Norm
ABGB §1425Kopf
SZ 35/84
Spruch
Der Schuldner, der seine Schuld wegen Vorhandenseins mehrerer Forderungsprätendenten zu Gericht erlegt, kann von keinem der Prätendenten auf Zustimmung zur Ausfolgung des Gerichtserlages belangt werden.
Entscheidung vom 4. September 1962, 8 Ob 215/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Floridsdorf; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Rosina M. verpachtete die in ihrem Haus befindliche, als Witwenfortbetrieb geführte Gastwirtschaft an die Eheleute P. (an die Erstbeklagte und deren inzwischen verstorbenen Gatten) für die Zeit vom 1. Dezember 1953 bis 30. November 1963. Die Pächter hatten außer dem Pachtschilling für die Konzession und das Inventar für die übrigen Pachtobjekte den angemessenen, mit 200 S monatlich, zuzüglich Nebengebühren, vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Am 5. Juni 1957 verkaufte Rosina M. dem Kläger mit dem vor dem öffentlichen Notar Dr. H. errichteten Notariatsakt Beilage A das Haus samt Garten gegen die im Notariatsakt im einzelnen näher angeführten Gegenleistungen. Rosina M. bedang sich unter anderem das lebenslängliche Wohnungsrecht an der bisher von ihr dort benützten
Wohnung und das "unentgeltliche Benützungsrecht an der Gastwirtschaft" aus. Das "Wohnungsrecht" sollte ihr nur höchstpersönlich zustehen und mit ihrem Tod erlöschen. Nach Ablauf des mit den Eheleuten P. geschlossenen Pachtvertrages sollte der Kläger berechtigt sein, selbst oder durch eine von ihm namhaft gemachte Person die Gastwirtschaft zu pachten. Rosina M. verstarb am 16. August 1961. Nach ihrem Tod bezahlte die Erstbeklagte den Mietzins für die Gasträumlichkeiten an den Kläger. Auf den Pachtschilling erhoben sowohl der Kläger als auch der Zweitbeklagte - der Erbe nach Rosina M. - Anspruch. Darauf hinterlegte die Erstbeklagte gemäß § 1425 ABGB. den Pachtschilling für die Monate Oktober 1961 bis einschließlich Jänner 1962 in der Höhe von insgesamt 3536 S zugunsten beider Gläubiger zu 2 Nc 325/61 des Bezirksgerichtes Floridsdorf.
In der am 27. Dezember 1961 erhobenen Klage führte der Kläger aus, daß vereinbarungsgemäß die der Verstorbenen eingeräumten unentgeltlichen Benutzungsrechte an der Gastwirtschaft mit ihrem Tod erloschen seien, so daß der von der Erstbeklagten zu bezahlende Pachtschilling ihm allein zustehe. Er beantragte daher, die beiden Beklagten schuldig zu erkennen, in die Ausfolgung des Gerichtserlages einzuwilligen. Zum Nachweis darüber, daß er nach der Vertragsabsicht in sämtliche Rechte seiner Vorgängerin nach deren Tod einzutreten habe, berief er sich auf die Zeugen Notar Dr. M. und
L.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im Pachtvertrag werde ausdrücklich zwischen der Verpachtung der Konzession und des Inventars einerseits und der Überlassung der Räumlichkeiten andererseits unterschieden. Der Pachtzins sei in ein Entgelt für die Konzession und das Inventar und in einen Mietzins für die Räumlichkeiten untergeteilt. Die Konzession der M. sei mit ihrem Tod erloschen. Der Kläger könne daher aus der Konzessionsüberlassung keine Rechte ableiten, so daß es der Durchführung von Beweisen darüber, ob der Kläger nach dem Willen der Vertragspartner in sämtliche Rechte seiner Vorgängerin nach deren Tod eintreten sollte, nicht bedurft habe. Für das Inventar könne der Kläger kein Entgelt beanspruchen, weil er nicht behauptet habe, dessen Eigentümer geworden zu sein. Abgesehen davon, habe der von der Erstbeklagten vorgenommene Gerichtserlag schuldtilgende Wirkung, so daß sie zu einer gesonderten Zustimmung zur Ausfolgung des hinterlegten Betrages gegenüber dem Kläger nicht mehr verpflichtet sei.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Das erstgerichtliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht es unterlassen habe, die von den Streitteilen über die Frage, ob der Kläger nach der Absicht der Vertragsparteien in sämtliche Rechte seiner Vorgängerin nach deren Tod eingetreten sei, beantragten Beweide durchzuführen. Aus dem Notariatsakt Beilage A gehe nicht das Gegenteil hervor, zumal die Vereinbarung, daß der Kläger die Gastwirtschaft pachten könne, sinnvoll sei, weil ja der Verkäuferin ein lebenslängliches Benutzungsrecht an der Gastwirtschaft eingeräumt worden sei. Es sei denkbar, daß der Kläger das Unternehmen mit gekauft habe, trotzdem aber bis zum Tod der Verkäuferin Pächter sei. Habe sich der Verkäufer einer Liegenschaft das auf ihr befindliche Unternehmen nicht ausdrücklich vorbehalten, so müsse es als vom Kaufvertrag mit umfaßt angesehen werden. Zumindest müsse das Vorbringen des Klägers dahin verstanden werden, daß ihm die Verkäuferin ihre Rechte aus der Verpachtung abgetreten habe. Bei dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens könne noch nicht über die mangelnde Berechtigung der Klage gegen die Erstbeklagte abgesprochen werden, weil der Erlag dem Gläubiger nur dann ausgefolgt werden könnte, wenn der Erleger und alle, zu deren Gunsten erlegt worden sei, der Ausfolgung zugestimmt hätten oder wenn ein Begünstigter gegen alle anderen ein Urteil erwirkt habe.
Der Oberste Gerichtshof ab dem Rekurs der Erstbeklagten Folge, hob hinsichtlich der Erstbeklagten den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug hinsichtlich der Erstbeklagten dem Berufungsgericht neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Erstbeklagte war gemäß § 1425 ABGB. berechtigt, den Pachtschilling bei Gericht zu hinterlegen, weil sowohl der Kläger als auch der Zweitbeklagte hierauf Anspruch erhoben, ohne daß die Erstbeklagte erkennen konnte, wer zum Empfang des Geldes berechtigt ist (SZ. XXVII 59). Hinterlegt der Schuldner seine Schuld zugunsten mehrerer Prätendenten zu Gericht, dann wird der Erlag nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes einem Erlagsgegner dann ausgefolgt, wenn alle anderen Erlagsgegner der Ausfolgung zustimmen oder der die Ausfolgung begehrende Erlagsgegner die mangelnde Zustimmung der anderen Erlagsgegner durch Vorlage einer rechtskräftigen Entscheidung ersetzt (ZBl. 1933 Nr. 149, EvBl. 1955 Nr. 181, 6 Ob 262/59). Einer besonderen Zustimmung des Erlegers zur Ausfolgung bedarf es in solchen Fällen nicht, weil der Erleger ohnehin zugunsten der mehreren Prätendenten erlegt und damit sein Einverständnis zur Ausfolgung kundgegeben bat. Wäre die Ansicht des Berufungsgerichtes richtig, wäre der Erleger trotz des Erlages zugunsten der mehreren Prätendenten der Gefahr ausgesetzt, von jedem Prätendenten auf Zustimmung zur Ausfolgung des Erlages geklagt zu werden.
Da die Erstbeklagte nach den Feststellungen der Untergerichte den Pachtschilling für die Monate Oktober 1961 bis einschließlich Jänner 1962 zugunsten des Klägers und des Zweitbeklagten wegen der ungeklärten Rechtslage bei Gericht hinterlegt hat, fehlt dem Kläger jegliches Rechtsschutzinteresse an einer gegen die Erstbeklagte gerichteten Klage auf Zustimmung zur Ausfolgung des Gerichtserlages. Die Erstbeklagte konnte daher mit Recht das sohin unbegrundete Verlangen des Klägers auf abgesonderte Zustimmung zur Ausfolgung des Gerichtserlages ablehnen.
Wird von diesen rechtlichen Erwägungen ausgegangen, dann ist die Rechtssache hinsichtlich der Erstbeklagten im Sinne der Bestätigung des erstgerichtlichen Urteils spruchreif. Es mußte daher in Stattgebung des Rekurses der Erstbeklagten der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen werden.
Anmerkung
Z35084Schlagworte
Gerichtserlag, Zustimmung zur AusfolgungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1962:0080OB00215.62.0904.000Dokumentnummer
JJT_19620904_OGH0002_0080OB00215_6200000_000