TE Vfgh Erkenntnis 2001/6/19 G58/98

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Veröffentlicht am 19.06.2001
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Index

92 Luftverkehr
92/01 Luftverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art5
LuftFG §164
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Abweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes betreffend die Verpflichtung des Halters eines Luftfahrzeuges zum Abschluß einer Fluggast-Unfallversicherung; kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot angesichts des durch die Regelung erzielten erhöhten Versicherungsschutzes der Fluggäste und ihrer Angehörigen; kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentumsrecht; kein Verstoß der Regelung über die Ausnahme von der Versicherungspflicht für unentgeltliche Flüge im Rahmen des Flugsports gegen das Determinierungsgebot

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beiden Einschreiter sind in Innsbruck ansässige Vereine, die ihren Angaben zufolge Halter "von insgesamt derzeit 18 Luftfahrzeugen, und zwar 10 einsitzigen Segelflugzeugen, 6 zweisitzigen Segelflugzeugen, einem zweisitzigen Motorsegler und einem zweisitzigen Motorflugzeug" sind.

Mit ihrem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Individualantrag (im Schriftsatz irrtümlich als "Beschwerde" bezeichnet) beantragen sie die "Aufhebung der Absätze 1 bis 4 des §164 LFG (gemeint: Luftfahrtgesetz, BGBl. 253/1957 idF BGBl. 102/1997)" als verfassungswidrig.

2. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebliche Rechtslage nach dem Luftfahrtgesetz (idF BGBl. 102/1997) stellt sich wie folgt dar:

Der X. Teil des Gesetzes ist mit "Haftungsrecht" überschrieben. Hiebei ist im gegebenen Zusammenhang in folgender Weise zu unterscheiden:

a) Der 1. Abschnitt des X. Teils (§§146 ff. LFG) regelt die Haftung des Halters eines Luftfahrzeuges für Personen und Sachen, welche nicht im Luftfahrzeug befördert werden (sog. "Drittschadenshaftung" - s. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 758 BlgNR, 20. GP, S 16).

b) Der 2. Abschnitt (§§154 ff. LFG) enthält die Regelungen über die Haftung des Beförderers aus dem Beförderungsvertrag/Haftung für Fluggäste, Reisegepäck und Luftfracht.

c) Nach gemeinsamen Bestimmungen für die Haftung und Vorschriften betreffend die Haftung nach internationalen Abkommen und Haftung für Postsendungen (3. bzw. 4. Abschnitt) enthält der

5. Abschnitt (§§163 ff. LFG) unter der Überschrift "Versicherung" die "notwendigen versicherungsrechtlichen Begleitmaßnahmen" (s. die oben genannten Erläuterungen zur Regierungsvorlage, S 16). So hat gemäß §163 der Halter eines Luftfahrzeuges eine Haftpflichtversicherung "zur Deckung von Schadenersatzansprüchen von Personen und wegen Sachen, die nicht im Luftfahrzeug befördert werden," abzuschließen.

Weiters hat der Halter zugunsten seiner Fluggäste eine Fluggast-Unfallversicherung und eine Fluggast-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Die entsprechende Regelung trifft §164 LFG ("Fluggast-Versicherungen"), dessen Absätze 1 bis 4 mit dem vorliegenden Antrag angefochten werden:

"Fluggast-Versicherungen

§164. (1) Der Halter eines Luftfahrzeuges hat seine Fluggäste gegen Unfälle an Bord des Luftfahrzeuges oder beim Ein- oder Aussteigen zu versichern. Unentgeltliche Flüge im Rahmen des Flugsports sind davon nicht betroffen.

(2) Die Mindesthöhe der Versicherungssumme beträgt für den Fall des Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit 555 000 S für jeden Fluggast.

(3) Soweit aus der Unfallversicherung geleistet wird, erlöschen Schadenersatzansprüche gegen den Ersatzpflichtigen.

(4) Aus der Unfallversicherung steht dem Fluggast als Versichertem ein unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherer zu. Im übrigen sind die §§74, 75 Abs1, 78, 79 Versicherungsvertragsgesetz 1958, BGBl. Nr. 2/1959, entsprechend und dessen §158c Abs1 bis 3 mit der Maßgabe anzuwenden, daß anstelle des Wortes 'Dritter' das Wort 'Fluggast' tritt.

(5) Der Halter eines Luftfahrzeuges hat zur Deckung der Schadenersatzforderungen der Fluggäste eine Haftpflichtversicherung zumindest über eine Summe von 3 Millionen Schilling, ein Luftverkehrsunternehmen zumindest über eine Summe von 5 Millionen Schilling, für jeden Fluggast abzuschließen.

(6) Im Fall des §161 (Anm.: er regelt die Haftung nach internationalen Abkommen) ist eine Versicherung zugunsten des Fluggastes zumindest über die in den internationalen Abkommen genannten Summen abzuschließen."

3. Nach Ausführungen zur Antragslegitimation (s. dazu unten, Pkt. II.A) begründen die Antragsteller den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung - auf das Wesentliche zusammengefaßt - wie folgt:

a) Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes:

Es sei die "Ausdehnung der vormals nur für Luftverkehrsunternehmungen bestehenden Unfallversicherungspflicht für die Fluggäste auf alle Luftfahrzeughalter (Anm.: nämlich auch solche, die nicht Inhaber einer Luftverkehrsunternehmung sind ('private' Halter)) ... in keiner Weise sachlich gerechtfertigt."

Die Unfallversicherung habe "auf jeden Fall zu leisten, auch wenn die Halterhaftung nicht zum Tragen kommt, z.B. weil der Unfall vom Geschädigten selbst verursacht wurde." Die in Rede stehende Unfallversicherung "auf Kosten des Halters, auf Rechnung der beförderten Person stellt somit einen echten Vertrag zugunsten Dritter dar, der ohne sachliche Rechtfertigung den Halter verpflichtet, ein Risiko zu versichern, für das er an sich nicht haftet." Das in den Gesetzesmaterialien dargelegte Ziel der Regelung werde "durch die Halterhaftung des §154 LFG und die hiezu normierte Versicherungspflicht in §164 (5) LFG, soweit nach den dargelegten Grundsätzen der Gefährdungshaftung für den Halter zumutbar, ohnehin erreicht". Es sei "überhaupt nicht einzusehen, wie jeder Luftfahrzeughalter dazukommt, neben seiner Haftung nach §154 LFG, die entsprechend zu versichern ist, dem Fluggast auch noch eine Unfallversicherung zu bezahlen, die unabhängig davon leistet, ob ein Schaden vorliegt, für den der Halter nach ABGB oder §154 LFG haftet. Dies sogar dann, wenn der Fluggast selbst schuldhaft den Unfall herbeigeführt hat." Die Regelung sei umso bedenklicher, "als diese Versicherungspflicht auch für unentgeltliche Flüge ... oder für nichtgewerbliche Flüge gegen Kostenbeteiligung gilt". Im Bereich des Kraftfahrzeugverkehrs auf Straßen werde eine über zivilrechtliche Haftungstatbestände (nach ABGB und EKHG) hinausgehende Versicherung eines Fahrgastes auf Kosten des Halters "zu Recht als unangemessen und unzumutbar betrachtet". Es gebe keinen sachlichen Grund, warum dies bei Luftfahrzeugen anders sein sollte.

b) Verletzung im Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums:

Die "angefochtene Gesetzesstelle" (gemeint wohl: Abs1 und Abs2 des §164 LFG) belaste jeden Luftfahrzeughalter "mit Kosten einer Unfallversicherung, für die er keinerlei Gegenwert erhält". Während "der Pflichtversicherung des §164 Abs5 LFG ein Gegenwert insofern gegenübersteht, als damit der Halter für die gegen ihn möglichen Ansprüche aus seiner Gefährdungshaftung versichert ist, trifft dies für die Unfallversicherung nach §164 Abs1 und 2 in keiner Weise zu, sondern wird der Halter eines Luftfahrzeuges gezwungen, zugunsten seines Fluggastes eine Versicherung abzuschließen, aus der dem Fluggast (bei einem Unfall) direkt Ansprüche gegen den Versicherer erwachsen", denen nicht gleichzeitig eine Haftung des Luftfahrzeughalters gegenüberstehe. Diese Regelung komme "einer Enteignung des Luftfahrzeughalters zugunsten des Fluggastes ohne entsprechende Gegenleistung gleich" und sei auch wirtschaftlich "völlig unsinnig, weil mit dem selben Kostenaufwand, den die Versicherung der Halterhaftung von S 3 Mio. zuzüglich der Unfallversicherung verursacht, die Deckungssumme der Halterhaftung allein mehr als verdreifacht werden könnte, womit mit Ausnahme der vom Fluggast selbst verschuldeten Unfälle diesem wesentlich mehr gedient wäre."

c) Verletzung des Legalitätsprinzips nach Art18 B-VG:

Weder das Gesetz noch die Gesetzesmaterialien enthielten "auch nur einen Hinweis, welche Bereiche des Flugbetriebes ... erfaßt sein sollen", wenn §164 Abs1 letzter Satz LFG festlegt, daß "unentgeltliche Flüge im Rahmen des Flugsports" von der Fluggast-Unfallversicherungspflicht nicht betroffen sind. Diese Bestimmung sei "so unklar abgefaßt", daß sie auch aus diesem Grund verfassungswidrig sei.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie primär die Zurückweisung des Antrages als unzulässig, in eventu seine Abweisung beantragt.

5. Auf diese Äußerung replizierten die Antragsteller in einem weiteren Schriftsatz.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den vorliegenden Antrag erwogen:

A) Zur Zulässigkeit:

1. Die Einschreiter sind im Recht, wenn sie zu ihrer Antragslegitimation vorbringen, daß §164 Abs1 LFG für sie unmittelbar wirksam werde, ohne daß es der Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder der Erlassung eines Bescheides bedürfe. Es steht den Antragstellern aber auch kein anderer zumutbarer Weg zu Gebote, die Frage der Verfassungswidrigkeit der Norm an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang vor allem auch auf §169 Abs1 Z1 LFG. Dieser Bestimmung zufolge begeht jemand, der dem Luftfahrtgesetz zuwiderhandelt oder zuwiderzuhandeln versucht, eine Verwaltungsübertretung und ist vom Landeshauptmann mit einer Geldstrafe bis zu 300.000 S zu bestrafen (wenn nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt). Bei Vorliegen erschwerender Umstände kann neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Einem Normunterworfenen ist es nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht zumutbar, ein verwaltungsbehördliches Strafverfahren (hier durch Unterlassung des Abschlusses der nach §164 LFG vorgeschriebenen Fluggast-Versicherungen) zu provozieren und in diesem die Verfassungswidrigkeit der übertretenen Norm einzuwenden (vgl. - wenn auch hinsichtlich der Nichteinhaltung einer Verbotsnorm - VfSlg. 15.509/1999, S 519, und die dort zitierte Vorjudikatur).

2. Die Bundesregierung bezweifelt - aus anderen Gründen - die Zulässigkeit des vorliegenden Antrags und tritt deshalb primär für dessen Zurückweisung ein. Der Verfassungsgerichtshof kann sich den diesbezüglichen Einwänden jedoch nicht anschließen:

a) Daß es die Einschreiter unterlassen hätten anzugeben, in welcher Fassung des Luftfahrtgesetzes sie die Aufhebung "der Absätze 1 bis 4 des §164 LFG" begehren, ist zwar in Zusammenhang mit der Formulierung des Aufhebungsantrages (auf Seite 6 des Schriftsatzes) zutreffend. Daß die Anfechtung dieser Bestimmungen in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. 102/1997 beabsichtigt ist, wird jedoch am Deckblatt des Individualantrages ausdrücklich angeführt. In Verbindung mit der Begründung des Antrages ist damit in hinreichender Deutlichkeit erkennbar, daß die Aufhebung der oben zitierten Bestimmungen in der eben genannten Fassung gemeint ist (vgl. auch VfSlg. 14.077/1995; 15.299/1998, S 301).

b) Die Auffassung der Bundesregierung, die Antragsteller hätten es verabsäumt, im einzelnen darzulegen, in welcher Weise die Bestimmungen der Absätze 3 und 4 des §164 LFG mit Verfassungswidrigkeit belastet sein sollen, vermag nicht die Unzulässigkeit des vorliegenden Antrages zu begründen: Die Einschreiter wenden sich mit ihrem Antrag in der Sache gegen die (durch den ersten Absatz des §164 LFG normierte) Verpflichtung zum Abschluß einer Fluggast-Unfallversicherung. Sowohl Absatz 2 als auch die Absätze 3 und 4 des §164 LFG treffen nähere Regelungen in Zusammenhang mit dieser Versicherung. Würde Absatz 1 aufgehoben werden, wäre die Verpflichtung zum Abschluß der Fluggast-Unfallversicherung als solche beseitigt; damit wären auch die diese Verpflichtung präzisierenden Absätze 2, 3 und 4 unanwendbar. Die von der Bundesregierung ins Treffen geführte Auffassung, daß bei einer etwaigen Aufhebung der Absätze 1 und 2 des §164 LFG die Absätze 3 und 4 "auf allfällige freiwillige Versicherungen anwendbar wären", vermag aufgrund des systematischen Zusammenhangs der vier in Rede stehenden Absätze - alle sind mit der Normierung der obligatorischen Fluggast-Unfallversicherung verknüpft - nicht zu überzeugen: Den verbleibenden Absätzen käme nämlich damit ein gänzlich anderer Sinn zu als jener, der ihnen nach den Intentionen des Gesetzgebers innewohnt.

3. Der Antrag ist somit zulässig.

B) In der Sache:

1. Zur Rechtslage:

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Luftfahrtgesetznovelle BGBl. 102/1997 weisen darauf hin (s. 758 BlgNR, 20. GP, S 16), daß die Haftpflicht für Luftfahrzeuge bislang in den §§19 bis 30 des Luftverkehrsgesetzes, dRGBl. 1936 I 653 (GBlÖ 1938/62) geregelt war und die §§106 bis 109 der Luftverkehrsverordnung, dRGBl. 1936 I 659, ergänzende versicherungsrechtliche Bestimmungen enthielten. (Diese Bestimmungen waren nach Erlassung der Stammfassung des Luftfahrtgesetzes (BGBl. 253/1957) in Geltung geblieben.) Die Regelungen seien reichsdeutschen Ursprungs, sie entsprächen "trotz mehrfacher Adaptierungen verschiedentlich nicht mehr modernen rechts- und verkehrspolitischen Anforderungen". Das Schadenersatz- und Versicherungsrecht für den Luftverkehr sollte daher überarbeitet und in einem neuen X. Teil des Luftfahrtgesetzes zusammengefaßt werden. Zugleich sollte dieser Rechtsbereich "möglichst an die allgemeinen schadenersatz- und versicherungsrechtlichen Grundsätze angepaßt werden".

Die in den §§146 ff. LFG geregelte Drittschadenshaftung des Halters eines Luftfahrzeuges (s.o. Pkt. I.2.a) ist eine Gefährdungshaftung; sie ist verschuldensunabhängig. Hingegen ist die in den §§154 ff. LFG festgelegte Haftung des Luftbeförderers aus dem Beförderungsvertrag (Haftung für Fluggäste, Reisegepäck und Luftfracht) eine reine Verschuldenshaftung; die Beweislast für mangelndes Verschulden soll hiebei den Luftbeförderer treffen. (Zum Begriff "Beförderer" und zum Zusammenhang Beförderer - Halter s. die Erläuterungen zu §154 in den Gesetzesmaterialien 758 BlgNR, 20. GP, S 19.)

Die versicherungsrechtlichen Regelungen (§§163 bis 168 LFG) dienen der Intention des Gesetzgebers, daß "Versicherungsdeckung ... zumindest für die Ansprüche aus der 'Drittschadenshaftung' (§163 ...) sowie für die Ansprüche aus einem Beförderungsvertrag (§§164 und 165 ...) bestehen (soll)" (s. die oben erwähnten Gesetzesmaterialien, S 20).

Die mit dem vorliegenden Antrag bekämpfte Verpflichtung des Halters zum Abschluß einer Fluggast-Unfallversicherung (§164 Abs1 LFG) hat den Erläuterungen (S 21) zufolge §29g Abs1 LuftverkehrsG zum Vorbild. Aufgrund dieser Bestimmung mußten die Inhaber von Luftverkehrsunternehmen nachweisen, daß sie (in einer bestimmten Mindesthöhe) die Fluggäste für deren Rechnung gegen Unfälle versichert haben. Die Fluggast-Unfallversicherung diene - so die Erläuterungen - "auch der ersten finanziellen Entlastung des Geschädigten". Sie habe sich "im wesentlichen bewährt und soll daher beibehalten werden". Weiters wird in den Erläuterungen ausgeführt, daß die "Verpflichtung zum Abschluß der Unfallversicherung ... nicht nur den Inhaber eines Luftverkehrsunternehmens, sondern - im Interesse des Fluggastes - den Halter jedes Luftfahrzeuges treffen (soll)".

2. Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:

Durch die in §164 Abs1 LFG normierte Versicherungspflicht wird "auf Kosten" des Halters eines Luftfahrzeuges die rechtliche Position des Fluggastes bzw. seiner Angehörigen gestärkt. Die Bundesregierung weist in ihrer Äußerung unter Anknüpfung an die oben zitierten einschlägigen Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zutreffend darauf hin, daß die Unfallversicherung den Schutz des Fluggastes oder - im Todesfall - den Schutz der Angehörigen bezweckt; sie setzt nicht voraus, daß vor Auszahlung der Beträge eine Schadenersatzpflicht des Beförderers festgestellt wird, was mitunter erst nach einem längere Zeit in Anspruch nehmenden Zivilprozeß der Fall ist. Durch den erhöhten Versicherungsschutz ist gewährleistet, daß den Betroffenen rasch und zunächst ohne Erfordernis der Beschreitung des Rechtsweges eine finanzielle Unterstützung zuteil wird. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, weshalb eine derartige Regelung gegen das allgemeine Sachlichkeitsgebot verstoßen sollte. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, daß gemäß §164 Abs3 LFG Schadenersatzansprüche gegen den Ersatzpflichtigen erlöschen, soweit aus der Unfallversicherung geleistet wird.

Indem durch §164 Abs1 LFG - der so zu interpretieren ist, daß alle Halter eines Luftfahrzeuges verpflichtet werden, in Zusammenhang mit der Durchführung von Flügen (ausgenommen solchen, die unentgeltlich im Rahmen des Flugsports stattfinden) sämtliche Fluggäste (das sind im Regelfall wohl alle Insassen) gegen Unfälle an Bord des Luftfahrzeuges oder beim Ein- und Aussteigen zu versichern - die Verpflichtung zur Fluggast-Unfallversicherung auch auf "private" Halter eines Luftfahrzeuges ausgedehnt wurde, hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, daß nunmehr auch dann, wenn sich Flugunfälle im nichtgewerblichen Luftverkehr ereignen, die betroffenen Fluggäste (bzw. deren Angehörige) mit einer - von der Abwicklung eines Schadenersatzprozesses unabhängigen - Soforthilfe rechnen können.

Dieser Entscheidung des Gesetzgebers kann schon allein in Anbetracht der Komplexität von Flugunfällen und des - durch Statistiken belegten - erhöhten Unfallrisikos von Kleinflugzeugen im nichtgewerblichen Bereich nicht entgegengetreten werden.

Ungeachtet der erst im Jahr 1999 mit BG BGBl. 105/1999 erfolgten rechtlichen Liberalisierung der Selbstkostenflüge (vgl. §102 Abs4 LFG idF dieses BG, wonach u.a. Flüge gegen Ersatz der Selbstkosten mit Luftfahrzeugen, die für höchstens vier Personen im Fluge verwendet werden dürfen, ohne bestimmte - ansonsten erforderliche - Bewilligungen durchgeführt werden dürfen) gibt es gute Gründe, davon auszugehen, daß bereits zum Zeitpunkt der Einführung der Fluggast-Unfallversicherungspflicht für alle Luftfahrzeughalter (1997) eine Praxis bestand, wonach für die Nutzung von Luftfahrzeugen und die Möglichkeit, an einem ("nichtgewerblichen") Flug teilzunehmen, von den Fluggästen eine diesbezügliche wirtschaftliche Gegenleistung erbracht wurde, der auch eine entsprechende versicherungsrechtliche Absicherung gegenüberstehen sollte.

Zusammenfassend geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die durch die Regelung erzielten, oben erwähnten Vorteile in Zusammenhang mit dem Schutz der Fluggäste (und ihrer Angehörigen) es sachlich rechtfertigen, den Halter eines Luftfahrzeuges zum Abschluß einer Fluggast-Unfallversicherung nach §164 Abs1 bis 4 zu verpflichten.

3. Zur behaupteten Verletzung des Eigentumsrechts:

Es steht außer Frage, daß §164 Abs1 erster Satz LFG bei den Haltern eines Luftfahrzeuges in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingreift. Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch der Auffassung, daß dieser Eingriff im öffentlichen Interesse gelegen und nicht unverhältnismäßig ist:

Wie bereits unter Punkt 2 dargelegt, sieht der Verfassungsgerichtshof das öffentliche Interesse darin, daß Fluggästen ein erhöhter Versicherungsschutz zuteil wird. Bei einem Schadensfall soll - wie die Bundesregierung zutreffend ausführt - dem Fluggast oder dessen Angehörigen rasch Hilfe gewährt werden. Der Verfassungsgerichtshof teilt auch die Auffassung der Bundesregierung, wonach der mit der Versicherungspflicht verbundene Eingriff in das in Rede stehende Grundrecht nicht unverhältnismäßig ist, weil "die mit der Kostenbelastung verbundenen Beschränkungen des Vermögens der Antragstellerinnen mit einem Betrag von 2.100,-- S jährlich je Sitz nicht unangemessen sind". Die Höhe dieses Betrages wurde auch von den antragstellenden Parteien in ihrer Replik nicht in Zweifel gezogen.

4. Schließlich geht auch der Vorwurf der antragstellenden Parteien ins Leere, die Bestimmung des §164 Abs1, zweiter Satz, LFG sei so unklar abgefaßt, daß sie gegen Art18 Abs1 B-VG verstoße: Die Bundesregierung weist in ihrer Äußerung zutreffend darauf hin, daß die durch diese Regelung normierte Ausnahme von der Verpflichtung des Halters zum Abschluß einer Fluggast-Unfallversicherung nach der Intention des Gesetzgebers wohl in jenen Fällen Platz greifen soll, in denen eine solche Verpflichtung als nicht angemessen zu qualifizieren wäre. Kriterien sind hiebei die Unentgeltlichkeit des Fluges und dessen Abhaltung "im Rahmen des Flugsports". Der Auffassung der Bundesregierung ist zuzustimmen, daß unter diese Wendung - in restriktiver Interpretation - nur jene Fälle zu subsumieren sind, "in denen sich der Fluggast bewußt ist, daß er auf Grund der im sportlichen Wettkampf zu erzielenden Leistungen ein über das normale Maß hinausgehendes Risiko auf sich nimmt". Die beanstandete Bestimmung ist somit einer Auslegung zugänglich und verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG.

5. Die Bedenken der antragstellenden Parteien treffen also nicht zu; der Antrag erweist sich daher als unbegründet. Er war deshalb abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Determinierungsgebot, Luftfahrt, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G58.1998

Dokumentnummer

JFT_09989381_98G00058_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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