Norm
Gerichtsorganisationsgesetz §85Kopf
SZ 35/122
Spruch
Die Wertgrenze des § 528 ZPO. ist auf Revisionsrekurse, betreffend Ordnungsstrafen, nicht anzuwenden.
Mit einer Ordnungsstrafe kann auch vorgegangen werden, wenn ausfällige Äußerungen auf Mangel an Überlegung zurückzuführen sind.
Entscheidung vom 27. November 1962, 8 Ob 345/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Mariazell; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Das Erstgericht verhängte über den Kläger gemäß § 86 (1) ZPO. eine Ordnungsstrafe von 250 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit von 5 Tagen Arrest, weil der Kläger in seiner Eingabe vom 24. Mai 1962 durch beleidigende Ausfälle in der Kritik des Gutachtens die dem Gerichte schuldige Achtung verletzt habe, indem er das Sachverständigengutachten als "Schandgutachten" mehrmals bezeichnet und geschrieben habe, der Kläger sei "kein Freiwild und lasse sich durch ein falsches Gutachten nicht abwürgen", und weil er in dem an den Sachverständigen gerichteten Schreiben vom 26. April 1962 diesen unter Bezugnahme auf sein Gutachten wiederholt gröblichst beleidigt habe.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstrichters dahin ab, daß es die Ordnungsstrafe mit 50 S bemaß. Die Verhängung der Ordnungsstrafe sei zwar nach § 86 (1) ZPO. gerechtfertigt gewesen. Mit Rücksicht auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers, der lediglich eine Fürsorgerente von 550 S monatlich beziehe, sei aber nur eine Ordnungsstrafe von 50 S schuldangemessen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil die Wertgrenze des § 528 ZPO. nicht auf Revisionsrekurse, betreffend Ordnungsstrafen, angewendet werden kann. Denn Gegenstand der Rechtsmittelrüge ist in diesen Fällen nicht die Strafe als Geldwert, sondern die Bestrafung als solche (vgl. JBl. 1959, S. 239 = EvBl. 1959, Nr. 60 u. a., ferner Fasching in seinem Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II, zu § 86 ZPO., unter Anmerkung 7. S. 563).
Das Rechtsmittel ist aber nicht begrundet.
Weder ein mangelhaftes noch ein sachlich unrichtiges Gutachten berechtigen eine Partei, in ihrer Kritik gegenüber dem Sachverständigen ausfällig zu werden. Der Prozeß soll von störenden Einflüssen jeder Art, wozu auch beleidigende Ausfälle gegen Sachverständige, Zeugen und Gericht gehören, freigehalten werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Gericht die Möglichkeit, Ordnungsstrafen zu verhängen. Die Partei muß zu den Prozeßergebnissen sachlich Stellung nehmen und darf sich nicht zu beleidigenden Äußerungen hinreißen lassen. Der Kläger kann daher sein Verhalten nicht damit entschuldigen, daß er infolge seiner persönlichen Einstellung zu dem gegenständlichen Rechtsstreit nicht in der Lage sei, die Sache objektiv und ohne Erregung zu betrachten, und daß daher seine Ausdrucksweise von ihm nicht verschuldet sei. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in einer unveröffentlichten Entscheidung (1 Ob 586/51) ausgesprochen hat, kann mit Ordnungsstrafen auch vorgegangen werden, wenn die ausfälligen Äußerungen eines am Prozesse Beteiligten auf Mangel an Überlegung zurückzuführen sind. Daß der Kläger seine Äußerungen als Ausfälligkeiten gegenüber dem Sachverständigen nicht erkennen konnte, ist seinem Verhalten im Prozesse jedenfalls nicht zu entnehmen.
Anmerkung
Z35122Schlagworte
Ordnungsstrafe, Revisionsrekurs, unüberlegte Äußerungen, Revisionsrekurs, Ordnungsstrafe, Wertgrenze des § 528 ZPO., Revisionsrekurs betreffend OrdnungsstrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1962:0080OB00345.62.1127.000Dokumentnummer
JJT_19621127_OGH0002_0080OB00345_6200000_000