TE OGH 1962/1/9 4Ob520/61

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Veröffentlicht am 09.01.1962
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Norm

ABGB §1425
Wechselgesetz 1955 Art42

Kopf

SZ 35/1

Spruch

Nur eine der Bestimmung des Art. 42 WG. entsprechende Hinterlegung der Wechselsumme hat wechselrechtlich schuldtilgende Wirkung.

Entscheidung vom 9. Jänner 1962, 4 Ob 520/61.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht erließ auf Grund des vom Kläger ausgestellten, mit 21. März 1960 datierten und am 21. Juni 1960 fällig gewesenen und vom Beklagten angenommenen Wechsels Wechselzahlungsauftrag wegen 3000 S samt Nebengebühren. Der Beklagte erhob Einwendungen, in denen er vortrug, es handle sich "eindeutig um eine Wechselfälschung"; überdies habe er bereits am 20. Juni 1960 die Schuld durch Gerichtserlag getilgt.

Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf. Es stellte fest:

Der Kläger war bei Johann R. durch zirka 3 1/2 Monate als freier Provisionsvertreter bis April oder Mai 1960 beschäftigt. Damals war Johann R. Generalvertreter der Anton W. OHG., Herdfabrik in S. Der Beklagte besuchte Johann R. auf der Wiener Frühjahrsmesse 1960 und gab zu erkennen, daß er ihm einen Auftrag wegen Lieferung eines Küchenherdes erteilen wolle.

Am 21 März 1960 begaben sich der Kläger und Johann R. nach Sch., um mit dem Beklagten ein Anbotschreiben zwecks Lieferung eines Küchenherdes durch die Anton W. OHG. zu verfassen. Johann R. fuhr deshalb mit, weil der Kläger damals noch berufsfremd war und gewisser Anleitungen bedurfte. Nach dem Diktat des Johann R. füllte nun der Kläger den Auftragschein Nr. 225 aus, welcher vom Kläger und vom Beklagten unterfertigt wurde. Als Anzahlung gab der Beklagte den Wechsel, auf welchem der Beklagte als Bezogener und Akzeptant und der Kläger als Aussteller aufscheint. Der Wechsel lautet auf die Summe von 3000 S, zahlbar am 21. Juni 1960 in Wien. Bis auf die Worte "eigene Order" und den Zahlstellenvermerk wurde der Wechsel am genannten Tag komplett ausgefüllt.

Der Wechsel wurde von Johann R. dem Kläger überlassen.

Am 30. April 1960 begab sich Johann R. zum Beklagten nach Sch., um die durch Akzept am 21. Juni 1960 gesicherte Anzahlung von 3000 S zu kassieren. Johann R. erzählte dem Beklagten bei dieser Gelegenheit, daß der Wechsel in Verlust geraten sei. Der Beklagte leistete daraufhin die Anzahlung von 3000 S, worauf Johann R. auf dem Auftragsschein einen Quittungsvermerk anbrachte und erklärte, daß der Wechsel "storniert" sei.

Am 3. Juni 1960 lieferte die Anton W. OHG. den bestellten Küchenherd an den Beklagten aus und forderte mit Schreiben vom gleichen Tag den Beklagten auf, den restlichen Kaufpreis von 9000 S abzüglich 2% Skonto sofort nach Rechnungserhalt in barem zu bezahlen, wobei bemerkt wurde, daß die Anzahlung von 3000 S an Johann R. bereits verrechnet worden sei.

Am 8. Juni 1960 richtete der Kläger, in dessen Besitz sich der Wechsel noch immer befand, an den Beklagten ein Schreiben, mit welchem er den Beklagten daran erinnert, daß der Wechsel über 3000 S am 21. Juni 1960 fällig werde und daß der Kläger prompte Einlösung wünsche. Der Beklagte verweigerte die Einlösung des Wechsels unter Hinweis auf die am 30. April 1960 an Johann R. im Betrage von 3000 S geleistete Anzahlung. Aufforderungen seitens des Johann R. an den Kläger, den Wechsel zurückzustellen, blieben erfolglos.

Da bezüglich der Wechselsumme von 3000 S verschiedene Forderungsprätendenten auftraten, nämlich der Kläger, die Anton W. OHG. und Johann R., erlegte der Beklagte den Betrag von 3000 S am 20. Juni 1960 bei Gericht und überwies lediglich den Betrag von 5820 S an die Anton W. OHG. Das Bezirksgericht H. hat mit Beschluß vom 23. Juni 1960 den Erlag gemäß § 1425 ABGB. angenommen.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Wechselschuld sei durch Hinterlegung getilgt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Wechselzahlungsauftrag aufrechterhielt. Die Einwendung der Wechselfälschung sei beweislos geblieben. Die Hinterlegung habe nicht schuldtilgend gewirkt. Eine Einwendung nach Art. 10 WG. sei nicht erhoben worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausführungen zu 1. der Revision, daß durch die Zahlung von 3000 S am 30. April 1960 an Johann R. die Wechselforderung getilgt worden sei, verkennen das Wesen des Wechsels überhaupt. Der gegenständliche Wechsel ist erst am 21. Juni 1960 fällig gewesen. Der Beklagte hat daher vor Verfall gezahlt. Er hat sich aber darüber hinaus auch noch , den Wechsel oder den Blankowechsel nicht zurückgeben lassen. Mit der Zusicherung des Johann R., daß der Wechsel verlorengegangen sei und storniert werde, hätte sich der Beklagte nicht begnügen dürfen. Wenn er vor Verfall und noch dazu ohne Rückgabe des Wechsels oder Wechselblanketts gezahlt hat, so hat er dies auf seine Gefahr getan. Er kann sich in einem solchen Fall nicht mit Grund darüber beschweren, wem ihm bei Verfall der Wechsel von einem formell legitimierten Inhaber vorgelegt wird und wenn er diesem dann nochmals zahlen muß. Gegenüber dem formell legitimierten Kläger wären dem Beklagten bloß Einwendungen gemäß Art. 10, allenfalls Art. 17 oder 16 (2) WG., zugestanden, die er aber nicht dem Gesetz gemäß in seinen Einwendungen geltend gemacht hat.

Wem dann der Beklagte zu 2. der Revision ausführt, er hätte nach der Zahlung an Johann R. annehmen müssen, "daß sich der Kläger nur im Besitz eines gefälschten Wechsels befinden könne", so war dieser Schluß schon damals unbegrundet. Eine Fälschung des Wechsels ist auch nicht festgestellt worden. Schon im untergerichtlichen Verfahren und auch in der Revision bezweifelt der Beklagte selbst nicht, daß seine Unterschrift echt ist. Was er mit Fälschung zum Ausdruck bringen will, ist anscheinend, daß der Wechsel nicht von Johann R., sondern vom Kläger als Aussteller unterschrieben worden ist. Selbst wenn der Beklagte diesen Umstand ausreichend deutlich eingewendet hätte, könnte es ihm aber nicht helfen. Schon unter der Geltung der ADWO. und der im wesentlichen bereits dem jetzigen Art. 10 WG. entsprechenden JMV. vom 6. Oktober 1853, RGBl. Nr. 200, hat der Oberste Gerichtshof erkannt, daß derjenige, der sein Akzept auf ein mit der Ausstellerunterschrift noch nicht versehenes Wechselexemplar setzt, dem Dritten, der das Blankett vom Blankettnehmer ununterschrieben erworben und nachträglich mit seiner Unterschrift unterzeichnet hat, grundsätzlich Einwendungen aus der Person des ersten Nehmers nicht entgegensetzen kann (E. 24. Juni 1913, JudB. 206 = GlUNF. 6494; ebenso für das WG: Martin Stranz, WechselG.[14] Art. 10 Anm. 6; Ernst Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, S. 495; Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, S. 50, s. 22. Juni 1960, 1 Ob 201/60, Bank-Arch. 1961, 134). Wenn der Kläger gewußt hat oder wissen mußte, daß bei der Hingabe des Blankowechsels davon ausgegangen wurde, daß ihn Johann R. als Aussteller unterschreiben werde, so könnte dies nur dazu führen, daß ihm eben dies, nicht aber weitere Einwendungen des Beklagten gegen Johann R. entgegengesetzt werden könnten. Der Umstand allein, daß eine andere Person als vereinbart den Wechsel als Aussteller unterschreibt, ist aber an sich folgenlos, weil das gleiche Ergebnis erzielt worden wäre, wenn nicht der Kläger den Wechsel bereits ausgestellt, sondern ihn Johann R. ausgestellt und an den Kläger indossiert hätte. Daß aber der Kläger den Wechsel darüber hinausgehend im bösen Glauben erworben oder ihm beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (Art. 10 WG.), ist keinesfalls eingewendet worden.

Der Erlag hat nicht schuldtilgend gewirkt, weil sich der Beklagte nicht an die Vorschrift des Art. 42 WG. gehalten hat. Darnach kann nur schuldtilgend hinterlegt werden, wenn der Wechsel nicht innerhalb der Zahlungsfrist zur Zahlung vorgelegt wird. Der Beklagte hat nun bereits vor Fälligkeit hinterlegt. Darüber hinaus hat er auch nicht beim Gericht des Zahlungsorts (W.), sondern beim BG. H. als Erlagsgericht hinterlegt. Schließlich bestand zur Hinterlegung überhaupt kein Anlaß, weil der Wechsel beim Kläger zahlbar war und der Kläger schon am 8. Juni den Beklagten ausdrücklich aufmerksam gemacht hatte, daß er die Einlösung des Wechsels verlange. Die Unrichtigkeit des Erlags erkennt nunmehr anscheinend der Beklagte selbst, weil er in der Revision ausführt, er hätte mit dem Erlag gar nicht die Wechselforderung bezahlen wollen. Warum dann der Beklagte erlegt hat, ist allerdings nicht klar; anscheinend deswegen, weil er sich drei Forderungsprätendenten gegenüber gesehen hat. In diese Lage hat er sich aber selbst durch die voreilige Zahlung ohne Rückgabe des Wechsels oder Wechselblanketts gebracht. Der Beklagte hätte sich richtigerweise vor Augen halten müssen, daß er vor allem den Wechsel einzulösen hatte und diesen bei Verfall im Rahmen des Art. 40 (3) WG. mit der Wirkung hätte bezahlen können und müssen, daß auch die allfälligen Forderungen aus dem Grundgeschäft des Johann R. und der W. OHG., zu deren Deckung der Blankowechsel gegeben worden war, getilgt worden wären. Wem nun der Beklagte vor Verfall des Wechsels den Gläubiger aus dem Grundgeschäft befriedigt hat, so geht es zu seinen Lasten, daß er bei Verfall den Wechsel von dessen legitimierten Inhaber einlösen und daß es ihm dann überlassen bleiben muß, sich mit seinen Vertragspartnern auseinanderzusetzen.

Anmerkung

Z35001

Schlagworte

Hinterlegung der Wechselsumme, Wechselsumme, Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0040OB00520.61.0109.000

Dokumentnummer

JJT_19620109_OGH0002_0040OB00520_6100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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