TE OGH 1961/9/28 6Ob353/61

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Veröffentlicht am 28.09.1961
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Deutsch als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk, Dr. Meyer-Jodas, Dr. Hammer und Dr. Lassmann als Richter in der Abhandlungssache nach dem am 29. November 1960 verstorbenen Heinrich Josef W*****, infolge Revisionsrekurses des Rudolf W*****, vertreten durch Dr. Franz Clemens Obendorfer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 24. August 1961, GZ R 401/61-91, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 27. Juli und 2. August 1961, GZ A 466/60-72, 76, bestätigt wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In seinem Testament vom 17. 12. 1957 hat der Erblasser seine Gattin Margarete (Grete) Rosa W***** zur Erbin eingesetzt (ON 10). Die letztwillige Erklärung vom 13. 3. 1959 (ON 11) hat ihrem für die gegenständliche Entscheidung maßgebenden Teil den folgenden Wortlaut:

"Mein Testament. 1.) Universalerbin Grete Rosa W*****. 2.) Herta K***** 150.000 S. 3.) Grete Marie W***** 100.000 S. 4.) Rudolf W***** 50.000 S. 5.) Gabriele W***** 100.500 S. 6.) Firmenpersonal 100.000 S." Das ist alles mit Kugelschreiber geschrieben, der Punkt 1.) mit Kugelschreiber durchgestrichen. Mit Tintenstift sind folgende hier maßgebliche Beisätze gemacht. Es findet sich eine weitere Unterschrift "Mein letzter Wille Testament geändert 25/X 1959 H W*****". Als Fußnote mit einem Bezugszeichen zum durchgestrichenen Punkt 1.) finden sich folgende Worte: "1.) 25/X 1959 Grete Marie W***** 300.000 S." Der Punkt 3.) ist durchgestrichen und es erscheint der Beisatz gemacht: "Valerie K***** 200.000 S." Das Vermächtnis an Rudolf W***** ist auf 500.000 S und das Vermächtnis an Gabriele W***** auf 400.000 S erhöht.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 27. 7. 1961 ON 72, S 189 f, die von Margarete Rosa W***** auf Grund des Testamentes vom 17. 12. 1957 zum gesamten Nachlass abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen, das Erbrecht der Genannten für ausgewiesen erkannt und ihr gemäß § 810 ABGB, § 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Ferner hat das Erstgericht mit Beschluss vom 2. 8. 1961, ON 76, S 195 f, die vom erblasserischen Cousin Rudolf W***** am 1. 8. 1961 bei Gericht eingelangte, auf Grund des Gesetzes abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen und das Erbrecht des Genannten als ausgewiesen anerkannt, hat hingegen den Antrag des Genannten, ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen, abgewiesen.

Das Zweitgericht hat dem formell gegen die zweite, inhaltlich gegen die erste erstgerichtliche Entscheidung gerichteten Rekurs des Rudolf W***** nicht Folge gegeben. Die Streichung der Erbseinsetzung im späteren "Testament" sei nicht etwa mit Tintenstift erfolgt wie die anderen Beisätze, sondern mit Kugelschreiber, also augenscheinlich gleich bei der Testamentserrichtung, vielleicht weil der Erblasser eine neuerliche Einsetzung der Margarete Rosa W***** für überflüssig erachtet habe. Dafür spreche auch die spätere Erhöhung des Legates des gesetzlichen Erben Rudolf W***** von 50.000 S auf 500.000 S. Eine Außerkraftsetzung des früheren Testamentes durch die spätere letztwillige Erklärung stehe daher nicht fest und es sei daher das frühere Testament mit Recht als ausreichender Erbrechtsausweis zur Überlassung der Nachlassverwaltung vor der Erbserklärung des Rudolf W***** eingesehen worden.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Rudolf W***** ist mangels Dartuung des Vorliegens eines der im § 16 Abs 1 AußStrG erschöpfend aufgezählten Beschwerdegründe, aus denen allein in Außerstreitsachen eine weitere Beschwerde gegen den bestätigenden Bescheid der zweiten Instanz an den Obersten Gerichtshof statthaft ist, unzulässig. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die spätere letztwillige Erklärung als Testament gemäß § 713 ABGB das frühere Testament aufgehoben habe. Daran habe eine nachträgliche Aufhebung des späteren Testamentes nichts ändern können. Dass die Streichung der Erbseinsetzung in der späteren letztwilligen Erklärung schon im Zuge der Errichtung dieser Erklärung erfolgt sei, sei eine Würdigung, die dem Abhandlungsgericht bei Beurteilung der Frage, ob der Erbrechtsausweis als erbracht angesehen werden könne, verwehrt sei. Wenn der Beschwerdeführer erklärt, deshalb die zweitinstanzliche Entscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung anzufechten, übersieht er, dass bloße unrichtige rechtliche Beurteilung keinen zulässigen Anfechtungsgrund nach § 16 Abs 1 AußStrG bildet. Denn nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung begründet eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle. Vielmehr gehört zum Begriff der offenbaren Gesetzwidrigkeit, dass sich die bekämpfte Entscheidung mit einer ausdrücklichen, klaren, zu Zweifeln über die Absicht des Gesetzgebers keinen Anlass gebenden gesetzlichen Regelung in Widerspruch gesetzt hat. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit in diesem Sinne liegt im vorliegenden Fall aber nicht vor. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, wie weit das Verlassenschaftsgericht bei Prüfung des Erbrechtstitels zu gehen hat, wann also gesagt werden könne, dass das Erbrecht gemäß §§ 810 ABGB, 145 AußStrG "hinreichend" ausgewiesen sei (vgl Klang-Weiß, Kommentar, 2. Aufl, zu §§ 799 f ABGB, S 967, bei Anm 7) Margarete Rosa W***** hat sich zum Ausweis ihres Erbrechtes jedenfalls im Sinne des § 123 AußStrG auf ein dem Inhalt und der äußeren Form nach vorschriftmäßig errichtetes Testament berufen können. Wie das Zweitgericht ohne offenbarer Gesetzwidrigkeit im obigen Sinne ausgeführt hat, besteht nach dem äußeren Anschein keine zwingenden Gründe für die Annahme, dass die Erbeinsetzung in der späteren letztwilligen Erklärung nicht sofort nach ihrer Niederschrift noch vor ihrer Unterfertigung wieder durchgestrichen, dass also die spätere letztwillige Erklärung als Testament und nicht von Anfang an nur als Kodizill errichtet worden sei. Es kann demnach keine Rede davon sein, dass Margarete Rosa W***** vom Abhandlungsverfahren auszuschließen gewesen wäre, weil es auf keinen Fall zu einer Einantwortung an sie kommen könne (Ehrenzweig, Erbrecht, 1937, § 509 VI, S 496, Klang-Weiß aaO S 967 f). Dies hat aber zur Folge, dass der Genannten ohne offenbare Gesetzwidrigkeit die Nachlassverwaltung überlassen werden konnte (Ehrenzweig aaO, VIII, S 498, Klang-Weiß, aaO, zu § 810, S 1013, bei Anm 3). Weiters ist darauf hinzuweisen, dass ein neues Testament das alte nur im Zweifel aufheben würde, dass sich der Aufhebungswille des Testators durch Auslegung feststellen lassen muss und dass gegen einen solchen Aufhebungswillen spricht, wenn sich das neue Testament inhaltlich als Ergänzung des alten darstellt (Ehrenzweig, aaO, § 505 III, S 473, Klang-Weiß, aaO, zu § 713 ABGB, V 3, S 703). Endlich ist auf § 723 ABGB zu verweisen, nach dem das frühere schriftliche Testament wieder in Kraft tritt, wenn das spätere stillschweigend widerrufen wird (Ehrenzweig, aaO, S 475, Klang-Weiß, aaO, zu § 723 ABGB).

Anmerkung

E76846 6Ob353.61

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1961:0060OB00353.61.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19610928_OGH0002_0060OB00353_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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