Norm
ABGB §1428Kopf
SZ 35/134
Spruch
Wird der ursprüngliche Wechsel bei Hingabe des Erneuerungswechsels nicht zurückgegeben, so gilt der Verlängerungswechsel im Zweifel nur zahlungshalber gegeben. Der Schuldner braucht nur gegen Aushändigung beider Wechsel zu zahlen.
Ein Wechselzahlungsauftrag kann auch mit Einschränkungen und Änderungen aufrechterhalten werden.
Entscheidung vom 18. Dezember 1962, 4 Ob 527/62.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der derzeitige Geschäftsführer der klagenden Partei D. Sch. und der Beklagte kamen im Februar 1962 überein, die Abstattung einer vom Beklagten anerkannten Schuld zu regeln. Darauf kam der Beklagte am 27. Februar 1962 zur klagenden Partei, in deren Geschäftsräumen er den von Sch. ausgestellten Wechsel, lautend auf 71.675.80 S, fällig gestellt für den 27. Mai 1962, annahm, ohne daß im Zuge der Ausstellung und Annahme dieses Wechsels auf etwa bereits im Besitze der klagenden Partei befindliche Teilakzepte des Beklagten über dieselbe Schuld etwas erwähnt und ohne daß bezüglich deren Rückstellung an den Beklagten irgendeine Bedingung vereinbart worden wäre. Erst im März 1962 erkundigte sich der Beklagte bei Sch., wo die von ihm ausgestellten Teilwechsel seien und wann er diese zurückbekomme, ohne in der Folge deren Rückgabe zu erreichen. Auf die Wechselschuld hat der Beklagte bisher nichts bezahlt.
Gegen den auf Grund dieses Wechsels vom Erstgericht erlassenen Wechselzahlungsauftrag hat der Beklagte Einwendungen erhoben. Er brachte darin vor, der Wechsel sei von ihm unter der ausdrücklichen Bedingung an die klagende Partei übergeben worden, daß die in deren Händen befindlichen Teilakzepte für dieselbe Schuld zurückgegeben werden. Der Wechsel sei lediglich als Ersatz für die Teilwechsel, deren, Wechselsummen zusammengerechnet abzüglich einer Zahlung von 10.000 S die Klagesumme ergeben, anzusehen. Da die Rückstellung der Teilwechsel an den Beklagten bisher nicht erfolgt sei, widerspreche das Begehren der klagenden Partei den Grundsätzen von Treu und Glauben, so daß der erlassene Wechselzahlungsauftrag aufzuheben sei.
Die klagende Partei brachte demgegenüber vor, daß der Beklagte den Wechsel ohne Bezugnahme auf irgendwelche frühere Wechsel angenommen habe.
Das Erstgericht hat den Wechselzahlungsauftrag vom 13. Juni 1962 für rechtswirksam erklärt und den Beklagten dementsprechend zur Zahlung verurteilt. Es hat die Ansicht vertreten, der Beklagte müsse die Wechselforderung auch dann begleichen, wenn er für dieselbe Schuld früher andere Wechsel übergeben habe, ohne die Bezahlung der Wechselschuld von der Rückgabe dieser letzteren Wechsel abhängig machen zu können, es sei denn, daß bei der Ausstellung des Wechsels eine ausdrückliche Bedingung in dieser Hinsicht vereinbart worden wäre. Dies sei nicht erwiesen.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es begrundete diese Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Dem Erstgericht sei zwar zuzustimmen, daß ein allgemeiner Rechtssatz des Inhaltes, ein Wechsel dürfe nur dann geltend gemacht werden, wenn die über dieselbe Schuld vorher ausgestellten Wechsel zurückgegeben werden, nicht bestehe. Trotzdem besitze auch im Wechselrecht der Grundsatz von Treu und Glauben Geltung. Nach diesem Grundsatz könne der Beklagte von der Klägerin dann die Rückstellung der für dieselbe Schuld hingegebenen Teilakzepte Zug um Zug gegen Bezahlung der Wechselschuld verlangen, wenn er derartige Akzepte mit der Abrede ihrer Rückstellung hingegeben, es sich bei dem Wechsel vom 27. Februar 1962 also um einen Prolongationswechsel gehandelt habe. Eine derartige Behauptung sei den Einwendungen des Beklagten zu entnehmen. Eine Rückstellung der früheren Wechsel könne auch schon lange vor Ausstellung des gegenständlichen Wechsels vereinbart worden sein. Bestehe eine solche Vereinbarung, so müsse dem Beklagten das Recht zustehen, die für die klagende Partei zwecklos gewordenen Teilwechsel zurückzuverlangen. Das Erstgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vom Beklagten vorgebrachte Vereinbarung über den Ersatz der Teilakzepte zum Zweck der Verlängerung durch andere Akzepte und über die Rückstellung der alten Akzepte tatsächlich zustande gekommen sei und ob überhaupt Teilwechsel vom Beklagten an die klagende Partei über dieselbe Schuld übergeben worden und welche davon noch in Händen der klagenden Partei seien. Dadurch sei das Verfahren mangelhaft geblieben, weil nicht beurteilt werden könne, ob und inwieweit die Zahlung der fälligen Wechselschuld nur Zug um Zug gegen Rückstellung der vom Beklagten an die klagende Partei übergebenen Teilakzepte, soweit sich diese noch in ihren Händen befinden, zu erfolgen habe. Auch wenn der Beklagte nur die Aufhebung des Wechselzahlungsauftrages beantragt habe, sei doch auch eine Einschränkung möglich, da es sich hier nicht um ein aliud, sondern um ein minus handeln würde.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die klagende Partei führt aus: Das Erstgericht habe keine Veranlassung, auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse noch zu überprüfen, welche Vereinbarungen vor Ausstellung des Wechsels bestanden haben. Die Frage, ob frühere Wechsel vom Beklagten an die klagende Partei gegeben worden seien, sei gegenstandslos. Der Beklagte müsse sich als Kaufmann über die Rechtsfolgen eines Akzeptes im klaren sein. Eine Modifizierung des Klagebegehrens sei im Wechselprozeß nicht möglich. Es sei nur zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch aus dem Wechsel abgeleitet werden könne; nicht sei dem Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, die Bezahlung der fälligen Wechselschuld von der Rückgabe von Teilakzepten abhängig zu machen.
Die klagende Partei verkennt Sinn und Zweck eines Prolongationswechsels. Die Entgegennahme eines Verlängerungswechsels verpflichtet den Gläubiger, den ersten Wechsel zurückzugeben oder, wenn dieser nicht mehr in seinem Besitz ist, für seine Einlösung zu sorgen, damit der Schuldner nicht doppelt in Anspruch genommen wird. Durch Diskontierung des Verlängerungswechsels soll sich der Gläubiger regelmäßig die Mittel zur Einlösung des ursprünglichen Wechsels beschaffen. Wird der ursprüngliche Wechsel bei Hingabe des Erneuerungswechsels nicht zurückgegeben, so gilt der Verlängerungswechsel im Zweifel nur zahlungshalber gegeben. Es bestehen zwei Wechselschulden, von denen die aus dem ersten Wechsel gestundet ist. Der Schuldner braucht nur gegen Aushändigung beider Wechsel zu zahlen. Diese Auffassung entspricht allgemein der Rechtslehre und Rechtsprechung, ohne daß dabei auf die Grundsätze von Treu und Glauben zurückgegriffen werden müßte. Sie folgt aus der Bestimmung des Art. 39 WG., daß der Bezogene vom Inhaber gegen Zahlung die Aushändigung des quittierten Wechsels verlangen kann, und aus der allgemeinen Bestimmung des § 1428 ABGB., daß der Gläubiger Schuldscheine zurückzugeben hat (Stranz, Wechselgesetz[14], Art. 17, Anm. 47a und b; Baumbach - Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz[7], Art. 17, Anm. 53, 55; Hueck, Recht der Wertpapiere[7], S. 64; Naegeli, Die Wechselprolongation, 1956, S. 194; E. 7. Mai 1867, Krall. 13 = GH. 1867, 237;, 20. Oktober 1867, Krall. 37 = GH. 1868, S. 67; 1. Juli 1875, Czel. 94 = GH. 1876, 452; 18. März 1908, Czel. 912 = Links 10088 = Nowak n. F. 1168; RG. 30. Mai 1923, RGZ. Band 107 S. 34, 35; BGH. 14. Jänner 1953, DRSp. II (224) 48a = NJW. 1953, 457 = BGHZ. Band 8. 276).
Die Verpflichtung des Gläubigers, bei Zahlung des Schuldners sämtliche für diese Schuld erhaltenen Wechsel zurückzustellen, ist so eindeutig, daß eine Vereinbarung in diesem Sinn nicht erst besonders bewiesen werden muß. Nur wenn etwas Gegenteiliges vereinbart worden wäre, müßte es, und zwar in diesem Fall, der Kläger beweisen. Eine gegenteilige Vereinbarung wurde aber im Verfahren nicht behauptet. Zur Klarstellung, ob eine Prolongationsvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen wurde, bedurfte es demnach keiner Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils. Dagegen ist das erstgerichtliche Verfahren in der Richtung ergänzungsbedürftig, ob der Beklagte überhaupt Teilwechsel für dieselbe Schuld an die klagende Partei gegeben hat und um welche Wechsel es sich dabei handelt. Hierüber hat das Erstgericht keine Feststellungen getroffen. Eine solche Feststellung ist aber erforderlich, um beurteilen zu können, ob und inwiefern eine Prolongation vorliegt. Nicht notwendig ist dagegen wieder eine Feststellung in der Richtung, welche der etwaigen früheren Akzepte noch in Händen der klagenden Partei sind. Wie sich aus den oben dargelegten rechtlichen Erwägungen ergibt, hat der Prolongationswechsel ja den Zweck, dem Gläubiger die Einlösung der früheren Wechsel zu ermöglichen. Das erstgerichtliche Verfahren ist daher nur in der Richtung ergänzungsbedürftig, ob es sich bei dem gegenständlichen Wechsel um einen Prolongationswechsel handelt und welche Wechsel durch diesen Wechsel prolongiert werden sollten.
Ein Wechselzahlungsauftrag kann auch mit Einschränkungen und Änderungen aufrechterhalten werden, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (E. 9. September 1936, Rspr. 1936 Nr. 309; 21. Oktober 1932, Rspr. 1933 Nr. 13; GH. 1876, 452 u. a.). Auch in dieser Hinsicht ist also die gegenteilige Ansicht der klagenden Partei nicht zu billigen. Zu der Frage, ob der Beklagte eine Prolongation auch eingewendet hat, kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden. Der Beklagte erwähnt in den Einwendungen mehrfach, daß er den gegenständlichen Wechsel als "Ersatz" für früher hingegebene Wechsel für die gleiche Schuld unterfertigt habe. Schließlich ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, daß durch die Aufrechterhaltung eines Wechselzahlungsauftrages unter Einschränkungen nicht das Parteibegehren überschritten wird.
Anmerkung
Z35134Schlagworte
Prolongationswechsel, Wechselzahlungsauftrag, Einschränkungen und ÄnderungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1962:0040OB00527.62.1218.000Dokumentnummer
JJT_19621218_OGH0002_0040OB00527_6200000_000