TE OGH 1962/2/21 6Ob67/62

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Veröffentlicht am 21.02.1962
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Norm

Todeserklärungsgesetz 1950 §21

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SZ 35/27

Spruch

Der Einleitung eines Verfahrens zum Beweis des Todes nach § 21 TodeserklärungsG. 1950 steht die Rechtskraft einer Todeserklärung nicht entgegen.

Entscheidung vom 21. Februar 1962, 6 Ob 67/62.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Nach den im vorangegangenen Todeserklärungsverfahren getroffenen Feststellungen ist der Verschollene Moritz X. am 28. August 1942 aus rassischen Gründen nach Auschwitz deportiert worden und scheint in der Rückkehrerkartei der Israelitischen Kultusgemeinde Wien nicht auf. Seither fehlt jede Nachricht von ihm. Der Verschollenheitsfall wurde daher nach § 7 ToderklG. beurteilt und über Antrag der geschiedenen Gattin des Verschollenen Stefanie X. die Todeserklärung ausgesprochen, wobei der 28. August 1942, 24 Uhr, als Zeitpunkt des Todes festgestellt wurde. Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen. Nunmehr stellt die geschiedene Gattin den Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Beweisführung des Todes gemäß § 21 ToderklG. mit dem Begehren, auszusprechen, daß der Verschollene den 8. Mai 1945 nicht überlebt hat (§ 21 Abs. 7). Sie bringt neuerlich vor, daß sich ihr geschiedener Gatte seit seiner Überführung in das Vernichtungslager Auschwitz am 28. August 1942, sohin nunmehr nach Ablauf von 15 Jahren seit der Befreiung, nicht mehr gemeldet hat.

Das Erstgericht wies den Antrag der Stefanie X. auf Einleitung der Verfahrens zur Beweisführung des Todes ihres geschiedenen Gatten als unzulässig zurück, da ein solcher Antrag voraussetze, daß der Tod des Verschollenen im Zuge der Ermittlungen erwiesen wird; im gegenständlichen Fall lägen jedoch nach der Aktenlage derartige Beweise schon deswegen nicht vor, weil der von der Antragstellerin behauptete, bereits im vorausgegangenen Todeserklärungsverfahren festgestellte Sachverhalt nur zur Bescheinigung über eine bestehende Todesvermutung ausreiche.

Dem dagegen seitens der Antragstellerin erhobenen Rekurs wurde nicht Folge gegeben. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, das TodeserklärungsG. 1950 sehe die Aufhebung oder Berichtigung einer Todeserklärung nur dann vor, wenn der Verschollene nach der Todeserklärung noch am Leben oder an einem anderen Tag als dem in der Todeserklärung angegebenen, vermuteten Todestag gestorben sei. Ein solcher Beschluß setze die Rechtskraft der Todeserklärung voraus, da ansonsten in dem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren diese Umstände für die Aufhebung oder Berichtigung der Todeserklärung geltend gemacht werden könnten. Diese gesetzliche Regelung schließe aber ein Verfahren, das die Aufhebung oder Berichtigung der rechtskräftig ausgesprochenen Todeserklärung bzw. des Todestages nicht zum Ziele habe, aus. Die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens würde ohne die rechtskräftige Aufhebung der Todeserklärung allenfalls zur Festsetzung eines neuerlichen Todestages führen (§ 21 Abs. 7). Dies sei jedoch nach den Denkgesetzen und nach dem Sinn des Gesetzes nicht möglich, denn zwei verschiedene Todestage für ein- und dieselbe Person könnten nicht festgesetzt werden.

Der Oberste Gerichtshof wies den gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes von der Antragstellerin gemäß § 16 AußStrG. erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der geltend gemachte Beschwerdegrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit liegt nicht vor.

Mit Recht bekämpft die Antragstellerin die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, wonach die im Abschnitt V (§ 23 ff.) des TodeserklärungsG. 1950 getroffene Regelung über die Aufhebung und Berichtigung der Todeserklärung das einem anderen Ziele dienende, im Abschnitt IV (§ 21) geregelte Verfahren zur Beweisführung des Todes nach rechtskräftig ausgesprochener Todeserklärung ausschließe. Das im Abschnitt IV geregelte Verfahren hat die Herstellung des Beweises, daß ein bestimmter Tag der Todestag ist, oder daß ihn der Verschollene nicht überlebt hat, zum Gegenstand. In gleicher Weise kann auch nach dem im Abschnitt V geregelten Verfahren (§§ 23 ff.) die Berichtigung der Todeserklärung erreicht werden, wenn bewiesen wird, daß der Verschollene an einem anderen Tag als an dem in der Todeserklärung angegebenen, vermuteten Todestag (§ 19) gestorben ist. Da sohin beide Verfahren nach ihrem Ergebnis in gleicher Weise geeignet sind, die durch eine vorher ausgesprochene Todeserklärung begrundete Vermutung durch Feststellung eines anderen Todeszeitpunktes zu widerlegen, steht die Rechtskraft einer vorangegangenen Todeserklärung auch der nachträglichen Einleitung eines Verfahrens zur Beweisführung des Todes nach Abschnitt IV begrifflich nicht entgegen. In einem derartigen Verfahren liegt keine Abänderung einer früher ausgesprochenen Todeserklärung, welche nur als Bescheinigung über eine bestehende Todesvermutung anzusehen ist und nicht ausschließt, daß nachträglich der Beweis erbracht wird, daß der Verschollene früher oder später verstorben ist (§ 278 ABGB.; vgl. E. vom 21. Mai 1952, JBl. 1953 S. 99; 5 Ob 443, 444/60). Dieses Verfahren vermag auch nicht, wie das Rekursgericht vermeint, zur Festsetzung von zwei verschiedenen Todestagen zu führen, sondern es wird damit nur an Stelle des nach einer etwa vorangegangenen Todeserklärung vermuteten Todestages der Tag festgestellt, von welchem nunmehr bewiesen ist, daß er der Todestag ist oder daß der Verschollene ihn nicht überlebt hat (§ 21 Abs. 7). Ungeachtet des Umstandes, daß die Auffassung des Rekursgerichtes nur als rechtlich unrichtig, nicht aber als offenbar gesetzwidrig zu beurteilen ist, könnte auch im Falle einer offenbaren Gesetzwidrigkeit dieser Auffassung für die Zulässigkeit des vorliegenden, dem § 16 AußStrG. unterfallenden Revisionsrekurses nur maßgebend sein, ob die den erstgerichtlichen Beschluß bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes im Ergebnis dem Gesetz offenbar widerspricht (vgl. SZ. XXI 10). Es liegt jedoch auch im Ergebnis eine offenbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidungen der beiden Vorinstanzen nicht vor. Hinsichtlich der unterscheidenden Merkmale der in den Abschnitten I und III des Todeserklärungsgesetzes 1950 geregelten Todeserklärung und der im IV. Abschnitt des Gesetzes behandelten Beweisführung des Todes kann auf die im vorangegangenen Todeserklärungsverfahren ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15. Dezember 1960, 5 Ob 427/60-19, verwiesen werden. Für die Todeserklärung genügt demnach der Nachweis einer der in den §§ 3 bis 7 leg. cit. angeführten Verschollenheitsfälle. Hingegen sind für die Beweisführung des Todes nach dem im IV. Abschnitt geregelten Verfahren strengere Voraussetzungen erforderlich. Hier muß gemäß § 21 leg. cit. der Beweis des Todes erbracht und bewiesen werden, daß die Person entweder an einem bestimmten Tag gestorben ist oder einen bestimmten Tag nicht überlebt hat, wobei dieser Tag als Todestag festzustellen ist. Der vorliegende Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Beweisführung des Todes mit dem Begehren auf Feststellung des 8. Mai 1945 als des Tages, den der Verschollene nicht überlebt hat, wurde aber lediglich damit begrundet, daß sich der geschiedene Gatte der Antragstellerin seit seiner Überführung in das Vernichtungslager Auschwitz am 28. August 1942, sohin nach Ablauf von 15 Jahren seit der Befreiung, nicht mehr gemeldet hat. Wenn nun das Erstgericht in seinem vom Rekursgericht bestätigten Beschluß das Ansuchen um Beweisführung des Todes zur Einleitung des weiteren Verfahrens für nicht geeignet befunden hat (§ 21 Abs. 3), da ein solcher Antrag voraussetze, daß der Tod des Verschollenen im Zuge der Ermittlungen erwiesen wird, im gegenständlichen Fall jedoch nach der Aktenlage derartige Beweise schon deswegen nicht vorliegen, weil der von der Antragstellerin behauptete, schon im vorangegangenen Todeserklärungsverfahren festgestellte Sachverhalt nur zur Bescheinigung über eine bestehende Todesvermutung ausreiche, so stellt die Beurteilung, ob im einzelnen Fall der Beweis des Todes als erbracht anzusehen oder nur ein Verschollenheitsfall anzunehmen sei, eine Beweisfrage dar, die im Rahmen des Rechtsmittels nach § 16 AußStrG. keinen Anfechtungsgrund bilden kann (vgl. 6 Ob 371, 372/60; 5 Ob 427/60).

Da sohin der geltend gemachte Beschwerdegrund nicht vorliegt, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen (§ 16 Abs. 1 AußStrG.).

Anmerkung

Z35027

Schlagworte

Beweisführung des Todes nach vorheriger Todeserklärung, Todeserklärung schließt spätere Beweisführung des Todes nicht aus

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0060OB00067.62.0221.000

Dokumentnummer

JJT_19620221_OGH0002_0060OB00067_6200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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