TE OGH 1962/7/12 5Ob174/62 (5Ob177/62)

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Veröffentlicht am 12.07.1962
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba, Dr. Feichtinger, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold M*****, vertreten durch Dr. Donat Mossbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hermann S*****, vertreten durch Dr. Walter Bauer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen S 116.642,35 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 11. April 1962, GZ R 142/62-22, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 29. Jänner 1962, GZ 1 C 1150/61-13, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger war vom 6. 7. 1954 bis 30. 6. 1960 Pächter einer Fleischhauerei und Fleischselcherei in P*****. Verpächter war ursprünglich Franz S*****, an seine Stelle trat später durch Erwerb der Liegenschaft der Beklagte in den Pachtvertrag ein. Der Kläger knüpfte bereits vor Ablauf der Pachtdauer mit dem Beklagten und dem damals noch als Miteigentümer in Betracht kommenden Johann S***** Verhandlungen wegen einer neuerlichen Verpachtung an und begann auch bereits mit neuen Investitionen, deren Ersatz er nun begehrt. Der Erstrichter sprach mit einer als Zwischenurteil bezeichneten Entscheidung aus, dass der Klagsanspruch dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe. Anlässlich einer Unterredung mit dem Beklagten und Johann S***** im Frühjahr 1960 habe der Kläger verlangt, dass der neue Pachtvertrag auf etwa 17 Jahre (bis zur Erreichung des Pensionsalters durch den Kläger) abgeschlossen, der Pachtzins von 2.000 auf 1.500 S monatlich herabgesetzt, ihm zu den bisherigen Räumen noch eine Wohnung im ersten Stock sowie ein Burschenzimmer überlassen und die Benützung des Gartens und des Wäscheplatzes geregelt werde sowie schließlich, dass der Beklagte umfangreichen baulichen Veränderungen zustimme, wofür der Kläger Aufwendungen bis zur Höhe von 300.000 S ohne Ersatz durchführen lassen werde. Da der Beklagte gegen diese Wünsche mehrfache Einwendungen erhob, sei es weder bei dieser Besprechung noch bei einer späteren zu einer Einigung gekommen. Die Streitteile seien damit auseinandergegangen, dass jeder von seinem Rechtsfreund einen Vertragsentwurf ausarbeiten lassen solle und dass man sich dann schon einigen werde. Wenige Tage später habe der Kläger mit den Bauarbeiten am Pachtobjekt begonnen. Der Beklagte habe dagegen keinen Einspruch erhoben, da er annahm, der Kläger habe seine Vertragsbedingungen akzeptiert. Auf wiederholte Fragen des Beklagten nach dem Vertragsentwurf habe der Kläger geantwortet, er müsse erst seinen Anwalt aufsuchen. Schließlich habe er durch den Klagevertreter einen Entwurf ausfertigen lassen, der seinen Wünschen entsprach, habe diesen aber niemals dem Beklagten überreicht. Dessen ungeachtet habe er die Arbeiten fortgeführt und noch vor Ablauf seiner ursprünglichen Pachtdauer vollendet.

Hingegen habe der Beklagte, da er vom Kläger keinen Entwurf erhielt, durch seinen Vertreter Dr. H***** einen solchen in seinem Sinne ausarbeiten und dem Kläger mit Brief vom 29. 6. 1960 zumitteln lassen. Darin sei eine Pachtdauer von fünf Jahren, ein Pachtzins von 1.500 S monatlich sowie eine Investitionsablöse von 10 % für jedes Jahr, das das Pachtverhältnis weniger als zehn Jahre dauern sollte, vorgesehen gewesen. Eine Verpachtung weiterer Räume sowie eine Regelung der Benützung des Gartens und des Wäscheplatzes sei abgelehnt worden.

Am 30. 6. 1960 sei dem Kläger die auf Grund des alten Pachtvertrages erliegende Kaution zurückgestellt worden. Als der Kläger am folgenden Tag an Leopoldine S*****, die Schwester des Beklagten, den herabgesetzten Pachtzins von 1.500 S bezahlte und diese beim Beklagten rückfragte, habe dieser die Richtigkeit des Vorganges bestätigt, da er ja auch in seinem Vertragsentwurf diesen Zins vorgeschlagen hatte.

Als der Kläger dann den Brief des Beklagten erhielt, habe er gegenüber Johann S***** dagegen protestiert, dass die darin enthaltenen Bedingungen nicht den Vereinbarungen entsprechen. Obwohl Johann S***** dem Kläger mitteilte, er müsse sich an den Beklagten wenden, da dieser Alleineigentümer der Liegenschaft sei, habe der Kläger dies nicht getan, sondern beschlossen, sich um eine andere Pachtung umzusehen. Auf die Frage der Gattin des Beklagten habe der Kläger im August 1960 den Erhalt des Briefes bestätigt, aber nicht erwähnt, dass er wegziehen wolle. Als der Beklagte dies Anfang September 1960 von dritter Seite erfuhr, habe er durch seine Frau dem Kläger eine zehnjährige Pachtdauer vorschlagen lassen, doch habe dieser erwidert, er ziehe aus, da er bereits einen anderen Betrieb habe. Während der Beklagte und seine Frau auf Urlaub waren, habe der Kläger das Pachtobjekt um den 20. 9. 1960 herum geräumt und die Schlüssel dem Johann S***** übergeben. Wegen seiner Investitionen habe er in der Folge nichts unternommen, sondern sogar seinem Anwalt, der sie einklagen wollte, erklärt, die Sache werde ohne Prozess abgehen. Erst am 21. 8. 1961 habe er die vorliegende Klage eingebracht.

Bei diesem Sachverhalt könne weder ein ausdrücklicher noch ein stillschweigender Abschluss eines neuen Pachtvertrages angenommen werden. Daher stehe dem Kläger auch kein Schadenersatzanspruch nach §§ 918 ff ABGB zu. Der Beklagte habe den Kläger auch nicht listig in Irrtum geführt, sondern der Kläger habe trotz ungeklärter Rechtslage mit den Investitionen begonnen und trotzdem wiederholten Verlangen des Beklagten keinen die Rechtslage klärenden Vertragsentwurf beigebracht. Das Recht auf Aufwandersatz müsse nach § 1097 ABGB binnen sechs Monaten nach Auflösung des Bestandverhältnisses geltend gemacht werden. Da der Kläger das Objekt am 20. 9. 1960 geräumt, die Klage aber erst am 21. 8. 1961 eingebracht habe, sei die Frist versäumt. Schließlich stehe dem Kläger auch kein Anspruch nach den §§ 1431 ff ABGB zu, da keiner der dort geregelten Tatbestände vorliege. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es erachtete zwar die Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung und der darauf gegründeten Feststellungen als unberechtigt, war aber in rechtlicher Beziehung der Meinung, § 1097 ABGB stelle eine die allgemeinen Verjährungsvorschriften einschränkende Ausnahmsbestimmung dar, die nicht ausdehnend ausgelegt werden dürfe. Sie sei daher nur auf Forderungen anzuwenden, die auf Grund eines Bestandverhältnisses, nicht aber auf solche, die, wie hier - wenn auch während der Dauer des alten Bestandverhältnisses - in der Meinung oder Erwartung eines neuen Bestandverhältnisses entstanden sind. Die Ansprüche des Klägers seien nicht solche aus einem Bestandverhältnis und daher nicht solche nach § 1097, sondern nach § 1431 ABGB, deren Höhe im weiteren Verfahren auf Grund der §§ 1037 und 1041 ABGB festzustellen sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten, dem keine Berechtigung zukommt.

§ 1097 ABGB bestimmt, dass der Bestandnehmer verpflichtet ist, den Bestandgeber unverzüglich von der Notwendigkeit, dem Bestandgeber obliegende Ausbesserungen am Bestandobjekt vorzunehmen, zu verständigen. Macht er einen solchen Aufwand oder auch einen solchen, der zwar dem Bestandgeber nicht obliegt, aber ihm nützlich ist, selbst, so kann er wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag nach den §§ 1036 und 1037 ABGB Ersatz verlangen; dies aber nur binnen sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandobjektes.

Aus dieser Textierung geht hervor, dass sich § 1097 ABGB nur auf solche notwendige Aufwendungen bezieht, die dem Bestandgeber nach § 1096 ABGB auf Grund des abgeschlossenen Bestandvertrages obliegen, oder auf solche für den Bestandgeber nützliche Aufwendungen, die vom Bestandnehmer im Rahmen dieses Bestandverhältnisses vorgenommen werden. Nur für die Geltendmachung derartiger Aufwendungen gilt daher die sechsmonatige Frist.

Um solche Aufwendungen handelt es sich aber im vorliegenden Fall nicht. Die Aufwendungen, die der Kläger bis zu einem Betrag von 300.000 S durchführen sollte und auch zum Teil durchgeführt hat, geschahen im Hinblick auf den von beiden Seiten ins Auge gefassten Abschluss eines neuen Pachtvertrages. Sie wurden auch knapp vor Ablauf des alten Bestandverhältnisses vorgenommen, also in einem Zeitpunkt, wo sie für das zu Ende gehende Pachtverhältnis so gut wie keinen Verwendungszweck mehr hatten. Auch der Beklagte widersprach ihnen nur deshalb nicht, weil er annahm, der Kläger habe sich seinen Bedingungen für das künftige Pachtverhältnis unterworfen. Wie der Oberste Gerichtshof schon in einem ähnlich gelagerten Fall (3 Ob 24/58) ausgesprochen hat, kommt auf derartige Aufwendungen, die zwar während eines Bestandverhältnisses, aber nicht im Hinblick auf dieses, sondern auf künftige Rechtsverhältnisse (dort handelte es sich um die beabsichtigte Erwerbung des Grundstückes) vorgenommen werden, nicht § 1097 ABGB mit seiner Befristung zur Anwendung, sondern der Ersatz kann letztlich nach der subsidiären Bestimmung des § 1041 ABGB gefordert werden.

Soweit sich der Beklagte in seinem Rekurs auf die Ausführungen Klangs im Kommentar, 2. Auflg., 5. Bd., S 50, bezieht, ist ihm zu erwidern, dass eine Notwendigkeit zur beschleunigten Klarstellung nur hinsichtlich der Ersatzansprüche aus dem Bestandverhältnis, nicht aber hinsichtlich sonstiger Ansprüche zwischen den Parteien aus ihren Verhandlungen wegen des Abschlusses eines neuen Pachtverhältnisses besteht. Es kann auch nicht gesagt werden, dass ein vertragstreuer Bestandnehmer dadurch, dass seine Ansprüche nach § 1097 ABGB befristet sind, zu Unrecht schlechter gestellt wäre als der Kläger, der sich einen Vertragsinhalt erzwingen wollte. Diese Besserstellung ist dadurch begründet, dass sich der Beklagte mit dem Kläger in Verhandlungen über ein künftiges Pachtverhältnis eingelassen und den von ihm wahrgenommenen Arbeiten nicht widersprochen hat. Mit Recht wendet sich allerdings der Rekurswerber gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Klagsanspruch sei nach § 1431 ABGB begründet. Die Anwendung dieser Gesetzesstelle würde einen Irrtum des Klägers voraussetzen, den jedoch das Erstgericht nicht als erwiesen angenommen hat.

Auf den weiteren Rekurseinwand, der Beklagte wäre nach den Vorbesprechungen der Streitteile zur Abstattung der Aufwendungen des Klägers nur nach einem bestimmten Amortisationsschlüssel verpflichtet gewesen, wird allenfalls im fortgesetzten Verfahren Bedacht zu nehmen sein.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E84900 5Ob174.62

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1962:0050OB00174.62.0712.000

Dokumentnummer

JJT_19620712_OGH0002_0050OB00174_6200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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