Norm
Ehegesetz §31Kopf
SZ 35/95
Spruch
Die Aufnahme eines Schuldausspruches in das die Nichtigkeit der Ehe aussprechende Urteil ist jedenfalls dann zulässig, wenn ein solcher Ausspruch von den Parteien ausdrücklich begehrt wird.
Entscheidung vom 25. September 1962, 8 Ob 244/62.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Erstrichter erkannte zu Recht, daß die von den Parteien am 12. April 1950 geschlossene Ehe nichtig sei. Gleichzeitig sprach er aus, daß das Verschulden an der Nichtigkeit beide Parteien treffe. Er stellte fest: Im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Ehe habe die vom Kläger am 6. Februar 1934 mit Anna M. geschlossene Ehe noch aufrecht bestanden. Der Kläger habe wohl der Beklagten vor Abschluß der Ehe mitgeteilt, daß er bereits einmal verheiratet gewesen sei. Er habe aber hinzugefügt, daß er geschieden sei. Letzteres habe nicht den Tatsachen entsprochen. Beide Parteien hätten anläßlich der Bestellung des Aufgebotes und des Antrages auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses wahrheitswidrig angegeben, daß der Kläger ledig sei. Darauf sei es zurückzuführen, daß ein Nachweis der Scheidung der ersten Ehe des Klägers nicht verlangt worden sei. Der Erstrichter war der Ansicht, daß aus diesem Gründe beide Parteien ein Verschulden am Zustandekommen der nichtigen Ehe treffe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und hob das Urteil der ersten Instanz unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es hielt Erörterungen und Feststellungen darüber für erforderlich, ob der Kläger oder die Beklagte oder beide Parteien davon Kenntnis hatten, daß bei Eingehung der Ehe die erste Ehe des Klägers noch aufrecht war.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Frage, ob das Urteil, mit dem die Nichtigkeit der Ehe ausgesprochen wird, einen Ausspruch über das Verschulden enthalten kann, wird von Köstler (Eherecht[4] 27, 57, Ehevorschriften, 139, 143), Wolff (Grundriß des österr. Zivilprozeßrechtes, 341 f.), Volkmar (Eherecht, 521 f.) ohne nähere Begründung bejaht. Schwind (Komm. zum EheG., 310) und Novak (Die Amtswegigkeit im österreichischen Eheverfahren, 98 f.) vertreten dagegen in Übereinstimmung mit RG. 163 Nr. 56 S. 337 f. die Auffassung, daß § 11 der Verordnung vom 9. Dezember 1897, RGBl. Nr. 283, betreffend das Verfahren in streitigen Eheangelegenheiten, durch § 128 EheG. inhaltlich aufgehoben worden sei. Für den inländischen Rechtsbereich muß aber die Aufnahme eines Schuldausspruches in das die Nichtigkeit der Ehe aussprechende Urteil jedenfalls dann als zulässig angesehen werden, wenn wie im vorliegenden Falle ein solcher Ausspruch von den Parteien ausdrücklich begehrt wird. Daraus, daß das Ehegesetz für den Fall der Nichtigkeit der Ehe, anders als für den Fall der Scheidung der Ehe, keine Bestimmungen über den Schuldausspruch enthält und daß nunmehr auch im Scheidungsverfahren ein Schuldausspruch nicht mehr in allen Fällen vorgeschrieben ist, folgt nicht zwingend, daß § 11 der Vdg. vom 9. Dezember 1897, RGBl. Nr. 238, der den Ausspruch des Verschuldens im Falle der Ungültigkeit (nunmehr Nichtigkeit) der Ehe vorsieht, auch nicht mehr sinngemäß angewendet werden kann, dies um so weniger, als im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 30, 31 EheG., 16 der 1. DVzEheG. die Klärung der Frage, ob beide Ehegatten oder einer von ihnen zur Zeit der Eheschließung die Nichtigkeit der Ehe kannten, in bestimmten Angelegenheiten erforderlich ist. Es ist daher nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber, der für den österreichischen Rechtsbereich durch § 108 EheG. die sinngemäße Weitergeltung der bisherigen Verfahrensvorschriften ausdrücklich anordnete, hinsichtlich der Bestimmung über die Aufnahme eines Schuldausspruches in das die Ungültigkeit (nunmehr Nichtigkeit) der Ehe aussprechende Urteil eine Ausnahme machen wollte. Würde die Aufnahme eines Schuldausspruches in das Urteil in solchen Fällen abgelehnt, müßte im Verfahren wegen Geltendmachung der hier in Betracht kommenden, daraus entspringenden Rechte stets das Vorliegen der Kenntnis der Nichtigkeit der Ehe erneut erwiesen werden (vgl. Schwind in Klang[2] I, S. 640; OLG. Stuttgart, 30. September 1954, NJW. 1955 S. 1360), was zwangsläufig mit einem mehrfachen prozessualen Aufwand und der Gefahr verschiedener einander widersprechender Verfahrensergebnisse verbunden wäre.
Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß es, um die Verschuldensfrage beurteilen zu können, der Feststellung bedarf, ob beide Parteien oder eine von ihnen bei Eingehung der Ehe davon Kenntnis hatten, daß die erste Ehe des Klägers noch aufrecht war. Der Meinung des Klägers, es reiche aus, daß die Beklagte es in Kauf genommen habe, daß diese Ehe noch aufrecht gewesen sei, und daß ihr klar habe sein müssen, daß in diesem Fall die gegenständliche Ehe eine unzulässige Doppelehe sei, kann nicht gefolgt werden. Das Kennenmüssen ist in diesem Falle dem Kennen nicht gleichgestellt (vgl. Schwind, a. a. O., S. 638).
Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z35095Schlagworte
Ehenichtigkeit, Schuldausspruch, Nichtigerklärung einer Ehe, Schuldausspruch, Schuldausspruch in einem EhenichtigkeitsurteilEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1962:0080OB00244.62.0925.000Dokumentnummer
JJT_19620925_OGH0002_0080OB00244_6200000_000