Norm
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §2Kopf
SZ 35/6
Spruch
§ 2 der 4. DVzEheG. ist nicht anwendbar, wenn der Ausländer nur durch eine verbotene Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger die Staatsbürgerschaft erworben hat.
Der Finanzprokuratur steht in einem solchen Verfahren das Rekursrecht zu.
Entscheidung vom 17. Jänner 1962, 7 Ob 41/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge und wies in Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag, die am 5. Juni 1930 vor dem Standesamt Este (Italien) geschlossene, mit Urteil des Zivilgerichtes Padua vom 5. April 1949 von Tisch und Bett geschiedene Ehe zwischen Constantino R. und Eleonore R. geb. B. gemäß § 115 EheG. bzw. § 2 der 4. DVzEheG. zu scheiden, ab.
Rechtliche Beurteilung
Begründung:
Das Erstgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Scheidung ihrer Ehe mit dem Antragsgegner nach § 2 der 4. DVzEheG. stattgegeben. Es nahm auf Grund der vorgelegten Urkunden an, daß die im Jahre 1930 geschlossene Ehe vom Zivilgericht in Padua im Jahre 1949 geschieden worden sei und die Antragstellerin am 29. April 1954 durch ihre Eheschließung mit dem österreichischen Staatsangehörigen Doktor Heinrich B. vor dem Standesamt Juarez (Mexiko) die österreichische Staatsbürgerschaft erworben habe, wodurch die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe nach § 2 (1) der 4. DVzEheG. gegeben seien. Über Rekurs der Finanzprokuratur hob das Rekursgericht den erstrichterlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte aus, daß eine Scheidung der Ehe nach § 115 EheG. nicht in Betracht komme, weil nur eine nach österr. Recht einverständlich geschiedene Ehe nach dieser Gesetzesstelle gelöst werden könne. Die Voraussetzungen für eine Scheidung nach § 2 der 4. DVzEheG. seien aber noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Es sei nicht nachgewiesen worden, daß Dr. Heinrich B. zur Zeit der Antragstellung die österreichische Staatsbürgerschaft besessen habe. Die vorgelegte Bestätigung des Bürgermeisters von E. vom 9. Jänner 1956 besage lediglich, daß Dr. Heinrich B. am 13. März 1938 in dieser Gemeinde das Heimatrecht besessen habe. Ob er im Jahre 1960 noch die österreichische Staatsbürgerschaft besessen habe und sie auch heute noch besitze, gehe aus dieser Urkunde nicht hervor. Es sei auch nicht festgestellt, ob die Antragstellerin österreichische Staatsbürgerin sei. Auf Grund einer ungültigen Eheschließung könne die österreichische Staatsbürgerschaft nicht erworben werden. Es sei ein gerichtliches Verfahren über die Gültigkeit der Eheschließung anhängig, dessen Ergebnis jedenfalls abgewartet werden müsse. Nicht nachgewiesen sei auch die italienische Staatsbürgerschaft der Antragstellerin und ihres seinerzeitigen Ehegatten zur Zeit ihrer Ehescheidung im Jahre 1949.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, in welchem zunächst die Rekurslegitimation der Finanzprokuratur bestritten wird. Dies aber zu Unrecht. Die Einschreitungsbefugnis der Finanzprokuratur stützt sich auf § 1 (3) des ProkuraturG. Darnach kann die Finanzprokuratur einschreiten, wenn es zur Wahrung öffentlicher Interessen notwendig ist, wenn Interessen berührt werden, die aus öffentlichen Rücksichten schutzbedürftig sind (SZ. XXXI 111). Darnach ist aber die Finanzprokuratur in Statussachen österreichischer Staatsbürger zum Einschreiten befugt, zumindest soweit es sich um ein außerstreitiges Verfahren handelt, in welchem der Grundsatz der Amtswegigkeit gilt. Ebenso wie die Staatsanwaltschaft zur Führung des Ehenichtigkeitsprozesses im öffentlichen Interesse berufen ist. Die Antragstellerin meint, daß die Finanzprokuratur deswegen nicht legitimiert sei, weil sie nicht zum Schutze der Interessen ausländischer Staatsbürger berufen sei, die Antragstellerin und der Antragsgegner aber im Zeitpunkt ihrer Scheidung von Tisch und Bett ausländische Staatsbürger gewesen seien. Dabei übersieht die Antragstellerin aber, daß sie sich in dem nach § 2 der 4. DVzEheG. eingeleiteten Verfahren auf ihre österreichische Staatsbürgerschaft stützt und daß die begehrte Scheidung ihrer ausländischen Ehe unmittelbaren Einfluß auf den Bestand ihrer Ehe mit Dr. Heinrich B. hat. Durch die Entscheidung wird daher der Status österreichischer Staatsbürger berührt, in welchem Falle die Finanzprokuratur zum Einschreiten berufen ist.
Auch im übrigen erweisen sich die Ausführungen der Antragstellerin als unbegrundet. Sie stützt sich im wesentlichen darauf, daß nach § 27 EheG. ihre Ehe mit Dr. Heinrich B. so lange als gültig angesehen werden müsse, als deren Nichtigkeit nicht rechtskräftig ausgesprochen ist. Daraus schließt sie, daß auch ihre österreichische Staatsbürgerschaft, die sie durch die Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger Dr. Heinrich B. erworben habe, derzeit nicht bestritten werden könne.
Mit Recht hat aber die Finanzprokuratur in ihrem Rekurs gegen den erstrichterlichen Beschluß bereits darauf hingewiesen, daß der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Abschluß einer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger nicht für einen Antrag nach § 2 der 4. DVzEheG. genügen könne. Der Gesetzgeber wollte die Begünstigung der Auflösung der Ehe nicht einem Ausländer gewähren, der nur durch eine verbotene Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger die Staatsbürgerschaft erworben hat, die Antragstellerin hat den österreichischen Staatsbürger Dr. Heinrich B. geheiratet, obwohl ihre Ehe mit Constantino R. noch aufrecht bestanden hat. Deshalb hat auch die Staatsanwaltschaft Wien gegen Dr. Heinrich B. und die Antragstellerin einen Ehenichtigkeitsprozeß angestrengt und als Nichtigkeitsgrund Doppelehe gemäß § 24 EheG. geltend gemacht. Das Verfahren ist noch nicht beendet. Der Abschluß dieser Ehe ist nicht geeignet, der Antragstellerin einen Anspruch auf Auflösung ihrer Ehe mit Constantino R. dem Bande nach gemäß § 2 der 4. DVzEheG. zu verschaffen, weil die durch den Abschluß einer solchen Ehe erworbene österreichische Staatsbürgerschaft bei richtiger Auslegung des § 2 der zitierten DV. nicht genügen kann. Durch diese Gesetzesstelle sollte es österreichischen Staatsangehörigen erst ermöglicht werden, eine neue Ehe einzugehen, dadurch, daß die vor Erwerb der Staatsbürgerschaft im Ausland geschlossene und von Tisch und Bett geschiedene, dem Bande nach aber aufrechte Ehe nunmehr nach österreichischem Recht geschieden wird. Die von der Antragstellerin vertretene Auslegung und der von ihr eingeschlagene Weg stellt eine im Widerspruch zur klar erkennbaren Absicht des Gesetzgebers unzulässige Umgehung in Österreich geltender Vorschriften dar. Die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe nach § 2 der 4. DVzEheG. liegen daher bei richtiger Auslegung dieser Gesetzesstelle in diesem Falle nicht vor.
Daß auch eine Scheidung der Ehe nach § 115 EheG. nicht in Betracht kam, weil nach dieser Vorschrift nur eine nach österreichischem Recht einverständlich geschiedene Ehe gelöst werden kann, hat bereits das Rekursgericht richtig entschieden.
Es bedurfte daher in diesem Falle aus dem angegebenen Gründe nicht mehr des weiteren Nachweises der österreichischen Staatsbürgerschaft der Antragstellerin. Der Antrag war vielmehr abzuweisen.
Aus diesem Gründe war dem Revisionsrekurs - wenn auch zum Nachteil der Antragstellerin - Folge zu geben und wie im Spruche zu entscheiden.
Anmerkung
Z35006Schlagworte
Ehescheidung nach § 2 der 4. DVzEheG., keine - bei Erwerb der, österreichischen Staatsbürgerschaft durch verbotene Eheschließung, Eheschließung, verbotene, keine Ehescheidung nach § 2 der 4. DVzEheG., bei Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch - , Finanzprokuratur, Rekursrecht im Verfahren nach § 2 der 4. DVzEheG., Rekursrecht der Finanzprokuratur im Verfahren nach § 2 der 4. DVzEheG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1962:0070OB00041.62.0117.000Dokumentnummer
JJT_19620117_OGH0002_0070OB00041_6200000_000