TE OGH 1963/4/18 5Ob52/68

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Veröffentlicht am 18.04.1963
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Norm

ABGB §879
ABGB §914
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §1

Kopf

SZ 36/58

Spruch

Zur Frage der Wirksamkeit der Wettbewerbsklausel bei Pachtverträgen.

Entscheidung vom 18. April 1963, 5 Ob 52/68.

I. Instanz: Kreisgericht Ried; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger hat mit dem Erstbeklagten am 27. Jänner 1954 einen derzeit noch aufrechten Pachtvertrag abgeschlossen. Die Zweitbeklagte ist später auf Grund der mit dem Erstbeklagten eingegangenen Gütergemeinschaft in den Vertrag eingetreten. Gegenstand dieses Vertrages sind die Gewerbeberechtigungen des Erstbeklagten für den Viehhandel und die Fleischhauerei samt Kundenstock, die Betriebsliegenschaft, bestehend aus dem Haus Nr. 19 in E. samt beweglichem und unbeweglichem Inventar. Im Vertrag ist festgehalten, daß die verpachteten Räumlichkeiten zum Gewerbeunternehmen gehören und daß dieses bisher immer vom Verpächter betrieben wurde. Der Vertrag wurde auf 10 Jahre abgeschlossen, doch sieht der Vertrag auch eineVerlängerung vor. Der Pachtzins beträgt 2500 S monatlich. Zu den Pflichten des Pächters gehört auch, den gepachteten Betrieb ordentlich zu führen und den mitüberlassenen Kundenstock möglichst zu erhalten und zu mehren. Weiter hat sich der Pächter für sich und seine Rechtsnachfolger verpflichtet, nach Beendigung des Pachtverhältnisses in der Ortschaft E. weder in eigener Person noch durch Dritte einen dem Pachtbetriebe gleichen oder ähnlichen Betrieb zu eröffnen, einen solchen, sei es selbständig, sei es auf Pacht oder auf Rechnungsführung betreiben zu lassen oder sich auf irgendwelche Art an einem solchen Betrieb zu beteiligen.

Der Kläger begehrt, diese Wettbewerbsklausel als nichtig und unwirksam zu erklären. Die Klausel sei ihm aufgezwungen worden, weil der Erstbeklagte sonst den Pachtvertrag nicht abgeschlossen hätte; er sei in einem Irrtum befangen gewesen, weil er geglaubt habe, das Konkurrenzverbot gelte nur bis zum Ablauf der Vertragszeit. Das Verbot verstoße gegen die guten Sitten. Es bestehe kein wirtschaftlicher, sittlicher oder sozialer Grund, ihm lebenslänglich die Berufsausübung im Heimatort seiner Frau zu untersagen. Die gepachtete Fleischhauerei entspreche nicht mehr den gewerbe- und sanitätspolizeilichen Vorschriften. Es bestehe ein Bedürfnis nach einer zweiten Fleischhauerei, weil auch angrenzende Gemeinden zum Geschäftsbereich gehörten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Zwang und Irrtum seien auszuschließen. Zweck und Umfang der Wettbewerbsklausel seien dem Kläger bei der Vertragserrichtung durch den Urkundenverfasser eingehend erklärt worden und dem Kläger sei schon vor der Unterfertigung ein Vertragsentwurf zum Studium zur Verfügung gestanden. Der Erstbeklagte sei an der Klausel interessiert gewesen, um zu vermeiden, daß der Kläger nach Pachtende den Kundenstock mit sich nehme und nur die Betriebsräume zurückstelle, sowie um sicherzustellen, daß er nach Pachtende das Unternehmen wieder selbst fortführen oder einem seiner Kinder übergeben könne. Sittenwidrigkeit sei nicht gegeben. Der Unterschied der sozialen Verhältnisse sei nicht so groß, wie ihn der Kläger darzustellen versuchte. Die Beklagten besitzen einen größeren landwirtschaftlichen Betrieb. Der Kläger habe einen 1559 m2 großen Bauplatz in der Ortschaft E. und habe seit dem Juni 1962 einen Bau in Angriff genommen, der nach seiner eigenen Schätzung 400.000 S kosten werde. Sein niedriges steuerpflichtiges Einkommen von jährlich nur 12.000 S in den letzten Jahren sei bei den angegebenen Jahresumsätzen von 500.000 S bis 900.000 S nur durch außerordentliche Investitionen zu erklären. Daß der Kläger trotz der niedrigen Einkommensteuer einen 9 X 18.20 m großen, hofartigen, zweistöckigen Neubau mit einer Fleischhauereianlage und Nebenbauten aufführen könne, lasse ihn keineswegs als bedürftig erscheinen, umsomehr, als er auch noch einen zweiten Fleischhauereibetrieb in G. gepachtet habe, wo er an mehreren Tagen in der Woche Fleischwaren verkaufe. Die Konkurrenzklausel erstrecke sich örtlich nur auf die Ortschaft E., die nur einen Teil der Gemeinde E. mit insgesamt 1388 Einwohnern bilde. Von diesen Einwohnern entfielen nur 180 bis 190 auf die Ortschaft E. Zur Gemeinde E. gehörten auch die Ortschaft I. mit 270 Einwohnern und die Ortschaft G. mit 130 Einwohnern. Der wirtschaftliche Mittelpunkt der Gemeinde liege in der Ortschaft E., weil sich dort das Gemeindeamt, der Gendarmerieposten, die Raiffeisenkasse, das Postamt, eine Käserei, ein Lagerhaus und das Kino befinden. Im Gemeindegebiet gebe es nur die Fleischhauerei der Beklagten und diese könnte nicht bestehen, wenn sie nur auf den Kundenstock aus der Ortschaft angewiesen wäre. Dem Kläger stehe es frei, nach Pachtende in einer anderen Ortschaft der Gemeinde einen Betrieb zu eröffnen. Das wirtschaftliche Übergewicht der Ortschaft E. dürfe nicht überschätzt werden. Die Ortschaft I. weise um 100 Einwohner mehr auf und sei im Sommer wegen des angrenzenden Badesees stark von Fremden besucht. Auch die Ortschaft G. liege verkehrsmäßig sehr günstig an der Hauptstraße und es hätten dort auch der Gemeindearzt und die Schwiegereltern des Klägers ihren Wohnsitz. Es bestehe kein auffallendes Mißverhältnis zwischen den beiderseitigen Interessen. Die Beklagten wollten den Fleischhauerbetrieb einem ihrer drei Söhne übergeben. Es sei ihr selbstverständliches Interesse, daß nach Pachtende keine Konkurrenzverhältnisse entstunden, die das Fortkommen des zukünftigen Übernehmers in Frage stellten. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß der Kläger bei Gründung eines neuen Betriebes den bisherigen Kundenstock an sich ziehe und dadurch einen außerordentlichen Vorsprung gewinne. Dem Kläger stunden außerhalb der kleinen Ortschaft E. alle Berufsmöglichkeiten offen und es sei nicht überzeugend, daß sein Schwiegervater ihm nur bei einer Geschäftsgrundung in der Ortschaft E. helfen werde. Die Pachträume seien zwar für den Betrieb des Klägers zu klein geworden, doch seien keine gewerbe- oder sanitätspolizeiliche Maßnahmen ergriffen worden. Die feuerpolizeilichen Beanstandungen seien zum Teil vom Kläger verschuldet und würden vom Erstbeklagten in Ordnung gebracht werden.

Das Berufungsgericht gab der Klage mit der Einschränkung statt, daß die Wirksamkeit der Wettbewerbsklausel auf die Dauer von acht Jahren nach Beendigung des Pachtverhältnisses begrenzt wurde. Im Wirtschaftskampf werde eine zu große Einschränkung der wirtschaftlichen Selbständigkeit im allgemeinen als sittenwidrig angesehen. Konkurrenzklauseln seien nicht von vornherein bedenklich, sondern in gewissen Grenzen geradezu selbstverständlich. Der Richter müsse die Interessen abwägen. Nur wenn die durch die Klausel geschützten Interessen außer Verhältnis zu den durch sie verletzten stehen, verstießen sie gegen die guten Sitten. Es liege dann eine Teilnichtigkeit vor und die Klausel sei nach dem Ermessen des Richters auf das billige Maß einzuschränken. Die Klausel sei nicht an sich sittenwidrig, weil sie berechtigten Interessen des Verpächters diene, nämlich der Erhaltung des Familienbesitzes und des Geschäftswertes des lebenden Unternehmens. Auch im Umfang der örtlichen Beschränkung könne keine Sittenwidrigkeit erblickt werden, weil die Schranke nicht übermäßig sei. Wohl aber sei der zeitliche Umfang sittenwidrig. Der Kläger wäre sein ganzes Leben lang an die Klausel gebunden. Eine Bindung von acht Jahren sei dem Kläger zumutbar und entspreche auch der bei derartigen Vertragsabschlüssen eingehaltenen Praxis. Die vom Kläger gewünschte gänzliche Beseitigung der Klausel sei nicht gerechtfertigt und verstoße gegen die Grundsätze der Vertragsfreiheit und Vertragstreue. Der Kläger habe selbst sittenwidrig gehandelt, indem er entgegen dem vertraglichen Verbot mit dem Bau eines Konkurrenzunternehmens in der gleichen Ortschaft begonnen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien erhobenen Revisionen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Wettbewerbsklausel hat eine ausdrückliche Regelung nur im Handelsvertretergesetz und im Angestelltengesetz gefunden. Nach § 26 HVertrG. ist eine Vereinbarung, durch die der Handelsvertreter für die Zeit nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird, unwirksam. Nach § 36 AngG. sind solche Vereinbarungen wirksam, soferne sich die Beschränkung auf den Geschäftszweig des Dienstgebers bezieht und einen Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigt und die Beschränkung nicht nach Gegenstand, Zeit und Ort im Verhältnis zu dem geschäftlichen Interesse, das der Dienstgeber an ihrer Einhaltung hat, eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Angestellten enthält. Die Bestimmung wird dahin ausgelegt, daß dem Richter ein Mäßigungsrecht eingeräumt ist. Diese Vorschriften können wegen der Verschiedenheit der Interessenlage nicht schlechthin auf ähnliche Abmachungen in Kauf oder Pachtverträgen angewandt werden. Es kann aber die Klausel auch bei solchen Verträgen mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Vertragsparteien, insbesondere derjenigen, der das Verbot auferlegt ist, im Sinne des § 879 (1) ABGB. sittenwidrig sein, so etwa, wenn ein vertragliches Konkurrenzverbot in übergroßem Umfang ohne zeitliche oder örtliche Beschränkung auferlegt wurde oder ein auffallendes Mißverhältnis zwischen den durch das Verbot zu schützenden Interessen des einen Vertragsteiles und der auferlegten Beschränkung des anderen besteht. In solchen Fällen muß nicht der ganze Vertrag als nichtig erklärt werden, sondern es kann der Richter das Verbot auf ein billiges Maß einschränken (vgl. Gschnitzer in Klang, Komm.[2], IV., S. 210, Ehrenzweig[7], § 316 I 2 h, SZ. VI 219, XIV 173, XXIV 150 u. a.). Ob die Voraussetzungen vorliegen, ist im einzelnen Fall durch Abwägung der beiderseitigen Interessen zu prüfen. Im Zweifel wäre zugunsten der Vertragsfreiheit zu entscheiden (SZ. XXV 320).

Ebenso wie beim Verkauf von Geschäften Wettbewerbsklauseln innerhalb gewisser Schranken geradezu selbstverständlich erscheinen, ist das auch bei Pachtverträgen der Fall. Der Pächter hat nach Beendigung des Pachtvertrages nicht nur die ihm überlassenen körperlichen Sachen, sondern auch den Kundenstock, der im Vertrag ausdrücklich als Pachtgegenstand genannt ist, zurückzustellen. Der Pächter verstößt daher schon gegen diese Rückstellungspflicht, wenn er nach Pachtende alsbald ein neues, gleichartiges Geschäft errichtet, um dem Verpächter die Kundschaft zu entziehen. Die vereinbarte Klausel ist daher grundsätzlich innerhalb der gesetzlichen Schranken berechtigt. Der Gegenstand des Wettbewerbsverbotes erstreckt sich nur auf die Geschäftszweige des Pachtbetriebes, also nicht weiter als es dem Interesse der Beklagten entspricht. Die Meinung des Klägers, im Viehhandel könne man von keinem Kundenstock sprechen, widerspricht der Lebenserfahrung. Auch der Viehhändler erwirbt sich Dauerkunden, die bei ihm regelmäßig Vieh absetzen oder einkaufen. Das Verbot nur auf den Verkauf zu beschränken, widerspräche dem Wesen des Fleischhauergewerbes, das aus der Erzeugung (Schlachtung und Aufbereitung) und dem Verkauf besteht. Die örtliche Beschränkung nur auf die Ortschaft, nicht einmal auf die Gemeinde E. kann nach den gegebenen Verhältnissen nicht als sittenwidrig angesehen werden, weil der Kundenstock des Pachtbetriebes nur aus den wenigen Einwohnern der auf zerstreute Ortschaften aufgeteilten Gemeinden besteht und die Vorinstanzen feststellten, daß in der Ortschaft E mit ihren 180 bis 190 Einwohnern ohnedies kein zweiter Fleischhauer existieren könne. Die Eröffnung eines Konkurrenzunternehmens durch den Kläger nach Pachtende wäre für die Beklagten von erheblichem Nachteil. Es würde die ohnedies geringe Absatzmöglichkeit auf empfindliche Weise herabgesetzt und das Fortkommen des zukünftigen Übernehmers dieses Betriebes in Frage gestellt. Das Konkurrenzverbot bedeutet keine dem Kläger nicht zumutbare Einschränkung seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit, da in der Ortschaft E. kein Bedarf nach einem zweiten Fleischhauer besteht und sein Fortkommen durch seinen zweiten Pachtbetrieb und durch seine Finanzkraft, die es ihm erlaubt, eine eigene Fleischhauerei zu bauen und einzurichten, nicht gefährdet ist. Hinsichtlich der Dauer des Konkurrenzverbotes bestehen gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes ebenfalls keine Bedenken. Die Klausel muß in bezug auf Gegenstand, Ort und Zeit stets in angemessener Weise bestimmt sein. Ein zeitlich unbegrenztes Wettbewerbsverbot, wenn auch nur in einer kleinen Ortschaft, verstößt gegen die Grundlagen der geltenden Wirtschafts- und Verkehrsordnung und muß als sittenwidrig und ungültig betrachtet werden. Die zeitliche Begrenzung auf eine Dauer von acht Jahren nach Beendigung des Pachtverhältnisses erscheint angemessen, weil in näherer Zeit kaum mit einer wesentlichen Änderung der Absatzverhältnisse in der kleinen Ortschaft gerechnet werden kann, der Schutz der Interessen der Beklagten aus diesem Gründe billigerweise auf längere Zeit erstreckt werden muß und es auch dem Kläger zumutbar ist, den kleinen Kundenstock, der zum Unternehmen der Beklagten gehört, für diese Zeit aus seinen Berufsplänen auszuschalten. Daß der Kläger bereits mit seinem Bau begonnen hat, muß bei der Entscheidung außer Betracht bleiben, weil er angesichts der Vertragsklausel auf eigene Gefahr handelte.

Anmerkung

Z36058

Schlagworte

Pachtvertrag, Wettbewerbsklausel, Wettbewerbsklausel, Pachtvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1963:0050OB00052.68.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19630418_OGH0002_0050OB00052_6800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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