Norm
ABGB §364 (2)Kopf
SZ 35/28
Spruch
Ablagerung von Sand an der Mauer des Nachbarhauses kann eine unzulässige Immission nach § 364 (2) Satz 1 ABGB. sein.
Entscheidung vom 27. Februar 1962, 8 Ob 59/62.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Streitteile sind Nachbarn. Die Nordmauer des im Eigentum der Klägerin stehenden Hauses Graz, Sch.-Gasse 53, begrenzt den Hof der den Beklagten je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft mit dem Haus Sch.-Gasse 51.
Die Klägerin führt in der am 4. September 1961 erhobenen Klage aus, die Beklagten schütteten seit längerer Zeit gegen die Nordmauer ihres Hauses Sand und ähnliche Baumaterialien bis zu einer Höhe von ungefähr 3/4 m auf; hiedurch ziehe die Mauer Feuchtigkeit an; in der dahinter liegenden Wohnung träten bereits Feuchtigkeitsschäden auf; auf die Abmahnungen der Klägerin, zuletzt am 25. August 1961, hätten die Beklagten nicht reagiert. Sie seien daher zur ungeteilten Hand schuldig, den abgelagerten Sand binnen 14 Tagen zu entfernen und Ablagerungen an der Nordwand des Hauses Graz, Sch.-Gasse 53, künftig zu unterlassen. Bei der ersten Verhandlungstagsatzung schränkte die Klägerin das Klagebegehren um das Begehren auf Entfernung des abgelagerten Sandes ein, weil die Beklagten am 9. September 1961, sohin nach Einbringung der Klage, den an der Nordwand des gegenständlichen Hauses gelagerten Sand entfernt hätten.
Das Erstgericht entschied im Sinne des Unterlassungsbegehrens. Es stellte im wesentlichen folgendes fest: Die Beklagten hätten schon seit Jahren im Hofe ihrer Liegenschaft an der Nordmauer des Hauses der Klägerin Sand und auch Bauschutt abgelagert. Aus diesem Grund habe die Klägerin schon einige Male rechtsfreundliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Im Juli 1961 hätten die Beklagten wieder direkt an die Nordmauer des Hauses der Klägerin Sand und Bauschutt gelagert. Mit Schreiben vom 19. Juli 1961 habe die Klägerin von den Beklagten die Entfernung des Schuttes verlangt. Im August 1961 habe die Klägerin festgestellt, daß die Beklagten an der Nordmauer ihres Hauses noch immer bzw. wieder Sand und Bauschutt abgelagert hätten, worauf der Klagevertreter mit Schreiben vom 25. August 1961 die Entfernung des Sandhaufens bis 28. August 1961 verlangt habe. Dieser Aufforderung hätten die Beklagten erst einige Tage nach dem 5. September 1961 entsprochen. Die nordseitig mit der gegenständlichen Mauer des Hauses der Klägerin abschließende Dienstwohnung der Hausbesorgerin P. sei schon vor dem Jahre 1958 sehr feucht gewesen. Nach dem Neuverputz habe die nordseitige Wand dieses Zimmers in der Höhe der Sandablagerungen Feuchtigkeitsschäden aufgewiesen. Das Vorgehen der Beklagten stelle eine unmittelbare Einwirkung auf die Liegenschaft der Klägerin, sohin einen Eingriff in ihr Eigentumsrecht dar. Selbst wenn der Sand, wie die Beklagten behaupten, nach dem 28. August 1961, aber noch vor Einbringung der Klage entfernt worden wäre, hätte dem Unterlassungsbegehren stattgegeben werden müssen.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Auszugehen sei zunächst von der Prüfung des Rechtsschutzanspruches der Klägerin, da die strittige Sandanhäufung entfernt worden sei. Die Unterlassung des behaupteten Eingriffes könne nur dann mit Klage erzwungen werden, wenn das Verbot nicht ausreiche und die Beklagten Anlaß zur Klagsführung gegeben hätten. Es müsse daher entsprechend dem vom Erstgericht nicht erledigten Beweisantrag der Beklagten geprüft werden, ob der Sand noch vor der Klagseinbringung entfernt worden sei oder nicht. Bejahendenfalls wäre das Klagebegehren abzuweisen. Wäre der Sandhaufen - bezüglich dessen die Mauer berührenden Ausmaßes ebenfalls noch eine Ergänzung des Beweisverfahrens notwendig sei - aber erst nach der Klagsüberreichung entfernt worden, müßte im Sinne des ersten Satzes der nachbarrechtlichen Bestimmung des § 364 (2) ABGB. geprüft werden - von einer unmittelbaren Zuleitung von Feuchtigkeit im Sinne des zweiten Satzes der bezogenen Gesetzesstelle könne hier nicht gesprochen werden - ob die Anhäufung eines Sandhaufens in der vom Erstgericht festgestellten Breite von zirka 1 m und in der ebenso festgestellten Höhe von zirka 30 cm an die Nordmauer des Hauses der Klägerin das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtige. Es werde auch im Hinblick darauf, daß die Beklagten die Durchfeuchtung der Mauer infolge der Sandablagerung ausdrücklich bestritten hätten, die Ursächlichkeit der behaupteten Mauerdurchfeuchtung festzustellen sein, weshalb die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein werde. Das Erstgericht habe daher dem Berufungsgericht erheblich erscheinende Tatsachen nicht erörtert, weshalb das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt habe aufgehoben werden müssen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs ist teilweise berechtigt, führt aber im Ergebnis nicht zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen, zu welchen allerdings das Berufungsgericht nicht Stellung genommen hat, obwohl sie von den Beklagten in ihrer Berufung ausdrücklich bekämpft wurden, haben während der letzten Jahre wiederholt solche Sand- und Schuttablagerungen stattgefunden, die trotz Abmahnung fortgesetzt wurden. Daß unter diesen Umständen die Unterlassungsklage zulässig ist, kann nicht bezweifelt werden, so daß bei Richtigkeit der erwähnten erstgerichtlichen Feststellungen der Frage, ob der Sandhaufen noch vor der Klagseinbringung (4. September 1961) entfernt wurde oder nicht, für das Unterlassungsbegehren keine streitentscheidende Bedeutung zukäme, sondern im Hinblick auf das zurückgenommene Begehren die Entscheidung dieser Frage allenfalls nur Auswirkungen auf die Kostenbemessung hat. Aber selbst wenn das Berufungsgericht von den erwähnten erstgerichtlichen Feststellungen nach Beweiswiederholung abgegangen wäre, wäre für die Beklagten nichts gewonnen. Denn bereits aus dem unbestrittenen Sachverhalt folgt der Rechtsschutzanspruch der Klägerin. Eine Unterlassungsklage ist zulässig, wenn eine Wiederholung des Eingriffes zu gewärtigen ist (SZ. XVIII 9, ÖRZ. 1937 S. 517, 1 Ob 232/59, Klang[2] zu § 523 ABGB. II S. 602). Bei Prüfung der Wiederholungsgefahr darf nicht engherzig vorgegangen werden. Sie besteht in der ernstlichen Besorgnis weiterer Eingriffe in die von der Klägerin behaupteten Rechte, wobei auf das Verhalten der Beklagten Bedacht zu nehmen ist (5 Ob 375/60 und die auf S. 338 ff. bei Schönherr - Saxl - Wahle, Wettbewerbsrecht, 1959, abgedruckten Entscheidungen). Die Wiederholungsgefahr ist hier zu bejahen. Das Verhalten der Beklagten, die ihre Unterlassungspflicht im Prozeß bestreiten, läßt eine Wiederholung erwarten. Es kann angenommen werden, daß die Beklagten bei Vornahme einer weiteren Reparatur ihres Hauses den benötigten Bausand wieder an der Nordwand des Hauses der Klägerin ablagern würden.
Da sohin Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, bedarf es keiner Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils zur Feststellung, wann die Beklagten den strittigen Sandhaufen entfernt haben.
Insoweit kann den Rekursausführungen gefolgt werden.
Der Klägerin kann jedoch trotzdem nicht darin gefolgt werden, daß die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils wegen Spruchreife überflüssig sei. Der Oberste Gerichtshof kann sich der auch vom Erstgericht geteilten Ansicht der Klägerin nicht anschließen, daß hier der Fall einer unmittelbaren Zuleitung im Sinne des § 364 (2) letzter Satz ABGB. vorliege, die allerdings ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig wäre. Der Hof, wo die Beklagten den Sand ablagerten, gehört ihnen. In dem darüberbefindlichen Luftraum können sie grundsätzlich machen, was sie wollen, weil er ihrer Herrschaft untersteht (Klang, a. a. O., II, zu § 297 ABGB., S. 28). Von einer unmittelbaren Zuleitung könnte schon nach der eigentümlichen Bedeutung dieser Worte (§ 6 ABGB.) nur bei einer Veranstaltung gesprochen werden, die für eine Einwirkung gerade in der Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist.
Wenn aber die Sandablagerung an der gegenständlichen Mauer deren Durchfeuchtung zur Folge gehabt hätte, was die Klägerin behauptet, läge eine Immission vor, die nach § 364 (2) erster Satz ABGB. dann nicht geduldet werden muß, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt. Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, hat das Erstgericht, von seiner auch vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht ausgehend, nicht geprüft. Das erstgerichtliche Verfahren ist daher mangelhaft geblieben, weshalb das Berufungsgericht mit Recht das erstgerichtliche Urteil zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung aufgehoben hat.
Soweit sich die Klägerin mit ihrem Rekurs dagegen wendet, daß dem Erstgericht der Auftrag erteilt worden sei, zur Klärung der Frage, ob die Durchfeuchtung der gegenständlichen Mauer überhaupt mit der Sandablagerung im Zusammenhang stehe, einen Sachverständigen beizuziehen, die Zeuginnen Helga A. und Hermine H. zu vernehmen und die Vernehmung der Parteien durchzuführen, kann der Oberste Gerichtshof hiezu nicht Stellung nehmen, da der nicht auf einer unrichtigen Sachbeurteilung beruhende Auftrag zu Beweisergänzungen auch im Rekursverfahren unanfechtbar ist (EvBl. 1954 Nr. 445; Novak, JBl. 1950 S. 471).
Anmerkung
Z35028Schlagworte
Immission, Ablagerung von Sand, Nachbarrecht, Immission durch Ablagerung von SandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1962:0080OB00059.62.0227.000Dokumentnummer
JJT_19620227_OGH0002_0080OB00059_6200000_000