Norm
ABGB §276Kopf
SZ 34/151
Spruch
An Stelle eines zurückgetretenen Jagdausschusses einer Jagdgenossenschaft kann nicht von der Verwaltungsbehörde, sondern vom Gericht nach § 276 ABGB. auf Antrag ein Kurator bestellt werden.
Entscheidung vom 18. Oktober 1961, 6 Ob 323/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Klosterneuburg; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Mit dem rechtskräftigen Urteil vom 16. März 1960 wurde die Jagdgenossenschaft W. zum Ersatz eines Wildschadens im Betrage von 19.057 S s. A. verurteilt. Zum Zweck der Exekutionsführung beantragten nun die seinerzeitigen Kläger die Bestellung eines Abwesenheitskurators für den Ausschuß der Jagdgenossenschaft W. Es waren nämlich sämtliche Mitglieder des Jagdausschusses der Genossenschaftsjagd W. zurückgetreten. Es wurde, dann zwar eine Neuwahl für den 30. April 1961 ausgeschrieben, aber auch zu diesem Termin wurde kein neuer Jagdausschuß gebildet, weil sich keine Bewerber für den zu bildenden Jagdausschuß fanden.
Das Erstgericht bestellte zum Abwesenheitskurator für den Jagdausschuß der Jagdgenossenschaft W. den Rechtsanwalt Dr. Walter
A.
Auf Grund eines Rekurses des Genannten wies das Rekursgericht in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses den Antrag, für den Jagdausschuß der Jagdgenossenschaft W. einen Kurator zu bestellen, zurück. Wie es in seiner Begründung ausführte, handle es sich vorliegend um eine Frage der öffentlichen Verwaltung, nicht eines gerichtlichen Verfahrens welcher Art immer. Das n. ö. Jagdgesetz LGBl. Nr. 13/1947 sehe vor, daß dann, wenn der Obmann seinen Obliegenheiten nicht mehr entspreche, die Bezirksverwaltungsbehörde hievon die Anzeige an die Landesregierung zu erstatten habe, welche die geeigneten Verfügungen zu treffen habe. Daraus ergebe sich, daß für eine gerichtliche Verfügung kein Raum bleibe und obiges Verwaltungsverfahren zwingend vorgeschrieben sei (§ 21 Abs. 5 leg. cit.).
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsteller Folge, hob den angefochtenen Beschluß und den Beschluß der ersten Instanz auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Vorschrift des § 276 ABGB. greift auch dann ein, wenn eine juristische Person - und um eine solche handelt es sich bei einer Jagdgenossenschaft - ihrer Organe beraubt und daher handlungsunfähig ist und dadurch die Rechte eines anderen in ihrem Gange gehemmt werden, und zwar auch dann, wenn Abhilfe durch eine konkurrierende Bestimmung der Prozeßordnung geschaffen werden könnte. Hingegen kommt eine Abhilfe durch die Verwaltungsbehörde nur dann in Frage, wenn dafür die gesetzlichen Grundlagen vorhanden sind. Dies trifft beispielsweise im Falle des § 27 Abs. 2 VereinsG. zu, wenn infolge behördlicher Auflösung eines Vereines von der Verwaltungsbehörde Liquidatoren zu bestellen sind. In solchen Fällen hat daher die Judikatur überwiegend - mit Ausnahme der vereinzelten Entscheidung 2 Ob 88/51 - die Bestellung eines Kurators durch das Gericht abgelehnt (2 Ob 193/51, 3 Ob 37/51, 1 Ob 475/51 u. v. a.). Besteht aber eine solche gesetzliche Grundlage nicht, so ist auch für die Bestellung eines Ersatzorganes durch die Verwaltungsbehörde kein Raum. Das Rekursgericht will eine das Einschreiten der Verwaltungsbehörde ermöglichende Bestimmung in der Vorschrift des § 21 Abs. 5 n. ö. JagdG. finden. Diese Bestimmung kommt aber nur zur Anwendung, wenn der Obmann des Jagdausschusses seinen Obliegenheiten nicht entspricht. In einem solchen Fall hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Anzeige an die Landesregierung zu erstatten, welche die geeigneten Verfügungen zu treffen hat, wobei nicht einmal gesagt wird, worin die geeigneten Verfügungen bestehen sollen. Für den Fall aber, daß der ganze Jagdausschuß zurücktritt, fehlt es an einer entsprechenden Gesetzesbestimmung für die Bestellung eines Ersatzorganes durch die Verwaltungsbehörde. Mit dieser Begründung hat auch das Amt der zuständigen Landesregierung mit dem von den Rekurrenten vorgelegten Bescheid vom 31. Mai 1961 ein Einschreiten abgelehnt und darauf hingewiesen, daß in einem solchen Fall gemäß § 11 Abs. 7 der Wahlordnung für die Wahl des Jagdausschusses vom 27. Juni 1950, LGBl. Nr. 56, vorzugehen und die Wahl vom Bürgermeister unverzüglich neuerlich auszuschreiben ist. Das ist auch geschehen, aber ohne Erfolg, weil sich keine Bewerber für den Jagdausschuß fanden. Es ist daher das Einschreiten des Gerichtes geboten. Die Bestellung von Kuratoren durch das Gericht ist, wie § 11 AVG. zeigt, dem Verwaltungsverfahren keineswegs fremd. Sie wurzelt im bürgerlichen Recht und ist daher grundsätzlich Sache des Gerichtes. Sie erfolgt insbesondere auch zu dem Zweck, damit der Kurator an Stelle des Organes, das an der Ausübung seiner Funktion aus irgendeinem Grund ganz oder teilweise verhindert ist, Handlungen vornimmt. Der Kurator tritt sohin an die Stelle des Organes, und die von ihm gesetzten Handlungen sind als solche des Organes anzusehen (Erkenntnis des VerfGH. ÖJZ. 1952 S. 304). Mit Recht hat daher das Erstgericht einen Kurator an Stelle des Jagdausschusses oder, wie es unpräzise im erstgerichtlichen Beschluß heißt, "für den Jagdausschuß" bestellt.
Dessenungeachtet konnte eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne der Entscheidung der ersten Instanz nicht erfolgen, weil der Kurator in seinem Rekurs Umstände geltend gemacht hat, die gegen die Zweckmäßigkeit der Bestellung seiner Person zum Kurator sprächen. Das Erstgericht wird diese Argumente zu prüfen und - im Falle ihrer Berechtigung - einem anderen Kurator zu bestellen haben. Aus diesem Grund war mit der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung vorzugehen.
Anmerkung
Z34151Schlagworte
Jagdgenossenschaft, Kuratorbestellung, Kurator, JagdgenossenschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0060OB00323.61.1018.000Dokumentnummer
JJT_19611018_OGH0002_0060OB00323_6100000_000