TE OGH 1963/1/22 4Ob147/62

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Veröffentlicht am 22.01.1963
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Norm

Hausbesorgerordnung §12 (5)

Kopf

SZ 36/10

Spruch

Kettenverträge verstoßen bei Hausbesorgerdienstverträgen gegen die guten Sitten, wenn ausreichende Gründe für diese Rechtsgestaltung fehlen.

Entscheidung vom 22. Jänner 1963, 4 Ob 147/62.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die Kläger verlangen die Räumung der aus Zimmer und Küche bestehenden Hausbesorgerwohnung Nr. 3 im Hause Wien, XVIII., G.- Gasse Nr. 86 - 88, weil das befristete Hausbesorgerdienstverhältnis am 1. Juli 1962 abgelaufen und nicht verlängert worden sei.

Die Beklagte beantragt Abweisung des Räumungsbegehrens, weil es sich um einen unzulässigen Kettendienstvertrag gehandelt habe; die Kläger hätten schon vorher drei befristete Dienstverhältnisse mit der seit 1. März 1959 als Hausbesorgerin tätigen Beklagten abgeschlossen.

Das Erstgericht erkannte ohne Aufnahme von Beweisen gemäß dem Klagebegehren, indem es rechtlich - ohne dies allerdings ausreichend zu begrunden - Kettenverträge bei Hausbesorgerdienstverhältnissen für zulässig hielt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es das Räumungsbegehren abwies. In seinen Entscheidungsgründen führt es im wesentlichen aus:

Unbestritten ist, daß die Beklagte am 1. März 1959 im Haus der Kläger als Hausbesorgerin eingetreten ist, daß dieses Dienstverhältnis mit einem Jahr befristet und dann jeweils um ein Jahr verlängert wurde. Am 28. Februar 1962 wurde der Dienstvertrag zum letztenmal verlängert, und zwar um vier Monate; das Dienstverhältnis sollte am 1. Juli 1962 enden.

Mit Rücksicht auf die Außerstreitstellung erübrigen sich weitere Beweise. Auf Grund des so festgestellten Sachverhaltes war das Klagebegehren abzuweisen.

Die Rechtsansicht des Erstgerichtes kann nicht geteilt werden. Das Hausbesorgerdienstverhältnis ist ein Dienstverhältnis wie jedes andere, das allerdings einige im Gesetz angeführte Besonderheiten aufweist. So wird im § 12 (1) HBO. für die Befristung die Schriftlichkeit verlangt, ein Erfordernis, das erst durch die Novelle zugunsten des Hausbesorgers aufgestellt worden ist. Ansonsten kann aber der Hausbesorgerdienstvertrag wie jeder andere Dienstvertrag auf bestimmte und auch auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Wie jedes andere Dienstverhältnis kann auch das Hausbesorgerdienstverhältnis auf Probe abgeschlossen werden, jedoch - und dies ist wieder eine Besonderheit - nur für die Höchstdauer von drei Monaten. Diese von der üblichen Probezeit abweichende längere Probezeit wurde zweifellos deshalb statuiert, weil bei einem Hausbesorgerdienstverhältnis ein etwas längerer Zeitraum erforderlich ist, um verläßlich feststellen zu können, daß sich der Hausbesorger hiezu auch eignet. Die Hausbesorgerordnung statuiert im übrigen im § 12 (5) für den Hausbesorger während der außerordentlichen Wohnungsverhältnisse (daß diese auch heute noch bestehen, bedarf keiner weiteren Begründung) einen besonderen Kündigungsschutz dahin, daß er nur aus erheblichen Gründen gekundigt werden kann. Eine Umgehung des Kündigungsschutzes, sei es in welcher Form immer, ist unzulässig und daher unwirksam. Es sind daher auch sogenannte Kettenverträge, die zur Umgehung des gewährten Kündigungsschutzes geschlossen werden, als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen. Eine Befristung durch solche Verträge ist daher unwirksam und deshalb zur Lösung eines so befristeten Dienstverhältnisses eine Kündigung aus erheblichen Gründen erforderlich. Der Hausbesorger kann durch unzulässige Kettenverträge ebensowenig um seinen Kündigungsschutz gebracht werden, wie irgendein Angestellter oder Hilfsarbeiter. Wenn der wiederholte Abschluß kurzfristiger Hausbesorgerverträge nur dem Zweck dienen soll, sich die Freiheit des Entschlusses zu wahren, den Hausbesorger nach kurzer Zeit wieder ohne Kündigung entfernen zu können, liegt eine Umgehung der Schutzbestimmungen der Hausbesorgerordnung vor, die gegen die guten Sitten verstößt.

Da nach Ablauf der ersten Jahre die weiterhin vorgenommenen Befristungen der Verträge als gegen die guten Sitten verstoßend unwirksam sind, ist das zunächst befristet gewesene Dienstverhältnis in ein solches auf unbestimmte Zeit übergegangen und kann daher nur im Sinne des § 12 (5) HBO. aufgekundigt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Beziehung ist der Revision zuzustimmen, daß die Hausbesorgerordnung nichts über die Unzulässigkeit von sogenannten Kettenverträgen enthält. Die Kläger erkennen aber selbst, wie das Zitat der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7. Februar 1934, 1 Ob 46/34, beweist, dem allerdings unzweckmäßigerweise die Fundstelle SZ. XVI 26 nicht beigefügt ist, daß die Rechtsprechung aus dem Grund der Sittenwidrigkeit die wiederholte Aneinanderreihung von Hausbesorgerdienstverhältnissen deswegen als unzulässig erachtet hat, weil dadurch die Schutzvorschriften der Hausbesorgerordnung umgangen werden sollen. In der von der beklagten Partei bezogenen Entscheidung 3. April 1935, Arb. 4522, hat der Oberste Gerichtshof ausführlich begrundet, daß die wiederholte Aneinanderreihung kurzfristiger Hausbesorgerverträge als Umgehung der Schutzbestimmung des § 10 (3) der damaligen Hausbesorgerordnung (nunmehr § 12 (5) HBO.) anzusehen ist, wenn der Hauseigentümer nicht triftige Gründe erhärten kann, welche die zeitliche Befristung des fortgesetzten Hausbesorgervertrags rechtfertigen.

Nach dem zweiten Weltkrieg hat der Gedanke der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Kettenverträgen im Vertragsbedienstetenrecht (§ 4

(4) VBG. vom 17. März 1948, BGBl. Nr. 86) gesetzliche Anerkennung gefunden. Sodann ist in der Rechtsprechung die Unzulässigkeit von Kettenverhältnissen vom Hausbesorger- und Vertragsbedienstetenverhältnis auf weitere Dienstverhältnisse (Angestellte und Hilfsarbeiter) ausgedehnt und in ausführlicher Weise begrundet worden. Nach der E. 22. September 1950, 4 Ob 35/50, SZ. XXIII 262 = Soz. I A, 17, ist ein Dienstverhältnis so zu beurteilen, als wäre es von vornherein auf unbestimmte Zeit geschlossen, "wenn der Dienstgeber den Angestellten auf unbestimmte Zeit benötigt und bloß deshalb den Dienstvertrag auf bestimmte Zeit abschließt und ihn nach Ablauf dieser Zeit immer wieder in gleicher Art erneuert, um den Angestellten um die Vorteile der Sozialgesetzgebung, beispielsweise hinsichtlich der Kündigung zu bringen, wenn sich also der Dienstgeber die Dienstleistung des Angestellten in Wirklichkeit für unbestimmte Zeit sichern, andererseits aber die Möglichkeit offenlassen will, das Dienstverhältnis jederzeit nach Ablauf des Zeitraumes, für den es abgeschlossen wurde, als beendet gelten zu lassen, ohne daß ihn die aus der Gesamtdauer der Dienstzeit oder aus dem Abschluß eines Dienstvertrages auf unbestimmte Zeit nach dem Gesetz unabdingbaren Verpflichtungen, etwa bezüglich der Kündigung, treffen sollen". In der E. 22. September 1953, 4 Ob 178/53, SZ. XXVI 233 = JBl. 1954, 259 = Arb. 5823, wird ausgeführt: "Beschäftigt der Arbeitgeber den auf Zeit eingestellten Dienstnehmer nach Ablauf der Vertragszeit immer wieder kurzfristig aufs neue, so zeigt dies, daß er in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit will. Er will sich nur die Möglichkeit, bei Rückgang der Konjunktur die Zahl der Arbeitnehmer sofort zu vermindern, offenhalten, er will also ein typisch vom Unternehmer zu tragendes Risiko auf die Arbeitnehmer abwälzen, ohne auf lebenswichtige Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Ein solches Verfahren ist mit der das ganze Arbeitsverhältnis beherrschenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht vereinbar. Der Abschluß von Kettenverträgen ist immer dann wie ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu behandeln, wenn nicht besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe den Abschluß wiederholter Zeitverträge als sozial gerechtfertigt erscheinen lassen (Hueck, Kettenverträge, Deutsches RdA. 1953, S. 85 ff.)." Im gleichen Sinn sind dann auch noch insbesondere die veröffentlichten Entscheidungen 12. Juli 1951, 4 Ob 72/51, Arb. 5288; 1. Dezember 1953, 4 Ob 197/53, Arb. 5964 und 14. Februar 1956, 4 Ob 10/56, Soz. I D 109, ergangen.

Irgendwelche Erwägungen, die diese wohlbegrundete Rechtsprechung unrichtig erscheinen lassen könnten, vermögen die Kläger nicht vorzutragen. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher zu einem Abgehen von dieser seiner Auffassung nicht veranlaßt. Er vermag insbesondere auch der vom Erstgericht ausgesprochenen, nicht näher begrundeten Meinung nicht zu folgen, daß gerade bei Hausbesorgerdienstverhältnissen Kettenverhältnisse zulässig sein sollten. Die oben wiedergegebene Entwicklung der Rechtsprechung zu den Kettenverträgen und insbesondere der Hinweis auf die nunmehrige Bestimmung des § 12 (5) HBO. spricht im Gegenteil dafür, gerade bei Hausbesorgerverhältnissen ohne zureichenden Grund aneinanderschließende Dienstverhältnisse auf bestimmte Zeit als einheitliches Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit anzusehen. Bei Hausbesorgerdienstverhältnissen besteht nämlich nicht nur die auch bei sonstigen Dienstverhältnissen gegebene Gefahr, daß der Dienstnehmer durch eine solche Gestaltung des Dienstverhältnisses in unsozialer Weise um Geldansprüche, sondern daß er auch um die Dienstwohnung gebracht wird. Hier drängt sich die Parallele mit § 23 MietG. geradezu auf, wonach Mietverhältnisse - um die Kündigungsbeschränkungen anwendbar zu machen - auf unbestimmte Zeit erneuert gelten, wenn deren ursprüngliche "oder verlängerte vertragsmäßige" Dauer ein halbes Jahr übersteigt.

Wenn in der Revision des weiteren zur Rechtsrüge vorgetragen wird, daß nicht jede Aneinanderreihung kurzfristiger Hausbesorgerverträge schlechthin gegen die guten Sitten verstoße, sondern nur jene, die ohne sachlichen Grund vom Arbeitgeber nacheinander abgeschlossen werden, so ist dies an sich richtig. Es wird aber damit von den Klägern die Behauptungs- und Beweislast verkannt und zu verschieben versucht. Dann, wenn nämlich solche Kettenverträge vorliegen, spricht zunächst die Regel des Lebens und die Vermutung dafür, daß sie geschlossen wurden, um den Dienstnehmer in unsittlicher Weise um soziale Vorteile, bei Hausbesorgerverhältnissen vor allem um die Wohnung zu bringen. Nur dann, wenn der Dienstgeber einen zureichenden Grund für diese ungewöhnliche Gestaltung des Dienstverhältnisses behauptet und beweist, kann sich ergeben, daß ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht vorliegt. Die Richtigkeit dieser Auffassung erhellt aus der bereits erwähnten rechtsähnlichen Bestimmung des § 23 MietG., wo ausdrücklich die ursprüngliche "oder verlängerte vertragsmäßige" Dauer hinsichtlich der Kündigungsbeschränkung gleich behandelt wird. Darüber hinaus zeigt sich gerade im vorliegenden Fall die Richtigkeit der Meinung, daß den Dienstgeber die Behauptungs- und Beweislast trifft, besonders deutlich, weil - wie ebenfalls bereits erwähnt - nicht einmal noch in der Revision die Dienstgeber in der Lage sind, darzulegen welche anzuerkennenden sachlichen Gründe für die Gestaltung des Dienstverhältnisses als Kettenverhältnis gesprochen hätten. Schließlich hat der Oberste Gerichtshof auch bereits in der Entscheidung 3. April 1935, Arb. 4522, ausgesprochen, daß eine Umgehung der Kündigungsbeschränkungen anzunehmen sei, wenn der Hauseigentümer nicht triftige Umstände erhärten könne, welche die zeitliche Befristung des fortgesetzten Hausbesorgervertrags rechtfertigen. Hiervon abzugehen, besteht ebenfalls kein Anlaß.

Anmerkung

Z36010

Schlagworte

Hausbesorgerdienstvertrag, Kettenverträge, Kettenverträge bei Hausbesorgerdienstverträgen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0040OB00147.62.0122.000

Dokumentnummer

JJT_19630122_OGH0002_0040OB00147_6200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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