TE OGH 1961/9/20 1Ob350/61

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Veröffentlicht am 20.09.1961
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Norm

ZPO §1
ZPO §6 f.

Kopf

SZ 34/122

Spruch

Der Mangel der Parteifähigkeit (Parteiexistenz) zufolge Ablebens vor Prozeßbeginn ist jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen.

Entscheidung vom 20. September 1961, 1 Ob 350/61.

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Für den Drittkläger wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. Februar 1961, 6 P 64/61-1, die Abwesenheitspflegschaft eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Gustav B. zum Abwesenheitskurator bestellt. Dieser wurde pflegschaftsbehördlich ermächtigt, die Klage auf Aufhebung des Miteigentums gegen die Beklagten einzubringen. Die Beklagten wendeten in der ersten Tagsatzung hinsichtlich des Drittklägers mangelnde Prozeß- und Parteifähigkeit ein, da dieser im März 1945 gefallen sei.

Das Erstgericht leitete Erhebungen ein und stellte auf Grund einer Mitteilung des Rates der Gemeinde S. sowie der Aussage des Zeugen Leopold L. fest, daß der Drittkläger im Jahre 1945 gefallen sei. Es folgerte daraus den Mangel der Parteifähigkeit des Drittklägers und wies unter Nichtigerklärung des Verfahrens die Klage des Drittklägers zurück.

Das Rekursgericht trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Der rechtskräftige Beschluß des Außerstreitrichters bewirke, daß die innerhalb der Grenzen der Ermächtigung vom Abwesenheitskurator vorgenommenen Handlungen rechtswirksam seien. Die Ermächtigung des Kurators sei nicht bloß bedingt für den Fall ausgesprochen worden, daß der Abwesende am Leben sei. Daraus folge, daß die bisherigen Prozeßhandlungen des Kurators nicht unwirksam seien. Dem Prozeßgericht sei die Prüfung untersagt, ob die Bestellung des Kurators noch aufrechtzuerhalten sei. Dies obliege ausschließlich dem Außerstreitrichter.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge, hob den zweitgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Rekursgericht neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, da die Entscheidung des Rekursgerichtes sachlich eine Abänderung enthält. Der Revisionsrekurs ist auch begrundet.

Die Bestimmung des § 7 Abs. 2 ZPO., wonach die Nichtigkeit des Verfahrens nicht ausgesprochen werden kann, wenn dem Ausspruch eine von demselben oder von einem anderen inländischen Gericht gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht, findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Voraussetzung ist nämlich, daß die Entscheidung ausdrücklich über den Grund der Nichtigkeit ergangen ist. Dies trifft hier nicht zu, weil in dem Beschluß über die Bestellung des Abwesenheitskurators hierüber nicht spruchgemäß entschieden wurde. Außerdem findet der Grundsatz auf die Parteifähigkeit, da die ZPO. dies nicht ausdrücklich erwähnt, nur im Rahmen des § 42 Abs. 3 JN., nämlich dann Anwendung, wenn die Entscheidung im selben Rechtsstreit ergangen ist (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, I S. 162).

Im Einklang mit dieser Ansicht steht die Rechtsprechung. Danach ist die Bestellung eines Abwesenheitskurators für eine nicht oder nicht mehr existierende Person unzulässig und wirkungslos (3 Ob 256/51, 3 Ob 180/51, 2 Ob 77/49 u. a.). Ferner beendet der Tod des Kuranden die Kuratel, ohne daß es einer gerichtlichen Aufhebung bedürfte (3 Ob 29/56, 3 Ob 165/55 u. a.).

Unrichtig ist die Ansicht des Rekursgerichtes, daß das Prozeßgericht die Frage des Todes nicht prüfen durfte. Diese Ansicht entbehrt der Stütze im Gesetz. Vielmehr hat das Gericht die Frage der Parteifähigkeit von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Stagel - Michlmayr, ZPO., 12. Aufl. S. 345 zu § 1 ZPO. A Nr. 3). Die Entscheidung SZ. XXIV 272 steht dem nicht entgegen. In diesem Fall war der Betreffende im Zeitpunkt der Eröffnung der Abwesenheitspflegschaft verschollen. Es stand also nicht fest und war auch nicht erweislich, ob und wann er tatsächlich gestorben war. Im gegenständlichen Fall war dies aber nach den Feststellungen des Erstgerichtes im Zeitpunkt der Bestellung des Abwesenheitskurators bereits erweislich. Wenn in der Entscheidung SZ. XXVII 241 gesagt wird, die Bestellung eines Abwesenheitskurators sei zulässig, weil der Betreffende im Kriegseinsatz gestanden und der Tod nicht durch öffentliche Urkunden erwiesen sei, so war damit offenbar nur der Regelfall gemeint. Es sollte aber damit nicht gesagt werden, daß der Beweis des Todes durch anderweitige Beweismittel ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht hat als erwiesen angenommen, daß der Drittkläger bereits im Jahre 1945 gestorben ist. Wenn dies zutrifft, konnte er weder als Kläger auftreten, noch konnte für ihn im Jahre 1961 ein Kurator bestellt werden. Es läge Mangel der Parteiexistenz vor, welcher die Nichtigkeit des trotz dieses Mangels durchgeführten Verfahrens in Ansehung des Drittklägers zur Folge hätte (3 Ob 256/51; Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. I S. 118, 105). Diese Feststellung wurde im Rekurs des Drittklägers bekämpft. Das Rekursgericht ist, von seiner Rechtsansicht ausgehend, auf diese Ausführungen nicht eingegangen. Nach dem oben Gesagten ist dies aber erforderlich, weshalb das Rekursverfahren mangelhaft geblieben ist.

Anmerkung

Z34122

Schlagworte

Mangel der Parteifähigkeit, amtswegige Berücksichtigung, Parteifähigkeit, amtswegige Berücksichtigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0010OB00350.61.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19610920_OGH0002_0010OB00350_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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