TE OGH 1963/3/20 7Ob70/63

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Veröffentlicht am 20.03.1963
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Norm

ABGB §1447
ZPO §405

Kopf

SZ 36/44

Spruch

Lautet das Klagebegehren auf Verurteilung des Beklagten nach dessen Wahl zu einer von mehreren Leistungen, so ist es zur Gänze abzuweisen, wenn nur eine dieser Leistungen nicht zugesprochen werden darf.

Entscheidung vom 20. März 1963, 7 Ob 70/63.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Firma J. I. B. & Söhne in Sofia hat im Jahre 1944 von der Rechts- Vorgängerin der beklagten Partei, der Firma R. H., 64 Ballen = 4000 m2 Linoleum, Qualität I a, um rund 37.000 RM gekauft. Der Kaufpreis ist der Verkäuferfirma mittels eines Akkreditivs tatsächlich zugekommen. Die Ware wurde dem Speditionsunternehmen K. in Wien übergeben und von diesem am 12. August 1944 auf einem Donauschlepper verschifft. Der Transport wurde jedoch infolge der näherrückenden Front oberhalb von Budapest behördlicherseits angehalten; die Ware gelangte an die Verkäuferfirma zurück. Der Kläger ist dann als angeblicher Bevollmächtigter der Käuferfirma - er hat die angeblich erteilte Vollmacht nicht nachgewiesen - bei der Verkäuferfirma wiederholt dahin vorstellig geworden, daß in diesem Geschäftsfalle nichts veranlaßt, insbesondere über den Kaufpreis keine Verfügung getroffen werde. Tatsächlich wurde die Ware von der Verkäuferfirma in die Schweiz verkauft. Ihre Bemühungen, den nach den damals geltenden Vorschriften an die Deutsche Golddiskontbank abgeführten Teil des Kaufpreises von etwas mehr als 7000 RM wieder zurückzuerhalten, blieben vergebens. Bei dem während des Krieges erzeugten Linoleum handelte es sich um ein Ersatzprodukt, bei dessen Herstellung ein Surrogat "Li 160" als Bindemittel und Papierspagat als Unterlagsgewebe verwendet wurde, während bei echtem Linoleum das Bindemittel das sogenannte Linoleumzement, ein Schmelzprodukt aus oxydiertem Leinöl (Linoxyn) und Harzen, darstellte und das Unterlagsgewebe aus Jute bestand. Das Kriegsprodukt wird heute nicht mehr erzeugt. Im Vergleich zum echten Linoleum war es in seiner Struktur gröber und spröder, es erwies sich auch bei ungünstigen Verlegungsbedingungen als brüchig und ließ sich auch nur matt färben. Das gegenwärtig hergestellte Linoleum kostet bei einer Stärke von 2.5 mm rund 60 S je m2. Es besteht zwar derzeit die technische Möglichkeit, solche Kriegsware zu erzeugen, es wäre aber unwirtschaftlich, insbesondere wäre dieses Erzeugnis heute kaum mehr absetzbar und die Herstellung wäre infolge der für die Erzeugung notwendigen Vorbereitungen teurer als die des heutigen hochwertigen Linoleums.

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Lieferung von Linoleum Qualität I a im Werte von 37.000 S als Teillieferung auf die Bestellung der Firma J. I. B. & Söhne, Sofia, aus dem Jahre 1944 oder wahlweise zur Bezahlung dieses Betrages samt Anhang. Er stützt seinen Anspruch darauf, daß ihm diese Forderung abgetreten worden sei.

Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat dieses Urteil bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seines Leistungsbegehrens; es handle sich um eine Gattungsschuld, die durch das Merkmal Qualität I a und die Menge (4000 m2) bestimmt sei. Irgendeine chemische Zusammensetzung sei nicht bedungen worden. Da auch heute Linoleum der Qualität I a hergestellt werde, könne von einer Unmöglichkeit der Leistung nicht gesprochen werden. Es ist richtig, daß der Kaufgegenstand nach Gattungsmerkmalen bestimmt gewesen ist. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß jene Ware, die heute die gleiche Gattungsbezeichnung trägt, eine gleichartige Ware darstellt. Die Bedeutung solcher Bezeichnungen könne sich ändern. Sie haben sich auch, wie die Untergerichte festgestellt haben, im vorliegenden Falle geändert, weil mit Qualität I a heute eine ganz andere Ware bezeichnet wird als im Jahre 1944. Der Kläger kann daher nicht einfach Linoleum der heutigen Qualität I a begehren.

Das Berufungsgericht hat auch zutreffend ausgeführt, daß der Kläger auch nicht Linoleum in der Qualität I a des Jahres 1944 begehren kann. Da feststeht, daß heute derartiges Linoleum nicht mehr erzeugt wird, weil vor allem das damals verwendete Bindemittel "Li 160" nicht mehr hergestellt wird, ferner daß ein solches Erzeugnis heute kaum mehr absetzbar wäre, und daß schließlich seine Erzeugung mit Rücksicht auf die für den Produktionsprozeß erforderlichen Vorbereitungen teurer käme als die des heutigen hochwertigen Linoleums, muß der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes beigepflichtet werden, daß die Erzeugung des Ersatzproduktes - wenn auch technisch möglich - wirtschaftlich sinnlos und damit unmöglich im Rechtssinne wäre. Der Oberste Gerichtshof hat in 2 Ob 540/62 = SZ. XXVI 194 in Übereinstimmung mit der Lehre (Pisko, Gschnitzer in Klang[2] VI S. 542/543) ausgeführt, daß Unerschwinglichkeit, die rechtlich als Unmöglichkeit zu werten sei, dann vorliege, wenn der zur Bewirkung der Leistung notwendige Aufwand in keinem Verhältnis zum Werte der Leistung stehe, sodaß sich diese schon objektiv als eine unvernünftige, wirtschaftlich sinnlose darstellen würde. Wenn sich die Unerschwinglichkeit, wie im vorliegenden Falle, auf das objektive Mißverhältnis zwischen dem Werte der geschuldeten Leistung und dem zu ihrer Bewirkung notwendigen Aufwand grundet, bewirkt sie auch dann eine Erlöschung des Erfüllungsanspruches, wenn sie vom Verpflichteten verschuldet wurde (Pisko, Gschnitzer a. a. O. S. 553). Das Berufungsgericht hat somit das Leistungsbegehren des Klägers mit Recht abgewiesen.

Der Kläger bekämpft mit demselben Revisionsgrunde auch die Abweisung seines Zahlungsbegehrens. Es ist dem Berufungsgerichte zuzustimmen, daß das Begehren des Klägers auf wahlweise Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung des Betrages von 37.000 S s. A. nach seiner Fassung als Alternativbegehren anzusehen ist, welche rechtliche Qualifikation übrigens auch der Kläger in seiner Berufung bejaht (S. 148). Es ist auch richtig, daß der Kläger dieses Begehren als Schadenersatzbegehren stellt. Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob dieses Schadenersatzbegehren, wie das Berufungsgericht meint, nicht genügend ausgeführt worden sei, um behandelt werden zu können. Eine Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung des Betrages von 37.000 S s. A. konnte nämlich aus anderen Gründen auf keinen Fall erfolgen. Wenn der Kläger in seinem Begehren dem Beklagten die Wahl läßt, entweder eine oder eine andere Leistung zu erbringen, so würde dem Kläger bei Verurteilung des Beklagten zu einer der beiden Leistungen etwas anderes zuerkannt, als er begehrt hat (Neumann, Komm. z. d. Zivilprozeßgesetzen[4] II S. 1154). Ein Begehren auf Leistung von a oder b kann nur zum vollständigen Erfolg der Klage oder zur vollständigen Klagsabweisung führen. Wenn das Urteil dem Beklagten die Alternative versagt, die ihm der Kläger zugesteht, wäre dies eine Überschreitung des Klagebegehrens (§ 405 ZPO., OHG. vom 25. Novembere1936 = AnwZ. 1937 S. 35).

Anmerkung

Z36044

Schlagworte

Alternativbegehren, Unerschwinglichkeit der Leistung, Unmöglichkeit der Leistung, Wahlschuld, Klagebegehren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0070OB00070.63.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19630320_OGH0002_0070OB00070_6300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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