Norm
ABGB §905Kopf
SZ 34/180
Spruch
Zur Rückzahlung eines im Jahre 1939 in tschechischen Kronen gewährten Darlehens in österreichischen Schilling.
Entscheidung vom 5. Dezember 1961, 3 Ob 401/61.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Streitteile hatten bis zu ihrer unfreiwilligen Auswanderung nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahre 1938 ihren ständigen Wohnsitz in Wien. Nach ihrer Ausreise aus Österreich haben sie sich vorübergehend in der Tschechoslowakei aufgehalten. Der Kläger ist dann über Jugoslawien nach Palästina ausgewandert, der Beklagte, der ursprünglich nach Uruguay auswandern wollte, ist in Belgien geblieben. Der Kläger hat dem Beklagten, als dieser ihn auf seiner Durchreise in Brünn besuchte, ein Darlehen im Betrag von 34.000 Kc. gewährt, um ihm die beabsichtigte Auswanderung nach Uruguay zu erleichtern. Der Beklagte hat später aus Antwerpen dem Kläger schriftlich erklärt, er werde mit der Rückerstattung, wem irgend nur möglich, sofort beginnen. Der Kläger begehrt nunmehr die Rückzahlung des Darlehens unter Zugrundelegung der Geldnotierung an der Züricher Börse, somit 28.900 S.
Der Beklagte hat einen Teilbetrag von 10.000 S anerkannt, worüber ein Teilanerkenntnisurteil erging. Im übrigen bestreitet er die vorgenommene Umrechnung. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung in Schilling. Er könne nur Zahlung von Tschechenkronen begehren. Der Betrag von 34.000 Kc. alt ergebe nach den tschechoslowakischen Währungsgesetzen umgerechnet 4900 Kc. neu, so daß er dem Kläger nach Zahlung der 10.000 S jedenfalls nichts mehr schulde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zur Zeit der Zuzählung des Darlehens im Jahre 1939 sei der Berliner Börsenkurs für 100 Kc.
8.60 RM gewesen. Umgerechnet auf die vor Einführung der Markwährung in Österreich bestandene Schillingwährung 1 RM = 1.50 S alt ergebe sich für 100 Kc. 12 S 90 g alt, so daß die als Darlehen zugezählten 34.000 Kc. damals nach ihrem inneren Wert 4386 S bzw. 2924 RM entsprochen hätten. Bei der Zuzählung des Darlehens hätten sich beide Teile auf einer Zwischenstation ihrer Emigration befunden; ihr bis dahin ständiger Wohnsitz aber sei Wien gewesen, der daher als im Zeitpunkt der Darlehenszuzählung schwebend wirksam bis zur Aufnahme eines neuen ständigen Wohnsitzes bezeichnet werden müsse. Da der Beklagte nunmehr wieder seinen Wohnsitz in Wien habe, sei als Erfüllungsort nach wie vor Wien anzusehen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Ein bestimmter Erfüllungsort sei nicht vereinbart worden. Nach der Natur und dem Zweck des Darlehens, nämlich Emigration des Beklagten, Gründung einer neuen Existenz an einem unbestimmten Ort, von wo aus der Beklagte seine Darlehensschuld abstatten sollte, könne nur Wien, wo der Beklagte seine Existenz wieder aufrichtete, als Erfüllungsort gelten. Da beide Streitteile so rasch als möglich aus der Tschechoslowakei auswandern wollten und es daher jedenfalls dem Beklagten freistand, statt der tschechoslowakischen auch eine andere Währung zur Abstattung seiner Schuld zu verwenden, liege keine echte Valutaforderung vor. Bei unechten Valutaforderungen sei nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruches und nur im äußersten Fall der Zeitpunkt seiner Fälligkeit für die Frage von Bedeutung, was als bedungen zu gelten habe. Da der Kläger die Zahlung seiner Schuld in österreichischen Schilling begehre, sei somit gemäß § 989 ABGB. jener Schuldbetrag zu ermitteln, der nach seinem Wert im Zeitpunkt der Darlehenszuzählung dem Wert von im Jahre 1939 im Umlauf befindlich gewesenen 34.000 Kc. gleichkomme. Da es im Jahre 1939 eine Schillingwährung nicht gegeben habe und da die im Jahre 1939 im Umlauf gewesenen Kc.-Geldsorten mit den derzeit im Umlauf befindlichen nicht ident seien, habe das Erstgericht die Umrechnung von im Jahre 1939 gültig gewesenen Tschechenkronen in die damals gültigen Reichsmark vorgenommen. Damit habe das Erstgericht der Vorschrift des § 989 ABGB. entsprochen, da die seinerzeitige Reichsmark sowohl der damaligen Tschechenkrone als auch dem jetzigen Schilling am ähnlichsten war und ist. Für einen dadurch entstandenen Wahrungsschaden habe der Beklagte nicht aufzukommen, da hiefür eine vertragliche oder gesetzliche Rechtsgrundlage fehle.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob beide untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es kann den Untergerichten zunächst gefolgt werden, daß als Erfüllungsort der Wohnsitz des Schuldners und damit Wien in Betracht kommt. Die Untergerichte haben aber bei der Verrechnung der seinerzeit hingegebenen 34.000 Kc. in derzeitige Schilling nicht entsprechend auf den Parteiwillen Rücksicht genommen. In Ermangelung ausdrücklichen Parteiwillens war dieser nach der Übung des redlichen Verkehrs zu erforschen. Die Emigranten haben beim Verlassen des deutschen Staatsgebietes über irgendwelche Devisen der damals freien Welt verfügen müssen, um weiterzukommen. Da im allgemeinen zwischen diesen Währungen freie Konvertibilität bestanden hat, kam es auf eine bestimmte Währung zunächst nicht an. Auch den Streitteilen konnte es bei der Darlehenshingabe nicht darauf ankommen, gerade tschechische Kronen zu geben und zu nehmen, da diese für beide Teile ohne jedes künftige Interesse waren, nachdem sie die Tschechoslowakei in Kürze wieder verlassen wollten. Sie mußten sich auch darüber einig sein, daß der Darlehensbetrag sofort von tschechischen Kronen in andere Währungen des jeweiligen Aufenthaltslandes umgetauscht werden würde und daß die Rückzahlung jedenfalls nicht in Tschechenkronen erfolgen würde. Wenn auch die Vereinbarung der Rückzahlung in englischen Pfund nicht festgestellt werden konnte, so war es doch den Streitteilen bei Darlehenshingabe gegenwärtig, daß die Rückzahlung vom Beklagten in jener Währung zu veranlassen sein würde, die in seiner künftigen Wahlheimat gelten würde, und daß dem Kläger der Betrag letztlich in jener Währung zukommen würde, die in seiner Wahlheimat gelten würde. Die Streitteile mußten sich nach redlicher Verkehrsübung auch darüber einig sein - nachdem nichts anderes hierüber vereinbart wurde -, daß die Rückzahlung, in welcher Währung immer, dem damaligen Wert des hingegebenen Betrages entsprechen sollte. Der Beklagte hat daher unabhängig vom Schicksal der tschechischen Kronenwährung jenen Betrag - entsprechend seinem nunmehrigen Wohnsitz in österreichischen Schilling - zu zahlen, der dem damaligen konvertiblen Wert der Tschechenkronen entsprochen hat, d. h. es müssen die Tschechenkronen zu jenem Kurs im Zeitpunkt der Darlehenshingabe in eine jener Währungen umgerechnet werden, die damals vom Beklagten als Darlehensnehmer zum Umtausch gewählt werden konnten, sei es, daß dies belgische Franken gewesen sind (da der Beklagte zunächst nach Belgien ging), sei es, daß es englische Pfund oder US-Dollar waren, und es muß sodann dieser errechnete Währungsbetrag zum Kurs des Zahlungstages in österreichische Schilling umgerechnet werden, um den vom Beklagten zu bezahlenden Schillingbetrag festzustellen. Dabei muß aber jedenfalls eine Währung als Berechnungsbasis gewählt werden, die den Erfordernissen der freien Konvertibilität damals entsprochen hat und heute entspricht und die in der Zwischenzeit keine Währungsumwandlung erfahren hat. Nur eine solche Berechnung hat als dem Parteiwillen entsprechend Berechtigung und kann dem Kläger das zurückgeben, was er hingegeben hat, wobei ihn als Gläubiger entsprechend herrschender Rechtsprechung immer noch die Gefahr der inzwischen eingetretenen Wertminderung des Geldes trifft, von der auch die konvertiblen Geldwährungen, die keinem Zwangskurs unterliegen, betroffen worden sind. Ebenso werden die Unterschiede unberücksichtigt bleiben müssen, die sich aus der Änderung des Systems der freien Wechselkurse ergeben haben können. Welche Währung nun im einzelnen zur Berechnung heranzuziehen sein wird, damit dem Parteiwillen am nächsten gekommen werden kann, wird nur mit Hilfe eines Sachverständigen aus dem Gebiet des Währungswesens festgestellt werden können. Erst an Hand eines solchen Gutachtens wird das Gericht die Höhe des vom Beklagten noch geschuldeten Betrages feststellen können.
Die Urteile der Untergerichte waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die entsprechende Verfahrensergänzung aufzutragen.
Anmerkung
Z34180Schlagworte
Darlehen in tschechischen Kronen, Rückzahlung in Schilling, Kronen, tschechische, Rückzahlung eines Darlehens in Schilling, Rückzahlung eines Kc-Darlehens in Schilling, Tschechenkronen, Rückzahlung eines Darlehens in Schilling, Währungsrecht Rückzahlung eines Kc-Darlehens in SchillingEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0030OB00401.61.1205.000Dokumentnummer
JJT_19611205_OGH0002_0030OB00401_6100000_000