Norm
Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung §63Kopf
SZ 34/135
Spruch
Zulässigkeit der Erhöhung des Stammkapitals einer Gesellschaft m. b. H. durch Verrechnung der Forderung eines Gesellschafters und durch Umwandlung einer freien Rücklage in Stammkapital.
Entscheidung vom 4. Oktober 1961, 6 Ob 327/61.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Gesellschafter B.-AG. und Marc O. haben mit notariell beurkundetem Beschluß das Stammkapital der A.-Ges. m. b. H. von 4.000.000 S auf 6.000.000 S erhöht, und zwar "durch Verrechnung eines von der Gesellschafterin B.-AG. gewährten Kredites von 1.000.000 S" und durch Heranziehung von 1.000.000 S aus der freien Rücklage und Umwandlung dieser Rücklage in Stammkapital, so daß von dem neuen Stammkapital von 2.000.000 S die B.-AG. 1.980.000 S und Marc O. 20.000 S übernehme, daher das auf 6.000.000 S erhöhte Stammkapital nun mit einer 99%igen Stammeinlage, d. i. mit einem Nennbetrag von 5.940.000 S, der B.-AG. und zu einem Prozent im Nennbetrag von 60.000 S dem Marc O. zustehe. Die diesem Beschluß entsprechenden Übernahmserklärungen wurden mit Notariatsakt beurkundet. Die Geschäftsführer meldeten den Beschluß auf Erhöhung des Stammkapitals zum Handelsregister an und erklärten zugleich, daß die in barem Geld zu leistenden neuen Stammeinlagen von zusammen 2.000.000 S bar eingezahlt seien und sich in freier Verfügung der Geschäftsführer befänden. Die Geschäftsführer meldeten weiter an, daß, der beschlossenen Umwandlung entsprechend, § 9 des Gesellschaftsvertrages vom 16. Juni 1933 nunmehr folgenden Wortlaut erhalte: "Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 6.000.000 S. Dieses Stammkapital wird in der Weise gebildet, daß a) die B.-AG. nunmehr eine Bareinlage von 5.940.000 S, b) Marc O. eine Bareinlage von 60.000 S geleistet bzw. übernommen hat, womit das Stammkapital per 6.000.000 S ausgewiesen erscheint. Sämtliche Stammeinlagen sind in der Kasse der Gesellschaft in barem Geld eingezahlt und stehen der Gesellschaft zur freien Verfügung."
Das Erstgericht hat die Eintragung abgelehnt, weil gemäß § 63 Abs. 3 GesmbHG. der Einzahlungspflicht der Gesellschafter durch Kompensation mit einer Forderung an die Gesellschaft nicht genügt werden könne. Das Rekursgericht hat dem Rekurs der Gesellschaft Folge gegeben und die Eintragung bewilligt. Die Gesellschafterin B.-AG. habe der Gesellschaft wohl mit Schreiben vom 9. Dezember 1960 einen kurzfristigen Kredit von 1.000.000 S für die Durchführung eines Liegenschaftserwerbes zur Verfügung gestellt, habe aber in einem weiteren Schreiben vom 16. Mai 1961 ausdrücklich erklärt, daß der zur Verfügung gestellte, ihr "auf Kontokorrent stehende" Betrag als Kapitalseinlage zu verwenden sei. Damit sei der Rechtsgrund der Zahlung einverständlich geändert worden, was die Annahme einer Kompensation ausschließe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem gemäß § 102 Abs. 3 GesmbHG. von der Finanzprokuratur erhobenen Revisionsrekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Finanzprokuratur vertritt die Ansicht, daß die zweitinstanzliche Entscheidung den §§ 6a Abs. 1, 10 Abs. 2 und 52 Abs. 6 GesmbHG. widerspreche, denn eine Barzahlung sei überhaupt nicht erfolgt. Dazu ist folgendes zu erwägen:
Das Aufrechnungsverbot bezweckt die Sicherung der Einzahlung des zugesagten Kapitals und dient dem Gläubigerschutz. Daraus ergibt sich, daß, wenn nur dieser Zweck nicht gefährdet ist, wegen des Aufrechnungsverbotes durchaus nicht auf dem sinnlosen Hin- und Herschieben von Bargeld bestanden werden muß. Es ist zu unterscheiden zwischen der für die Zukunft vorgesehenen vertragsmäßigen Aufrechnung einerseits und der eine Verfügung darstellenden einverständlichen Durchführung der Aufrechnung andererseits, die - wie im vorliegenden Fall - auch gleich bei der Kapitalserhöhung vorgenommen werden kann. Diese Durchführung der Aufrechnung, die auch einseitig von der Gesellschaft (niemals einseitig von einem Gesellschafter) vorgenommen werden könnte, ist unbedenklich, wenn sie nur ein zweckloses Zahlen und Zurückzahlen vermeidet, wenn sie zur vollen Erfüllung der Einzahlungsverpflichtung führt, die Forderung des Gesellschafters unbedenklich (unbestritten) und fällig ist und die Gesellschaft eine vollwertige Leistung erhält, also insbesondere die Forderung des Gesellschafters auch deshalb vollwertig ist, weil das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung aller Gesellschaftsschulden sicher ausreicht, die Gesellschaft nicht überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Daß nicht jede Aufrechnung unzulässig ist, geht aus § 63 Abs. 5 GesmbHG. hervor, weil sich aus dieser Gesetzesstelle arg. a contrario ergibt, daß eine Leistung des Gesellschafters, die nicht durch Aufrechnung einer für die Überlassung von Vermögensgegenständen zu gewährenden Vergütung bewirkt wird, den Gesellschafter von seiner Einzahlungspflicht befreit. Die erwähnte Gesetzesstelle will nur verhindern, daß durch die Aufrechnung die Vorschriften der §§ 6 Abs. 4, 6a Abs. 1, 10 Abs. 2 GesmbHG. umgangen werden (vgl. Cellis, Kommentar zum GesmbHG., S. 203 f. Anm. 7 und 10 zu § 63; Baumbach - Hueck, GmbHG., 9. Aufl. S. 82 ff., Anm 4 A, 6 A zu § 19; Hachenburg, Kommentar zum GmbHG., 6. Aufl. I S. 463 ff. Anm. 14 ff. zu § 19; BGHZ. 15, 52).
Entsprechend diesen Ausführungen können auch freie Rücklagen, die zur Auszahlung an die Gesellschafter verfügbar sind und zu diesem Zweck bereitstehen, durch Stammkapitalerhöhung in den gebundenen Deckungsfonds für die Gläubiger einbezogen werden. Eine solche - nicht zutreffend als "nominelle" bezeichnete - Kapitalserhöhung aus Gesellschaftsmitteln, ohne daß es einer Einzahlung bedarf, ist wünschenswert und zulässig (vgl. Gellis a. a. O. S. 173 f. Anm 1 zu § 52; Baumbach - Heck a. a. O. S. 226 f. Anhang nach § 57 Vorbemerkung; Hachenburg a. a. O. II S. 375 ff. Anm. 24 - 27 zu § 55). Da im Revisionsrekurs nichts vorgebracht wird, was die zur Aufrechnung verwendete Forderung der B.-AG. bedenklich, nicht fällig, nicht vollwertig oder die Aufrechnung als zur Umgehung der über Sacheinlagen getroffenen gesetzlichen Bestimmungen erfolgt erscheinen lassen könnte oder was gegen das Vorhandensein der zur Kapitalsaufstockung verwendeten Rücklage spräche, mußte der Revisionsrekurs erfolglos bleiben.
Anmerkung
Z34135 6Ob327.61Schlagworte
Erhöhung des Stammkapitals bei der GesmbH., Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Kapitalerhöhung, Kapitalerhöhung bei der GesmbH., Stammkapital der GesmbH., ErhöhungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0060OB00327.61.1004.000Zuletzt aktualisiert am
29.07.2008