Norm
ABGB §1210Kopf
SZ 34/152
Spruch
Enthält die Satzung eines nicht auf Erwerb gerichteten Vereines keine Bestimmung über die Beendigung der Mitgliedschaft oder die Ausschließung von Mitgliedern, so ist in analoger Anwendung des § 1210 ABGB. ein Ausschluß nur aus den dort angeführten Gründen möglich.
Entscheidung vom 18. Oktober 1961, 6 Ob 386/61.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht gab dem auf Unwirksamerklärung des Generalversammlungsbeschlusses des beklagten Sportvereines vom 4. April 1959, durch welchen der Kläger aus dem beklagten Verein ausgeschlossen wurde, gerichteten Klagebegehren statt, da es die materiellen Voraussetzungen zur Ausschließung des Klägers nicht für gegeben ansah.
Der dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung wurde Folge gegeben und das Ersturteil dahin abgeändert, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht ging hiebei von der Erwägung aus, daß die Satzungen der beklagten Partei bloß Bestimmungen über die Aufnahme von Mitgliedern (§ 5 der Satzungen), nicht aber über die Beendigung der Mitgliedschaft oder über den Ausschluß enthielten. Da nach diesen Bestimmungen die Aufnahme eines Mitgliedes ohne Angabe von Gründen verweigert werden könne, ergebe sich daraus, daß auch der Ausschluß von der Mitgliedschaft einer Begründung nicht bedürfe. Es sei nur notwendig, daß der Ausschluß formell richtig zustandekomme, daß also die erforderliche Anzahl von Funktionären den Beschluß mit der statutenmäßig vorgesehenen Majorität fasse, was vorliegend unbestritten der Fall sei. Der Ausschluß der klagenden Partei entspreche daher den Satzungen; es sei somit ohne die Notwendigkeit eines Eingehens auf die weiteren Berufungsgrunde in Abänderung des Ersturteils die Klage schon aus rechtlichen Gründen abzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung - allenfalls nach neuerlicher Verhandlung - an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß mangels einer in die Satzung des beklagten Vereines aufgenommenen Bestimmung über die Beendigung der Mitgliedschaft zum Ausschluß der klagenden Partei das formell richtige Zustandekommen eines darüber gefaßten Beschlusses der Generalversammlung hinreichend gewesen sei, was damit gleichbedeutend wäre, daß der Ausschluß eines Vereinsmitgliedes von dem zur Aufnahme von Vereinsmitgliedern statutenmäßig vorgesehenen Organ nach Willkür vorgenommen werden könnte, kann nicht gefolgt werden. Bei Lösung der Frage, ob und inwieweit der von dem satzungsmäßig zur Aufnahme von Mitgliedern befugten Organ eines Vereins (vorliegend die Generalversammlung: § 5 der Satzungen) beschlossene Ausschluß eines Vereinsmitgliedes ohne eine in den Satzungen enthaltene Bestimmung über den Ausschluß auch materiell als berechtigt angesehen werden kann, muß von folgenden Erwägungen ausgegangen werden:
Das Gesellschaftsrecht des ABGB. regelt zwar zunächst nur die zivilrechtlichen Probleme aller auf Erwerb gerichteten Korporationen, soweit Sondergesetze nicht besondere Anordnungen treffen. Dahin gehören alle wirtschaftlichen Vereine nach dem Vereinspatent, RGBl. Nr. 253/1852, aber auch eine große Anzahl von Vereinen nach dem Vereinsgesetz, BGBl. Nr. 233/1951, sofern sie durch ihre Veranstaltungen Gewinne für den Verein zu erzielen beabsichtigen. Dies gilt auch von Sportvereinen, die ihre Veranstaltungen mit der Absicht betreiben, für den Verein und die Mitglieder Gewinne zu erzielen. In allen diesen Fällen wäre bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Vereinsmitgliedes die Bestimmung des § 1210 ABGB. unmittelbar anzuwenden. Diese Bestimmung läßt aber zufolge der Gleichheit des Rechtsgrundes und des Schutzbedürfnisses (§ 7 ABGB.) eine analoge Anwendung auch in den Fällen zu, wo es sich um Korporationen handelt, welche, wie vorliegend, nicht auf Erwerb gerichtet sind. Diese Bestimmung wird daher auch im gegenständlichen Fall bei Beurteilung der Frage, ob dem Ausschluß der klagenden Partei materielle Berechtigung zuerkannt werden kann, jedenfalls analog heranzuziehen sein. Demnach wäre aber der Ausschluß der klagenden Partei entsprechend dem ersten im § 1210 ABGB. genannten Ausschließungsgrund nur dann als materiell gerechtfertigt anzusehen, wenn sich die klagende Partei durch ein bestimmtes Verhalten seit ihrer Aufnahme im Jahre 1957 mit den Satzungen des beklagten Vereines in Widerspruch gesetzt oder sonst gegen dessen Interessen gehandelt hätte. Über das subjektive, aus dem Vereinsverhältnis entspringende Recht des einzelnen Vereinsmitgliedes, Vereinsmitglied zu bleiben, sich also gegen einen ungerechtfertigten Ausschluß aus dem Verein zur Wehr zu setzen, ist jedoch im Streitfall nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ. III 104;
SZ. VIII 71; GerH. 1930 S. 104; RiZ. 1933 S. 192; JBl. 1955 S. 501;
MietSlg. 6102 u. a.) sowohl hinsichtlich der formellen als auch der materiellen Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden. Da das Erstgericht dem auf Unwirksamerklärung des Ausschließungsbeschlusses der Generalversammlung gerichteten Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung stattgegeben hat, daß ein bestimmtes Verhalten der klagenden Partei seit ihrer Aufnahme durch die beklagte Partei im Jahre 1957, welches mit dem in den Satzungen der beklagten Partei festgehaltenen Vereinszweck (§ 2 der Satzungen) im Widerspruch stunde, aber auch ein Handeln der klagenden Partei, welches gegen die Interessen des beklagten Vereines gerichtet gewesen wäre, auf Grund der Verfahrensergebnisse im Rahmen der Parteienbehauptungen der beklagten Partei nicht hervorgekommen sei, demnach ein materiell gerechtfertigter Ausschlußgrund nicht vorliege, wird das Berufungsgericht die erstgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe der geltend gemachten Berufungsgrunde zu überprüfen haben.
Anmerkung
Z34152Schlagworte
Ausschließung von Mitgliedern eines Vereins, Verein, Ausschließung von MitgliedernEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0060OB00386.61.1018.000Dokumentnummer
JJT_19611018_OGH0002_0060OB00386_6100000_000