Norm
ABGB §5Kopf
SZ 34/185
Spruch
§ 12 der 4. DVzEheG. ist nur eine örtliche Kollisionsnorm; welches Gesetz für die dem außerehelichen Vater gegenüber dem Kind obliegenden Verpflichtungen bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden ist, ist eine Frage des intertemporalen Privatrechtes.
Zur Frage der Rückwirkung des neuen Gesetzes im Sinne des § 5 ABGB.
Entscheidung vom 6. Dezember 1961, 6 Ob 402/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Nach den Feststellungen der Untergerichte wurde der mj. Kläger am 29. März 1945 in A. in Mecklenburg außer der Ehe geboren; er hatte im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage, d. i. am 18. April 1961, bereits sein 16. Lebensjahr überschritten. Der Kläger und seine außereheliche Mutter haben ihren ständigen Wohnsitz in A. in Mecklenburg, DDR., und sind Staatsbürger der DDR. Der Beklagte ist der außereheliche Vater des Klägers.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der im Ausland (DDR.) lebende mj. Kläger, vertreten durch seine Mutter und Vormunderin, die Verurteilung des in Wien lebenden Beklagten zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 400 S.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Mutter des Klägers zur Zeit seiner Geburt deutsche Staatsangehörige gewesen sei und gemäß § 12 der 4. DVzEheG. nach dem Grundsatze der Unwandelbarkeit des Unterhaltsstatuts das Heimatrecht der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes maßgebend sei; gemäß § 1708 DBGB. sei der Vater eines unehelichen Kindes verpflichtet, diesem Kind bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres den der Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unterhalt zu gewähren. Das klagende Kind habe aber bereits das 16. Lebensjahr vollendet, weshalb die Sorgepflicht des Beklagten als außerehelichen Vaters erloschen sei.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß § 12 der 4. DVzEheG. - nach welchem die dem außerehelichen Vater gegenüber dem Kind und der Mutter obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen nach den Gesetzen des Staates beurteilt werden, dem die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört - nur eine örtliche und keine zeitliche Kollisionsnorm enthalte, ist im Sinne der vom Berufungsgericht wiedergegebenen Ausführungen Schwinds zur Entscheidung 3 Ob 284/56 - mit einem allerdings vorwiegend die Vaterschaftsfeststellung betreffenden Sachverhalt - in JBl. 1957 S. 476 beizustimmen.
Im vorliegenden Fall wurde nun das klagende Kind im März 1945 in A. in Mecklenburg geboren. Damals gehörten Mecklenburg und Österreich dem Staatsverband des Deutschen Reiches an, wobei aber in Österreich das ABGB., in Mecklenburg das DBGB. galt. Bei verschiedenen Privatrechten desselben Staates sind die Bestimmungen des internationalen Privatrechtes analog als interlokales Privatrecht anzuwenden. In diesem Fall richtet sich das Heimatrecht nach der etwaigen Landesbürgerschaft, die aber im Zeitpunkt der Geburt des klagenden Kindes im damaligen Großdeutschen Reich nicht mehr anerkannt wurde, so daß in Ermanglung einer Landesbürgerschaft der Wohnsitz der Mutter maßgebend ist (EvBl. 1955 Nr. 149. JBl. 1957 S. 476, 3 Ob 292/56, 6 Ob 69/58 u. a.; auch Walker, Verdross - Drossberg, Satter in Klang 2. Aufl. I/1 S. 222). Der Wohnsitz der Kindesmutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes war A. in Mecklenburg; er ist gemäß den im Zeitpunkt der Geburt des Kindes maßgebenden Bestimmungen des interlokalen Privatrechtes das örtliche Anknüpfungsmoment hinsichtlich des durch die Geburt des Kindes verwirklichten Tatbestandes und verweist im Sinne der aus § 12 der
4. DVzEheG. abzuleitenden Unwandelbarkeit des Unterhaltsstatuts für die Beurteilung der dem Vater gegenüber dem Kind - und der Mutter - obliegenden Verpflichtungen auf das an diesem Wohnsitz der Mutter geltende Recht; hiebei ist allerdings auf allfällige Änderungen dieses Rechtes Bedacht zu nehmen, weil § 12 der 4. DVzEheG. nicht so aufzufassen ist, daß nur die zur Zeit der Geburt des Kindes in dessen Geburtsort geltenden Gesetze anzuwenden seien, dies vielmehr eine Frage des intertemporalen Privatrechtes ist (Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. S. 12). Eine andere Ansicht würde zu dem im einzelnen Fall unter Umständen durchaus unbefriedigenden Ergebnis führen, daß Gesetze angewendet werden müßten, die durch die Entwicklung schon längst überholt sein könnten.
Daß der Ort der Geburt des Kindes seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in der DDR., also nicht mehr im gleichen Staatsverband wie Österreich, liegt - so daß nunmehr bei der Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen dem klagenden Kind und dessen außerehelichem Vater die Grundsätze des internationalen und nicht mehr die im Zeitpunkt der Geburt des Kindes analog in Anwendung gebrachten Grundsätze des interlokalen Privatrechtes heranzuziehen sind -, nimmt dem im Zeitpunkt der Geburt des Kindes maßgebend gewesenen Wohnsitz der außerehelichen Mutter als Anknüpfungselement infolge der sich aus § 12 der 4. DVzEheG. ergebenden Unwandelbarkeit des Unterhaltsstatuts nicht seine alleinige Bedeutung als örtliche Grundlage des anzuwendenden Rechtes, doch sind allfällige Änderungen dieses Rechtes aus den bereits oben angeführten Gründen nicht bedeutungslos.
Nun wurde in der DDR. der § 1708 DBGB. im Jahre 1952 (vgl. Raape a. a. O. S. 375; auch Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 3. Aufl. I D 2: Deutschland, S. 94) dahin abgeändert, daß die zeitliche Beschränkung des § 1708 DBGB., laut welcher ein Unterhalt für das außereheliche Kind - mit Ausnahme von im vorliegenden Fall nicht behaupteten körperlichen oder geistigen Gebrechen - nur bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes zu leisten ist, nicht mehr anzuwenden sei.
Es ist nun zu untersuchen, ob eine solche im Jahre 1952 erfolgte Änderung der Sachnorm, die auf Grund der örtlichen Kollisionsnorm des § 12 der 4. DVzEheG. anzuwenden ist, auch auf den vorliegenden Fall angewendet Werden kann, obwohl das Kind bereits im März 1945 geboren wurde; dies ist zu bejahen, weil - wenn auch für die Feststellung der Vaterschaft das damals geltende Recht zur Anwendung kam - Rechte und Pflichten zwischen Vater und Kind grundsätzlich nach dem jeweils geltenden Gesetz zu beurteilen sind (Wolff in Klang 2. Aufl. I/1 81 zu § 5 ABGB.). Denn wenn an die Tatsache der außerehelichen Vaterschaft des Beklagten zum klagenden Kind die Dauerrechtsfolge der Verpflichtung zur Unterhaltsleistung geknüpft ist, sind zwar die Rechtsfolgen, die an den zeitlichen Abschnitt der Tatbestandsverwirklichung vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes geknüpft waren, nach dem alten Gesetz, die Rechtsfolgen bezüglich des sich weiter stetig verwirklichenden Tatbestandes aber nach dem neuen Gesetz zu beurteilen. Die Rechte und Pflichten des Vaters für die Zeit vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes - z. B. der Umfang seiner Unterhaltspflicht für diese Zeit sind daher nach dem alten Gesetz zu beurteilen, während sich die Rechte und Pflichten für die Zeit seit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes nach diesem bemessen (Wolff a. a. O. 73). Eine Rückwirkung des neuen Gesetzes im Sinne des § 5 ABGB. liegt hier deshalb nicht vor, weil das neue Gesetz ja nur solche Tatbestände erfaßt, die sich erst nach seinem Inkrafttreten verwirklicht haben.
Da der mj. Kläger im März 1961, somit nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes, das nach den obigen Ausführungen bereits im Jahre 1952 erfolgte, sein 16. Lebensjahr vollendete, ist die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die seinerzeit im § 1708 DBGB. festgelegte zeitliche Beschränkung der Unterhaltsverpflichtung des außerehelichen Vaters derzeit nicht mehr gelte, zutreffend, zumal der Fall des letzte Halbsatzes des § 12 der 4. DVzEheG. deshalb nicht in Betracht kommt, weil auch in Österreich die Unterhaltsverpflichtung des außerehelichen Vaters im Sinne des § 166 ABGB. keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt. Deshalb kann aber auch darin kein Verstoß gegen die guten Sitten oder den Zweck eines österreichischen Gesetzes im Sinne der Vorbehaltsklausel des § 18 der 4. DVzEheG. liegen. Das Berufungsgericht hat also ohne Rechtsirrtum, das erstgerichtliche Urteil zur Ergänzung des Verfahrens betreffend die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten und die Tatsache sowie das Ausmaß der Bedürfnisse des Kindes aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens in diesem Sinne aufgetragen.
Anmerkung
Z34185Schlagworte
Außereheliche Vaterschaft, internationales und intertemporales, Privatrecht, Internationales Privatrecht, außereheliche Vaterschaft, Intertemporales Privatrecht, außereheliche Vaterschaft, Kollisionsnormen, intertemporales Privatrecht, Neues Gesetz, Rückwirkung, Privatrecht internationales und intertemporales, außereheliche, Vaterschaft, Rückwirkung neuer Gesetze, intertemporales Privatrecht, Uneheliche Vaterschaft, internationales und intertemporales Privatrecht, Vaterschaft, außereheliche, internationales und intertemporales, PrivatrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1961:0060OB00402.61.1206.000Dokumentnummer
JJT_19611206_OGH0002_0060OB00402_6100000_000