TE OGH 1961/9/6 1Ob331/61

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.1961
beobachten
merken

Norm

Ehegesetz §80

Kopf

SZ 34/117

Spruch

Die Nichtigkeit einer Unterhaltsvereinbarung nach § 80 EheG. ist nicht von Amts wegen wahrzunehmen.

Entscheidung vom 6. September 1961, 1 Ob 331/61.

I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die Streitteile lernten einander zu Beginn des Jahres 1939 kennen. Bald darauf erfuhr der Beklagte von der Klägerin, daß sie nicht arischer Abstammung, sondern jüdischer Mischling zweiten Grades sei. Er erbat sich zunächst Bedenkzeit, heiratete aber dann am 21. Dezember 1940 die Klägerin. Später wollte er Offizier werden und trat an die Klägerin mit dem Wunsche heran, sich scheiden zu lassen. Er verpflichtete sich, für den angemessenen Unterhalt der Klägerin aufzukommen. Bei den folgenden Besprechungen wurde zwischen dem Beklagten einerseits und der Klägerin und deren Bruder andererseits vereinbart, daß eine Aufhebung der Ehe nach § 37 EheG. durchgeführt werden solle. In den frühen Morgenstunden vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung über das Eheaufhebungsbegehren übergab der Beklagte dem Bruder der Klägerin eine schriftliche Erklärung mit dem Datum dieses Tages (19. Dezember 1942) und folgendem Inhalt:

"Ich erkläre, daß ich aus freiem Entschluß und aus ehrenhaften Beweggrunden für Margarete O. für die Zeit bis zu einer eventuellen neuerlichen Bindung mit einen meinen Verhältnissen angemessenen monatlichen Betrag, der ihr jeweils Mitte des Monats zugehen wird, sorgen werde. Ich behalte mir vor, bei Kenntnis tadeligen Verhaltens von dieser Verpflichtung Abstand zu nehmen."

Bei der Streitverhandlung am 19. Dezember 1942 gab die damalige Beklagte als richtig zu, daß sowohl ihr Gatte als auch sie selbst erst im Oktober 1942 daraufgekommen seien, daß bei ihr ein jüdischer Großelternteil vorhanden war. Die Ehe wurde mit Urteil vom 19. Februar 1943 für aufgehoben erklärt, da der Tatbestand des § 37 EheG. als gegeben angesehen wurde.

Der Beklagte ließ der Klägerin nur zweimal - am 25. Juni und am 3. August 1943 - Beträge von je 50 RM zukommen. Weitere Zahlungen leistete er nicht. Die Klägerin ließ in den Jahren 1943 bis 1945 insgesamt fünfmal beim Zentralmeldeamt nach der Anschrift des Beklagten forschen. Die Auskunft lautete jeweils auf die Wohnung der Klägerin zur Zeit der Eheaufhebung. Am 27. Jänner 1947 erhielt die Klägerin auf ihr Ersuchen von der Familie des Beklagten dessen Heimatschein zugeschickt. Weitere Versuche, die Adresse des Beklagten in Erfahrung zu bringen, hat die Klägerin nicht unternommen.

Die Klägerin begrundet ihr vorliegendes Unterhaltsbegehren gegenüber dem Beklagten damit, daß diesem schon bei Eingehung der Ehe ihre teilweise jüdische Abstammung bekannt gewesen sei, daß sie sich seinem Aufhebungsbegehren nicht habe widersetzen können, als einziges aber die Verpflichtungserklärung des Beklagten zur Unterhaltsleistung erreicht habe. Erst wenige Monate vor Einbringung der Klage sei es ihr gelungen, den Aufenthalt des Beklagten ausfindig zu machen.

Der Beklagte beantragt Abweisung der Klage und wendet im wesentlichen ein: Er habe tatsächlich erst am 26. Oktober 1942 von der jüdischen Abstammung der Klägerin erfahren. Die Klägerin habe ihm diese Tatsache bewußt verschwiegen; sie habe also die Eheaufhebung verschuldet. Die Unterhaltserklärung vom 19. Dezember 1942 enthalte keine Verpflichtung. Sie sei nur eine freiwillige Erklärung, ein Schenkungsversprechen und mangels der nötigen Form unverbindlich. Der Beklagte habe am 2. Dezember 1944 wieder geheiratet. Durch diese neuerliche Bindung auf seiner Seite sei nach dem Inhalt der Erklärung ein Anspruch der Klägerin erloschen. Die Klägerin habe sich auch nicht untadelig verhalten. Dadurch, daß sie ihren Anspruch durch sechzehn Jahre nicht geltend gemacht habe, sei der Anspruch verwirkt. Die Erklärung sei durch Umstände zustande gekommen, die unsittlich seien, sie sei durch Zwang seitens des Bruders der Klägerin erwirkt worden und auch deshalb nichtig, weil die Klägerin ihre den Tatsachen entsprechende Angabe im Eheaufhebungsverfahren von einer Leistung abhängig gemacht habe, auf welche ihr ein Rechtsanspruch nicht zugestanden sei. Schließlich stehe der Klägerin auch deshalb kein Unterhaltsanspruch zu, weil, sie einer entsprechenden Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Der Beklagte bestreitet den Anspruch der Klägerin auch der Höhe nach.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren aus folgenden rechtlichen Überlegungen ab: Die Unterhaltsvereinbarung vom 19. Dezember 1942 sei im Sinne des § 80 EheG. nichtig. Beide Streitteile hätten nämlich im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung einen nicht bestehenden Eheaufhebungsgrund geltend gemacht. Die Zustimmung der Klägerin zur seinerzeitigen Aufhebung der Ehe sei von der Unterhaltserklärung geradezu abhängig gemacht worden. Diese Nichtigkeit sei von Amts wegen wahrzunehmen. Der nur auf die Unterhaltsvereinbarung gestützte Anspruch der Klägerin sei daher nicht begrundet.

Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg. Nach teilweiser Beweiswiederholung kam das Berufungsgericht zu keinen anderen Feststellungen als das Erstgericht. Es vertrat wie das Erstgericht den Standpunkt, die Unterhaltsvereinbarung sei im Sinne des § 80 EheG. nichtig. Diese Nichtigkeit sei von Amts wegen wahrzunehmen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht begrundete seine Rechtsansicht, daß auf die Nichtigkeit der Unterhaltserklärung vom 19. Dezember 1942 von Amts wegen Bedacht zu nehmen gewesen sei, damit, daß die Nichtigkeitsfolge zum Schutze der Ehe getroffen wurde, um die Geltendmachung unwahrer, vorgeschützter Scheidungs- und Aufhebungsgrunde und so auch vom Gesetzgeber nicht zugelassene einverständliche Scheidungen und Aufhebungen zu verhindern. Die Gültigkeit der Vereinbarung solle daher wegen des öffentlichen Interesses ausgeschlossen sein.

Dieser Rechtsansicht kann der Oberste Gerichtshof nicht beipflichten. Auch vor Rechtskraft des Scheidungsurteiles geschlossene Unterhaltsvergleiche sind zulässig, weil sie den von Amts wegen zu prüfenden Eheauflösungsgrund unberührt lassen und durch § 80 EheG. auch dann grundsätzlich gedeckt sind, wenn sie die Scheidung erleichtern oder ermöglichen. Nicht ein nach § 80 EheG. nichtiger Vergleich, sondern die Vortäuschung nicht gegebener Familienrechtsverhältnisse durch die Ehegatten gefährdet den Prozeßzweck und vereitelt ihn, sofern das Gericht die Tatbestandsunterschiebung nicht entdeckt und zu einem ehelösenden Erkenntnis gelangt (Novak, Die Amtswegigkeit im österreichischen Eheverfahren und ihre Grenzen, S. 71 f.). Die Nichtigkeitsdrohung des § 80 EheG. hat also nicht die Aufgabe, einverständliche Eheauflösungen zu verhindern, sie kann diese Aufgabe gar nicht erfüllen. Sie richtet sich nur gegen die den guten Sitten widersprechende Unterhaltsvereinbarung selbst. Der Gesetzgeber sieht die Vereinbarung, die im Zusammenhang mit der Geltendmachung nicht oder nicht mehr bestehender Eheauflösungsgrunde zustande kommt, als sittenwidrig an, wie aus dem folgenden Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung, insbesondere aus den Worten "oder wenn sich anderweitig ...... ergibt, daß sie den guten Sitten widerspricht", zu erkennen ist. Es läßt sich daher auch nicht sagen, daß durch eine solche sittenwidrige Unterhaltsvereinbarung öffentliche Interessen verletzt werden; es muß vielmehr dem Betroffenen anheimgestellt sein, ob er sich an die - wenn auch sittenwidrige - Vereinbarung gebunden erachtet, oder ob er sie wegen ihrer Nichtigkeit anfechten will. Will er den Unterhaltsvertrag anfechten, so muß er die seinerzeitige Geltendmachung nicht oder nicht mehr bestehender Eheauflösungsgrunde als Vorfrage im Verfahren nachweisen (Schwind, Kommentar zum österreichischen Eherecht, S. 249), also vor allem entsprechende Prozeßbehauptungen aufstellen. Der Beklagte hat aber bis zuletzt den Standpunkt vertreten, der seinerzeit von ihm geltend gemachte Eheauflösungsgrund habe tatsächlich bestanden. Bei diesem seinem Prozeßstandpunkt konnte er eine Nichtigkeit der Unterhaltsvereinbarung im Sinne des § 80 EheG. nicht geltend machen, und er hat dies auch nicht getan.

Die Untergerichte durften also eine möglicherweise der Unterhaltsvereinbarung vom 19. Dezember 1942 anhaftende Nichtigkeit nicht von Amts wegen wahrnehmen, wie die Revisionswerberin in ihrer Rechtsrüge zutreffend ausführt. Die Auslegung des § 80 EheG. durch die Untergerichte beruht auf einem Rechtsirrtum; dieser war daher auf die Rechtsrüge der Klägerin hin vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen. War es aber verfehlt, den Anspruch der Klägerin wegen angeblicher Nichtigkeit der Vereinbarung zu verneinen, so ergibt sich die Notwendigkeit, auf die einzelnen Einwendungen des Beklagten gegen den klägerischen Anspruch einzugehen.

Anmerkung

Z34117

Schlagworte

Ehescheidung, Nichtigkeit einer Unterhaltsvereinbarung nach § 80 EheG., Nichtigkeit einer Unterhaltsvereinbarung nach § 80 EheG., Unterhaltsvereinbarung, Nichtigkeit nach § 80 EheG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00331.61.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19610906_OGH0002_0010OB00331_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten