TE OGH 1962/2/7 6Ob59/62

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Veröffentlicht am 07.02.1962
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Norm

ABGB §1330 (2)
EO §382 Z5

Kopf

SZ 35/22

Spruch

Verbot der Verwertung eines Films mit einstweiliger Verfügung bei Bescheinigung eines aus § 1330 (2) ABGB. ableitbaren Unterlassungsanspruches.

Bedachtnahme auf Verhältnisse im Inland, im deutschsprachigen und im fremdsprachigen Ausland.

Entscheidung vom 7. Februar 1962, 6 Ob 59/62.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der im vorliegenden Rechtsstreit als Kläger auftretende X. wurde am 9. November 1949, 2 Uhr, unter dem Verdacht verhaftet, die Fabrikantin N. N., deren Leiche in der mit Wasser gefüllten Badewanne ihrer Wohnung in den späten Abendstunden des Vortages aufgefunden worden war, ermordet zu haben. Der Kläger war im Betrieb dieser Frau beschäftigt und auch Untermieter in ihrer Wohnung gewesen. Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch nach einigen Wochen eingestellt und ihm auch ein Anspruch auf Haftentschädigung zuerkannt, da ein anderer Mann der Tat überwiesen werden konnte, diese auch eingestand und in der Folge auch des Raubmordes an Frau N. N. schuldig erkannt und zu lebenslangem schwerem Kerker verurteilt wurde.

Das Sujet dieses als "Badewannenmord" in die Kriminalgeschichte eingegangenen Falles wurde nun von der A-Film-Gesellschaft m. b. H., der erstbeklagten Partei, verfilmt. Der Film, der während der Produktion den Arbeitstitel "Mordkommission" hatte, wurde von der B-Film-Gesellschaft m. b. H., der zweitbeklagten Partei, zur Verwertung und zum Verleih übernommen und seit 25. August 1961 unter dem Titel "Mann im Schatten" zur Aufführung gebracht (Premiere in einem bekannten Kinotheater in Wien).

Im vorliegenden Prozeß belangte der Kläger die beklagten Parteien auf Unterlassung einer Weitergabe dieses Films zur öffentlichen Aufführung an andere Filmverleihe oder Filmtheater des In- und Auslandes sowie jeder anderen Verwertung, durch welche der Film der Öffentlichkeit bekannt werden könnte. Er machte dabei geltend, daß ihm, dem seinerzeit unschuldig Verdächtigten, die Filmfigur des "Franz F." entspreche; diese Filmfigur begehe an einer frei erfundenen Nichte der als "Miriam K." figurierenden Frau N. N. das Verbrechen nach § 96 StG., lege durch gleichzeitige Verhältnisse zu dieser Nichte und zur später ermordeten "Miriam K." ein unehrenhaftes und unsittliches Verhalten an den Tag und werde auch sonst so "hintergrundig" gezeichnet, daß die Annahme gerechtfertigt sei, es könne sich dabei um den Mörder handelt.

Mit der Klage verband der Kläger den Antrag auf Erlassung eines einstweiligen Weitergabe- und Verwertungsverbotes, dem der Erstrichter, ohne dem Kläger einen Kautionserlag vorzuschreiben, auf Prozeßdauer, längstens aber bis 31. Dezember 1962, stattgab.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstrichter auf, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Es begrundete dies im wesentlichen damit, daß die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 1330 (2) ABGB. mit Recht als bescheinigt angenommen worden seien, soweit es sich um die Verbreitung unwahrer Tatsachen über den Kläger handle, wenn auch sein Name im Film nicht genannt worden sei. Eine mögliche Gefährdung des Fortkommens des Klägers wäre aber vielleicht für Wien gegeben, möglicherweise noch im übrigen Österreich, weniger gewiß im deutschsprachigen Ausland und vor allem kaum im nicht deutschsprachigen Ausland; da aber der Kläger behauptet habe, daß der Film eine sein Fortkommen schädigende, jedoch nicht als offenkundig anzusehende Wirkung auf sein Fortkommen habe, werde das Verfahren durch Aufnahme der dafür angebotenen Bescheinigungen zu ergänzen sein; dabei werde zu klären sein, in welchen geographischen Gebieten sich die Gefahr, d. i. die erfahrungsgemäß nahe Möglichkeit einer Schädigung seines Fortkommens, ergeben könnte.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird von beiden Teilen bekämpft. Der Kläger strebt die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstrichters an, die beklagten Parteien in erster Linie die Abweisung des Provisorialantrages überhaupt, hilfsweise die Auferlegung einer angemessenen Kaution.

Der Oberste Gerichtshof gab beiden Revisionsrekursen teilweise, und zwar dahin Folge, daß die vom Erstrichter erlassene einstweilige Verfügung wiederhergestellt, ihr Vollzug in Ansehung des für den Bereich des nicht deutschsprachigen Auslandes erlassenen Weitergabe- und Verwertungsverbotes aber davon abhängig gemacht wurde, daß die klagende Partei eine Sicherheitsleistung von 100.000 S erlegt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst den Revisionsrekurs der beklagten Parteien betrifft, erscheint es nicht recht verständlich, wie die Möglichkeit und Gefahr einer Identifizierung der Filmfigur "Franz F." mit dem Kläger ernstlich abgestritten werden kann. Selbst wenn anläßlich der Verfilmung dieses Sujets auf den sog. "Badewannenmord", der sich im Jahre 1949 in Wien ereignete, nicht ausdrücklich Bezug genommen worden wäre, ja sogar dann, wenn darüber hinaus durch Hinweise, wie z. B., die Handlung sei zum Teil frei erfunden, im übrigen seien Zeit, Ort und Namen der Beteiligten verändert u. dgl., der Unterschied zwischen Filmgeschehen und Wirklichkeit besonders betont und die Nachforschung erschwert worden wäre, wer mit dem "Franz F."

gemeint sei oder gemeint sein könnte, hätte eine gewisse Möglichkeit und Gefahr einer Identifizierung dieser Filmfigur mit dem Kläger bestanden, für den Fall nämlich, daß das Publikum aus eigener Erinnerung daraufgekommen wäre, es handle sich um den Mordfall der Frau N. N. und die dabei vorgefallene Verdächtigung und Inhaftierung eines Unschuldigen. So aber sollte die Erinnerung des Publikums an den "Badewannenmord", der sich vor etlichen Jahren in Wien ereignete, bewußt aufgefrischt werden; durch die Hervorhebung im Vorspann "Gestaltet nach Originalunterlagen der Polizeidirektion Wien" wurde der Eindruck einer zumindest weitgehenden Übereinstimmung von Filmgeschehen und wirklichen Vorfällen hervorgerufen, demgegenüber der routinemäßige Hinweis, Ort, Zeit und Namen der Beteiligten seien verändert worden, selbst dann in den Hintergrund getreten wäre, wenn der Vorspann so langsam abgelaufen wäre, daß man auch noch diesen Teil des Vorspanntextes hätte lesen können. Dabei spielt der Film - ungeachtet der angeblichen "Ortsänderung" - ebenfalls in WienÜ Mit wem denn als mit dem Kläger, dessen um etliche Jahre ältere Chefin die ermordete Frau N. N. war, der bei ihr Untermieter und der unschuldig unter Mordverdacht in Haft gekommen war, hätte denn von einem unvoreingenommenen Zuschauer "Franz F." identifiziert werden können, dessen um etliche Jahre ältere Chefin "Miriam K." laut Filmgeschehen ermordet wird, der in ihrer Wohnung ein Zimmer hat und der laut Filmgeschehen unschuldig unter Mordverdacht in Haft kommt? Es mag schon sein, daß der strittige Film - wie die beklagten Parteien in ihrem Rekurs gegen die einstweilige Verfügung des Erstrichters ausführten - die Bevölkerung über die Umstände aufklären wollte, unter denen die Polizeiarbeit vonstatten geht, wobei gleichzeitig die Schwierigkeiten aufgezeigt werden sollten, die infolge menschlicher Fehlerquellen allzuleicht zu einem Justizirrtum führen können; aber damit geben die beklagten Parteien doch selbst zu, nicht zuletzt das Schicksal des Klägers verfilmt zu haben; er sollte geradezu das Vorbild der Filmfigur "Franz F." abgeben, woraus sich geradezu zwangsläufig ergibt, daß das Filmpublikum in seinem Durchschnitt die Filmfigur des "Franz F." mit jenem Menschen identifizieren soll und wird, der in Wirklichkeit, d. h. beim Mord an Frau N. N., durch eine Verkettung von Umständen in Mordverdacht geriet. Dem Rekursgericht ist durchaus darin beizupflichten, daß es auf eine Nennung des Namens des Klägers im Film oder im Filmvorspann u. dgl. nicht ankommt (vgl. dazu auch §§ 488, 491 StG.). Daß nun diese Identifizierung auch jene Handlungen und Eigenschaften des "Franz F." umfassen wird, zumindest umfassen kann, mit denen nach dem Filmgeschehen plausibel gemacht werden soll, warum dem "Franz F."

der Mord an seiner Chefin "Miriam K." zuzutrauen wäre, ist psychologisch leicht erklärbar. Die Wahrscheinlichkeit und Gefahr einer so weitgehenden Identifizierung des "Franz F." mit seinem Vorbild in der Realität, d. h. mit dem Kläger, erscheint um so größer, als - außer dem bei der Art der Vorführung des Textvorspannes ohnehin nicht sehr ins Gewicht fallenden Hinweis auf die Änderung von Zeit, Ort (?) und Namen - jeder Hinweis darauf fehlt, wenigstens ein Teil der Handlung sei frei erfunden. Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß das Schicksal des Klagebegehrens weitgehend davon abhängt, ob die beklagten Parteien den Identifizierungstendenzen des Publikums einen für den Schutz der berechtigten Interessen des Klägers ausreichenden Riegel vorgeschoben haben. Davon ist bisher nicht nur nichts zu sehen, im Gegenteil: durch die Vorführung des Films vor dem Erstrichter wurde glaubhaft gemacht, daß der Film zufolge seines Vorspannes sogar den Eindruck erweckt, das darin dargestellte, in Wien spielende Geschehen entspreche zumindest weitgehend den wirklichen Ereignissen, wie sie sich aus Originalunterlagen der Polizeidirektion Wien (d. h. naturgemäß in Ansehung eines in Wien verübten Verbrechens bzw. in Ansehung der Bemühungen um seine Aufklärung) rekonstruieren ließen. Der vorliegende Fall stellt sich - wenigstens vorläufig - geradezu als das Gegenteil jenes Falles dar, welcher der Entscheidung vom 2. Mai 1956, SZ. XXIX 38, zugrunde lag. Das gilt nicht etwa nur äußerlich, weil damals die Verwendung eines bestimmten Namens für eine Filmfigur strittig war (§ 43 ABGB.), sondern auch der Sache nach, weil es damals an sonstigen wesentlichen Beziehungen zum Träger des im Film verwendeten Namens fehlte, was zur Verneinung einer realen Identifizierungsgefahr führte. Diesmal wurde zwar nicht der Name des Klägers mißbraucht, aber sein Schicksal verfilmt.

Es bedarf unter diesen Umständen - zumindest für den Rahmen der hier zu treffenden Entscheidung - gar keiner Heranziehung des sog. offiziellen Programmes zum strittigen Film und auch keiner Berücksichtigung von Einzelheiten der vor Aufführung des Films erfolgten Pressepublikationen, demnach auch keiner näheren Erörterung, ob und inwieweit die beklagten Parteien hiefür verantwortlich sind, um als glaubhaft gemacht ansehen zu können, daß sie dem Kläger dafür einzustehen haben, was der Film - abweichend von den Beziehungen, dem Verhalten u. dgl. des Klägers in der Realität, d. h. hier nämlich wahrheitswidrig im Sinn des § 1330 (2) ABGB. - bezüglich der Filmfigur "Franz F." zur Darstellung bringt. Der Vollständigkeit halber sei aber beigefügt, daß die Annahme der Unterinstanzen, die schon während der Dreharbeiten erschienenen Presseberichte mit dem Hinweis auf den "Badewannenmord" müßten mit Informationen der erstbeklagten Partei im Zusammenhang stehen, durchaus logisch erscheint. Ihre Mitberücksichtigung bei Prüfung der Anspruchsbescheinigung stellt gewiß keinen Gerichtsfehler dar.

Nach den Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens wird der Filmfigur "Franz F." abweichend von der Realität des Jahres 1949 in Ansehung des Klägers ein Liebesverhältnis zu seiner älteren Chefin bei gleichzeitigen Liebesbeziehungen zu deren ihrer Obsorge anvertrauten Nichte zugeschrieben, welch letztere er, nachdem der Chefin glauben gemacht worden war, sie sei in die Schweiz abgereist, auf einige Tage in die Wohnung seiner abwesenden Schwester bringt. Auch bei Ausschaltung einer Qualifizierung letzteren Sachverhaltsbildes als eines Verbrechens nach § 96 StG. aus den vom Rekursgericht herangezogenen Gründen stellt sich ein solches Verhalten und Vorgehen als grob sittenwidrig, zugleich als grober Vertrauensbruch und insgesamt als grob ehrenrührig dar; dabei wurde noch eine besondere Färbung des Bildes des Filmgeschehens dadurch erreicht, daß nach dem vom Erstrichter in Übereinstimmung mit den in der Dialogliste aufscheinenden "Gesprächen" wiedergegebenen Filminhalt das materielle Interesse des "Franz F." an seinen Beziehungen zu "Miriam K." hinlänglich deutlich durchdringt. Auch wenn es richtig ist, daß der Kläger seinerzeit die Erwartung hegte, gerade am 7. November 1949 die Betriebsführung des Unternehmens der Frau N. N. zu übernehmen, ist das im Film gezeigte materielle Interesse bei Liebesbeziehungen zur älteren Chefin und gleichzeitig zu ihrer (sei sie auch bereits großjährigen) Nichte doch etwas ganz anderes. Nun kommt es für ein aus § 1330 (2) ABGB. abgeleitetes Begehren überhaupt nicht darauf an, daß geradezu eine Ehrenbeleidigung vorliegt, wie auch nicht aus jeder Ehrenbeleidigung schon ein Anspruch nach § 1330 (2) ABGB. ableitbar ist (vgl. dazu Wolff in Klang[2] zu § 1330 ABGB. unter II/1). Die im strittigen Film erfolgte Verzeichnung des Klägers in der Figur des "Franz F." stellt sich aber nicht etwa nur als ein ungünstiges Werturteil dar, sondern basiert auf der Erfindung und Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen in Ansehung seines Charakters und seines Verhaltens.

Die beklagten Parteien bekämpfen den Standpunkt des Rekursgerichtes, daß sie die Unwahrheit dieser durch die filmische Darstellung des "Franz F." über den Kläger aufgestellten Tatsachenbehauptungen bei Produktion und Vorführung des Films kannten oder wenigstens kennen mußten, in ihrem Revisionsrekurs gar nicht. Den Darlegungen im angefochtenen Beschluß ist auch durchaus beizupflichten.

Damit spitzt sich die Entscheidung auf die Frage zu, ob auch die Gefährdung des Kredites, Erwerbes oder Fortkommens des Klägers als Voraussetzung des von ihm gestellten Unterlassungsbegehrens (vgl. auch dazu Wolff a. a. O. unter III) als bescheinigt angesehen werden kann. Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, daß eine bloß abstrakte Gefährdungseignung bestimmter unwahrer Tatsachenbehauptungen in dem Sinne, daß solche Behauptungen im allgemeinen geeignet erscheinen, den Kredit, Erwerb oder das Fortkommen davon Betroffener zu gefährden, hier nicht genügen kann. Ebenso zutreffend hat das Rekursgericht auch ausgeführt, daß in besonders krassen Fällen schon aus dem Inhalt der wahrheitswidrig aufgestellten Tatsachenbehauptung die Gefährdung des Kredites, Erwerbes oder Fortkommens einer bestimmten Person nach ihren individuellen Verhältnissen so offenkundig sein kann, daß es weiterer Beweisaufnahmen im Sinne des § 269 ZPO. nicht bedarf.

Im Gegensatz zum Rekursgericht ist der Oberste Gerichtshof nun der Meinung, daß es sich hier um einen derart krassen Fall handelt, daß nach den aktenkundigen Verhältnissen des Klägers eine Gefährdung seines Fortkommens wenigstens für bestimmte Filmvorführbereiche mit solch hohem Grad von Wahrscheinlichkeit bejaht werden muß, daß auch bezüglich dieses Elementes eines Anspruchs nach § 1330 (2) ABGB. die für das Provisorialverfahren nötige Bescheinigung gegeben ist. Der am 4. Februar 1922 geborene, jetzt als 40 Jahre alte Kläger ist von Beruf Textiltechniker mit Fachschulstudium und bei einer Wiener Textilfirma als Disponent beschäftigt. Daß er in seinem Alter unter Zugrundelegung seiner durch Studium und Praxis erworbenen Fachkenntnisse in der Textilbranche noch Aufstiegs- und Verbesserungsmöglichkeiten, allenfalls durch Eintritt bei einem anderen Unternehmen, hat, kann nach den allgemeinen Lebenserfahrungen ohneweiters vorausgesetzt werden, zumal die Erlangung eines Disponentenpostens bei einer so angesehenen Firma, wie es seine derzeitigen Dienstgeber sind, für eine beträchtliche fachliche Tüchtigkeit zeugt. Seine Belastung durch die Verzeichnung seines Charakters und Verhaltens im Jahr 1949 durch die bei Verfilmung seines Schicksals, als unschuldig des Mordes Verdächtigter in Haft gekommen zu sein, ihm ansonsten nachgebildete Figur des "Franz F." kann ihm bei solchen Bestrebungen zur Verbesserung seines Fortkommens sehr wohl gefährlich sein, weil ein Dienstgeber, der - sei es vor, sei es nach einer

Anstellung des Klägers - davon erfahren sollte, in welch ehrenrühriger Form sein Schicksal verfilmt wurde, Mißtrauen gegen seine charakterliche Integrität und persönliche Vertrauenswürdigkeit fassen könnte (scil. wenn der Kläger die wahrheitswidrige Verfilmung seines Schicksals hingenommen hätte bzw. hinnehmen müßte). Berücksichtigt man, daß gerade in der österreichischen Textilbranche sehr bedeutende Unternehmungen ihren Sitz nicht in Wien haben, daß die für die Anstellung von Fachkräften und Angestellten mittlerer oder gar höherer Verwendung zuständigen Persönlichkeiten häufig nicht in Wien wohnen, den strittigen Film also auch anderwärts zu Gesicht bekommen können, läßt sich - was zunächst das Inland betrifft - zwischen Wien und den Bundesländern nicht differenzieren. Der Unterlassungsanspruch des Klägers erscheint darum für diesen Bereich hinlänglich bescheinigt.

Ähnliche Erwägungen lassen sich auch für den Bereich des Auslandes anstellen, wobei einerseits in Betracht kommt, daß der Kläger selbst sein besseres Fortkommen im Ausland suchen könnte, andererseits aber auch denkbar ist, daß er in Österreich in ein Unternehmen eintreten wollte, dessen Inhaber oder leitende Funktionäre den Film im Ausland gesehen haben könnten, sei es, daß sie überhaupt dort leben, sei es, daß sie auf einer Reise dort einen Kinobesuch machen. Eine nicht unwesentliche Komponente in der Gefährdung des Fortkommens des Klägers im Inland könnte sich überdies durch die Presseberichterstattung oder persönliche Mitteilungen von Ausländern an Inländer über den im Ausland aufgeführten Film ergeben, besonders wenn man die Wirkung allfälliger Hinweise und Ankündigungen, der Film sei in Österreich verboten worden, bedenkt. Unter den heutigen Verhältnissen muß auch mit solchen Reklame- und Werbemethoden gerechnet werden, auf welche auch die beklagten Parteien selbst, wenn sie einmal den Film zur Verwertung im Ausland weitergegeben hätten, kaum mehr mit sicherer Wirkung Einfluß nehmen könnten. Berücksichtigt man nun die Breitenwirkung des Films einerseits, die persönlichen, wirtschaftlichen und publizistischen Wechselbeziehungen zwischen Inland und Ausland andererseits, ergibt sich, daß zumindest für den Bereich des deutschsprachigen Auslandes (also vornehmlich der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz) eine annähernd gleiche Gefährdung des Fortkommens des Klägers wie bei der Aufführung des Films im Inland anzunehmen ist, zumal der Kläger gerade in diesem Bereich am ehesten außerhalb Österreichs günstige Stellungen finden könnte. Es arbeiten ja, nicht zuletzt wegen der besonders günstigen Einkommens- und Fortkommensbedingungen, zahlreiche Österreicher im Bereich des deutschsprachigen Auslandes. Auch insoweit ist also nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinlänglich bescheinigt.

Was das fremdsprachige Ausland betrifft, ist die Gefährdung des Fortkommens des Klägers weniger augenscheinlich, obgleich - gerade im Zeichen der Wirtschaftsintegration - nicht in Abrede gestellt werden soll, daß - vor allem bei entsprechenden Sprachkenntnissen - auch dort gewisse Chancen für einen tüchtigen Mann bestehen. Zu einer vollen Bescheinigung des Unterlassungsanspruches reichen die angestellten Erwägungen freilich nicht aus. Während es gerichtsbekannt ist, daß die Produktion von Filmen in Österreich vielfach nur wegen der miteinkalkulierten Möglichkeit des Exportes ins deutschsprachige, Ausland erfolgt, ist es schon viel weniger wahrscheinlich, daß die beklagten Parteien einen Export ins nicht deutschsprachige Auslandanstreben; selbst wenn dies aber der Fall wäre und ein solcher Export gelänge, ist die zu erwartende Breitenwirkung des strittigen Films und ihre Rückwirkung auf Österreich dort doch offenbar wesentlich geringer als bei einer Vorführung in der Bundesrepublik Deutschland usw.; auch hat der Kläger gar nicht behauptet, über Fremdsprachenkenntnisse zu verfügen, die ihm eine berufliche Tätigkeit im Bereich des nicht deutschsprachigen Auslandes ermöglichen oder doch erleichtern würden. Es ist nach der Natur der Sache freilich auch nicht zu sehen, wie bei dem in diesem Belang unzulänglichen Vorbringen des Klägers durch Befragung der von ihm in der Klage angebotenen Auskunftsperson (seine Gattin, ein namentlich noch gar nicht genannter Zeuge, auf den als nicht parates Beweismittel nicht zu greifen wäre - SZ. XXIX 86 u. a., seine eigene Vernehmung als Partei) eine grundlegende Änderung des Sachverhaltsbildes möglich wäre. Es kommt hier unter Würdigung der ohnehin bis zu einem gewissen Grad für den Kläger sprechenden Bescheinigungselemente nur die Auferlegung einer angemessenen Kaution bei Erlassung der einstweiligen Verfügung, nicht aber erst eine Ergänzung des Provisorialverfahrens in Betracht.

Daß die Unterinstanzen die zweite Voraussetzung der Erlassung einer einstweiligen Verfügung, nämlich die Gefährdung des Anspruches als solchen, die naturgemäß von der "Gefährdung des Fortkommens des Klägers" als einer der Anspruchsvoraussetzungen nach § 1330 (2) ABGB. wohl zu unterscheiden ist, als bescheinigt angesehen haben. Wird von den beklagten Parteien in ihrem Revisionsrekurs gar nicht bekämpft. Da nicht abgesehen werden kann, wann, unter welchen Umständen und in welcher Richtung die glaubhaft gemachte Gefährdung des Fortkommens des Klägers effektiv eine Behinderung seines Fortkommens, eine Verkürzung seines Einkommens oder eine sonstige Benachteiligung des Klägers nach sich ziehen wird, kann derzeit auch nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob die beklagten Parteien in einem solchen Fall in der Lage wären, alle dem Kläger dann effektiv verursachten Nachteile und Schäden durch Geld auszugleichen. Infolgedessen muß auch die Möglichkeit bejaht werden, daß ihm durch die bescheinigte Gefährdung seines Fortkommens ein unwiederbringlicher Nachteil entstehen kann (§ 381 Z. 2 EO.).

Ähnliche Erwägungen schließen aber auch einen Ausspruch aus, die beklagten Parteien könnten sich ihrerseits durch Kautionserlag von dem an sie gerichteten Verbot befreien. Es kann nicht gesagt werden, daß zur Sicherung des Klägers ein vom Gericht zu bestimmender Geldbetrag unter allen Umständen genüge (§ 391 (1) EO.).

Den vom Rekursgericht zur Frage, ob den beklagten Parteien durch ein provisorisches Verbot der Verwertung des Films überhaupt ein Schaden entstehen könne, angestellten Erwägungen kann nur zum Teil gefolgt werden. Daß ein Kriminalfilm bis zu einem gewissen Grad immer sein Publikum finden wird, ist wohl richtig, der Film kann aber durch Zeitablauf allein in Ansehung der darin auftretenden Schauspieler, der darin angewendeten Technik u. dgl. veralten. Handelt es sich noch dazu um die Verwertung des Films im Ausland, wo die Marktverhältnisse im vorhinein wohl schwer mit Sicherheit überblickt werden können dann kann die Möglichkeit, daß die beklagten Parteien bei einer durch die Prozeßdauer verzögerten Verwertung bzw. Weiterverwertung des Films Nachteile erleiden, wohl nicht von der Hand gewiesen werden. Da der Versuch, einen deutschsprachigen Film im nicht deutschsprachigen Ausland zu verwerten, wohl nur gemacht wird, wenn entsprechende Erträgnisse zu erwarten sind, muß wohl auch mit der Möglichkeit bedeutender Einbußen der beklagten Parteien gerechnet werden, falls das Weitergabe- und Verwertungsverbot bezüglich dieses Bereiches in Vollzug gesetzt werden sollte. Der Oberste Gerichtshof erachtet darum die gemäß § 390 (1) EO. zu bestimmende Kaution mit 100.000 S für angemessen, zumal später immer noch die Möglichkeit einer Erhöhung bestunde, wenn sich dieser Betrag als unzureichend herausstellen sollte (1 Ob 261/54, SZ. XXVIII 244 u. a.).

Das Verwertungsverbot für den Bereich des Inlandes und des deutschsprachigen Auslandes trotz ausreichender Anspruchsbescheinigung gemäß § 390 (2) EO. von einer Kaution abhängig zu machen, sieht sich der Oberste Gerichtshof auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der beklagten Parteien nicht veranlaßt. Gewiß greift die einstweilige Verfügung in ihre Interessen tief ein, aber auch sie haben die Interessensphäre des Klägers nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens schwer verletzt, und es ist nicht Zweck der in Rede stehenden Bestimmung, die Durchsetzung eines berechtigten Sicherungsanspruches praktisch zu inhibieren.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß beiden Revisionsrekursen teilweise Folge zu geben und die vom Erstrichter erlassene einstweilige Verfügung wiederherzustellen, ihr Vollzug in Ansehung der Verwertung des strittigen Films im nicht deutschsprachigen Ausland aber vom Erlag einer Kaution in Höhe von 100.000 S abhängig zu machen war.

Anmerkung

Z35022

Schlagworte

Einstweilige Verfügung, Verbot der Verwertung eines Films, Film, Verwertungsverbot, Gefährdung des Kredits usw. durch einen Film

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0060OB00059.62.0207.000

Dokumentnummer

JJT_19620207_OGH0002_0060OB00059_6200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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