommen habe. Der Tatbestand nach Abs 1 des Art 590 cod pen werde nicht von Amts wegen verfolgt, der Kläger habe nie behauptet, einen Strafantrag gestellt zu haben. Der Kläger habe nichts vorgebracht und das Berufungsgericht habe nicht gewürdigt, ob das Verhalten des Beklagten den Tatbestand nach Abs 2 des Art 590 cod pen erfülle.
Diese Einwände sind jedoch nicht stichhältig.
Schon in der Klage hat der Kläger behauptet, der Beklagte habe den Unfall dadurch verschuldet, dass er trotz Ermüdung die Fahrt nicht unterbrochen und durch Einschlafen am Lenker den Unfall fahrlässig herbeigeführt habe. Er hat auch seine Verletzung und deren Folgen ausreichend dargestellt. Das Vorbringen enthält somit alle von der Revision vermissten Behauptungen. Abs 2 des Art 590 cod pen normiert auch entgegen der Ansicht des Revisionswerbers keinen von Absatz 1 verschiedenen Gefährdungstatbestand, sondern lediglich objektive Bedingungen erhöhter Strafbarkeit für den Fall, dass die Körperbeschädigung schwer oder sehr schwer ist. Der von der Revision aufgezeigte Unterschied, dass nämlich bei Fehlen dieser objektiven Bedingungen ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperbeschädigung von Amts wegen nicht eingeleitet wird, ist ohne Bedeutung. Nach italienischen Recht kann die Klage auf Ersatz des Schadens, der durch eine Tat verursacht wurde, die eine Straftat darstellt im Strafverfahren durch Anschluss als Privatbeteiligter erhoben werden. Wenn sie vor dem Zivilgericht erhoben wird, während ein Strafverfahren auf Grund derselben Tat anhängig ist, muss das Zivilverfahren gemäß Art 3 der italienischen StPO unterbrochen werden, bis im Strafverfahren eines der in der genannten Gesetzesstelle bezeichneten Urteile gefällt wurde. Kann aber - wie im vorliegenden Fall - ein Strafverfahren nicht durchgeführt werden, dann kann sich das Zivilverfahren frei entfalten und der Zivilrichter kann sogar zwecks Zuerkennung des "danno non patrimoniale", also des "Nichtvermögenschadens" feststellen, ob eine bestimmte unerlaubte Handlung eine Straftat darstellt. Diese Feststellung ist erforderlich, weil nach italienischen Recht die Ersetzbarkeit des Nichtvermögenschadens, um die Art 185 cod pen und 2059 cod civ in Einklang zu bringen, nur in dem Fall bejaht wird, dass die Tat, die den Schaden verursacht hat, eine Straftat darstellt (Entscheidungen des ital. Kassationshofes vom 2. 4. 1960, Nr 736, und vom 28. 9. 1960, Nr 2505). Nun hat das Berufungsgericht als erwiesen angenommen, dass der Beklagte infolge Übermüdung beim Lenken des Motorrollers eingeschlafen ist. Es hat auf Grund des Sachverständigengutachtens festgestellt, dass einem derartigen Einschlafen ein schon mindestens einige Minuten vorher wahrnehmbares Schlafbedürfnis vorausgeht. Hat aber der Beklagte dieses wahrnehmbare Schlafbedürfnis entweder nicht zur Kenntnis genommen oder hat er darauf trotz Kenntnisnahme nicht durch Unterbrechen der Fahr reagiert, sondern diese fortgesetzt, dann hat er das gebotene Maß an Vorsicht und Aufmerksamkeit außer Acht gelassen und somit fahrlässig gehandelt. Wer trotz erkennbarer Übermüdung ein Fahrzeug lenkt, muss mit der Möglichkeit rechnen, den Anforderungen, die diese Tätigkeit in körperlicher und psychischer Hinsicht stellt, nicht in jeder sich möglicherweise aus der Verkehrslage ergebenden Situation gewachsen zu sein. Dass die Fahrlässigkeit des Beklagten für die Verletzung des Klägers ursächlich war, bedarf keiner weiteren Begründung.
Als rechtsirrig bezeichnet die Revision weiter die vom Berufungsgericht hinsichtlich der Verteilung der Beweislast vertretene Ansicht, wonach demjenigen, gegen den sich die Vermutung einer schuldhaften Fahrlässigkeit richtet, der Beweis des Gegenteils obliege.
Da die Beweislastverteilung eine Frage des materiellen Rechtes ist, ist auch hier italienisches Recht anzuwenden. Die italienische Rechtsprechung unterscheidet, wenn sich ein Unfall während eines Personentransportes ereignete, zwischen einem entgeltlichen, einem unentgeltlichen und einem Transport aus Freundschaft oder Höflichkeit. In den beiden ersten Fällen finden die Bestimmungen des Art 1681 Abs 1 und 3 cod civ Anwendung, wobei bei beiden Bestimmungen das Vorhandensein eines Vertragsverhältnisses mit der Folge vorausgesetzt wird, dass der Transportunternehmer haftet, wenn er nicht beweist, dass er alle Maßnahmen getroffen hat, die geeignet sind, den Schaden zu vermeiden. Beim Transport aus Freundschaft oder Höflichkeit gelten, da die eventuelle Haftung in das Gebiet der außervertraglichen Schuld fällt, die allgemeinen Normen der Lehre von der unerlaubten Handlung mit der Folge, dass dem Beschäftigten die Beweislast nicht nur für den Schaden, sondern darüber hinaus auch für den Kausalzusammenhang und für die Verantwortlichkeit des Schädigers aufgebürdet ist (Entscheidung des ital. Kassationshofes vom 8. 10. 1959, Nr 2717, Massimario del Foro Italiano, Lfg Nr 20/1959). Durch diese Regelung der Beweislast ist jedoch für den Beklagten nichts gewonnen, weil der Kläger seiner Beweispflicht nach gekommen ist. Die bereits im ersten Rechtsgang getroffene Feststellung, dass die beiden Parteien die durch die gemeinsame Ferienreise entstandenen Treibstoffkosten gemeinsam trugen, blieb unbekämpft. Sie rechtfertigt die Folgerung, dass der Kläger zumindest nicht ausschließlich aus Freundschaft oder Höflichkeit befördert wurde. Daraus folgt aber, dass der vom Berufungsgericht in der Frage der Beweislastverteilung eingenommene Standpunkt im Ergebnis richtig ist.
Die Revision macht zwar geltend, dass auch andere Unfallsursachen als die angenommene Übermüdung dankbar seien, unterlässt es jedoch, auch nur eine einzige Möglichkeit aufzuzeigen, die ihrer Ansicht nach den Unfall erklären könnte. Gegenüber dem Standpunkt, dass die strengeren, für einen Schuldspruch im Strafverfahren bestehenden Grundsätze auch im Zivilverfahren gelten müssten, ist zu sagen, dass dem österreichischen Zivilprozessrecht eine der Vorschrift des § 259 Z 3 StPO analoge Bestimmung fremd ist. Die Behauptung, der Kläger habe ohne jedes Tatsachenvorbringen ein Verschulden des Beklagten behauptet, trifft, wie schon früher aufgezeigt, nicht zu. Die weiteren Revisionsausführungen, mit denen der Beklagte darzutun versucht, dass der Anspruch des Klägers verjährt sei, können keine Beachtung finden. Der Revisionswerber übersieht, dass das Revisionsgericht an seine diesfalls im Aufhebungsbeschluss ON 22 dargelegte Rechtsmeinung gebunden ist. Die vom Revisionswerber aufgeworfene Frage eines konkludenten Verzichtes des Klägers stellt eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung dar. Als rechtsirrig bekämpft die Revision auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass den Kläger kein Mitverschulden treffe. Ihrer Meinung nach liegt ein solches darin, dass der Kläger, als der Beklagte etwa eine Viertelstunde vor dem Unfall während der Durchfahrt durch eine kleine Ortschaft an eine Straßenabzweigung einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug unrichtig auswich, sich lediglich mit der Frage an den Beklagten, was denn los sei, begnügte und ungeachtet dieses Vorfalls mit dem Beklagten weiter fuhr. Da dieser Fehler nur entweder durch die bereits beginnende Übermüdung erklärbar oder die Folge einer Fahrlässigkeit sei, hätte - so meint der Revisionswerber - der Kläger nach seiner Persönlichkeit schon zu diesem Zeitpunkt jede Weiterfahrt mit dem Beklagten ablehnen müssen. Hiezu ist zunächst grundsätzlich zu sagen, dass auch nach italienischen Recht der Ersatz vermindert wird, wenn eine fahrlässige Tat des Gläubigers zum Entstehen des Schadens beigetragen hat (Art 1227 cod civ). Nach Ansicht des Revisionsgerichtes war es jedoch dem Kläger nicht zuzumuten, das fahrtechnisch unrichtige Verhalten des Beklagten während der Ortsdurchfahrt als durch Übermüdung veranlasst zu erkennen. Da aber auch nicht hervorgekommen ist, dass sich während der gemeinsamen Reise schon vor diesem Vorfall einmal für den Kläger ein Grund zu Zweifeln an der Fahrsicherheit des Beklagten ergeben habe, kann jenem auch die Weiterfahrt nach diesem - einmaligen - Vorfall nicht als Fahrlässigkeit angerechnet werden. Dass dem Kläger im Hinblick auf seine Verletzung und deren Folgen neben dem reinen Vermögensschaden grundsätzlich auch ein Ersatz für jene Leiden gebührt, die sich nicht in einem wirtschaftlichen Nachteil konkretisieren, bestreitet der Revisionswerber nicht. Gegenüber seiner Meinung, die Höhe dieses Ersatzanspruches auf Schmerzengeld habe sich nach dem Zeitpunkt des Unfalles und seiner Folgen, nicht aber nach dem der erheblich späteren Geltendmachung zu richten, wird auf die gegenteilige Rechtsprechung verwiesen, nach welcher der Zeitpunkt für die betragliche Festsetzung des Schadens jener der gerichtlichen Entscheidung ist (Entscheidungen des ital. Kassationshofes vom 25. 10. 1956, Nr 3921, und vom 4. 4. 1959, Nr 1007).
Wenn der Revisionswerber in diesem Belang weiter vorbringt, dass nach der Übung italienischer Gerichte im Fall von Körperbeschädigungen höchstens 150.000 Lt zugesprochen würden und dass ein Betrag von 6.000 S angemessen sei, so ist ihm zu erwidern, dass der Beklagte es unterlassen hat, im Verfahren erster Instanz Beschädigungen in dieser Richtung aufzustellen und Beweise anzubieten (§ 271 Abs 1 ZPO). Unberechtigt ist die Revision auch, soweit sie sich gegen den Zuspruch von 4.000 S für zusätzliche Verpflegungs- und Arztkosten wendet. Für den Beklagten ist in diesem Belang auch mit dem Hinweis auf die Ansicht des Sachverständigen Dr. K***** nichts gewonnen, wonach der Unfall als solcher einen Aufenthalt in der zweiten Verpflegskostenklasse des Krankenhauses nicht erfordert hätte. Denn maßgeblich ist, wie sich für den Kläger die Lage zur Zeit der Aufnahme in das Krankenhaus darstellte. Diesbezüglich hat aber das Berufungsgericht festgestellt, dass zu dieser Zeit in der dritten Klasse überhaupt kein Bett frei war und dass dem Kläger geraten worden war, sich in der zweiten Klasse aufnehmen zu lassen, weil gewisse Komplikationen zu befürchten seien. Berücksichtigt man hiezu noch den Stand des Klägers, dann bestehen nicht die geringsten Bedenken gegen den Zuspruch der begehrten Mehrauslagen. Der unbegründeten Revision musste der Erfolg versagt werden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E75737 2Ob507.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0020OB00507.6.0830.000Dokumentnummer
JJT_19610830_OGH0002_0020OB00507_6000000_000