Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****Viehverwertungs-Genossenschaft registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hardix, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Michael A*****, vertreten durch Dr. Robert Amhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen 67.182,84 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Juni 1963, GZ 7 R 132/63, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 14. März 1963, GZ Cg 1394/62-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.531,42 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe ihr laufen Vieh zur agenturmäßigen Vermarktung geliefert. Der erzielte Erlös abzüglich der 2 %igen Vermittlungsprovision sowie der Marktspesen sei mit dem Beklagten abgerechnet worden. In den einzelnen Abrechnungen für die Lieferanten des Beklagten sei vom Bruttoverkaufserlös zugunsten des Beklagten noch ein Fuhrlohn in der Höhe von 25 g pro Kilogramm Lebendgewicht und eine sogenannte Erfassungsprovision von 2 % des Rechnungsbetrages in Abschlag gebracht worden. Dem Beklagten seien von der Klägerin zur Bezahlung des ihm gelieferten Viehes fortlaufend Vorschüsse gewährt worden, die mit den erzielten Verkaufserlösen verrechnet worden seien. Anfang 1962 habe sich zugunsten der Klägerin ein Verrechnungssaldo von 63.988,24 S ergeben. Der Beklagte habe diesen Saldo im Juni 1962 zwar anerkannt, in der Folge aber unbegründete Einwendungen erhoben. Die Klägerin begehrt nunmehr vom Beklagten neben der Bezahlung des obigen Kapitalsaldos auch noch die kontokorrentmässigen Zinsen von 8 % p. a., die bis 16. 8. 1962 3.194,60 S betragen haben. Insgesamt wird daher ein Betrag von 67.182,84 S samt 8 % Zinsen seit 17. 8. 1962 begehrt. Der Beklagte bestritt den Saldo anerkannt zu haben und behauptete zunächst, eine Gegenforderung in der Höhe von 202.991,19 S gegen den Saldo aufgerechnet zu haben. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. 11. 1962 erklärte der Beklagte aber, den Prozeßstandpunkt der Klägerin zu übernehmen. Der Beklagte erklärte ferner unter Verzicht auf sonstige Beweise, nur den Buchsachverständigenbeweis (zum Beweis der rechnungsmäßigen Unrichtigkeit der Klagsforderung) aufrechtzuerhalten. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 14. 3. 1963 brachte der Beklagte wiederum vor, im Hinblick auf das für ihn ungünstige Ergebnis des Sachverständigengutachtens lasse er den in der Tagsatzung vom 13. 11. 1962 eingenommenen Standpunkt fallen und wende nunmehr - unter Anbietung darauf bezüglicher Beweise - ein, dass ihm gegen die Klägerin noch eine Forderung von 104.590,35 S an Fuhrlohn und eine Forderung von 129.304,44 S an Provision zustehe, sodaß sich zugunsten der Klägerin nur ein Saldo von 3.791,74 S ergebe. In dieser Höhe anerkenne er das Klagebegehren. Die Klägerin beantragte, die neu angebotenen Beweise wegen offenbarer Verschleppungsabsicht zurückzuweisen. Sie bestritt überdies das neue Vorbringen und behauptete, der Beklagte habe die Abrechnungen stets ausdrücklich anerkannt. Das Erstgericht wies die neu vorgebrachten Tatsachenbehauptungen des Beklagten und die von ihm dafür angebotenen Beweise wegen offenbarer Verschleppungsabsicht zurück und verurteilte den Beklagten zur Zahlung nach dem Klagebegehren.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Der Beklagte habe nach Vernehmung der seine Buchhaltung besorgenden Zeugin Elisabeth G***** den in der Klagebeantwortung eingenommenen Standpunkt, von der Klägerin eine Provision von 20 g je kg Lebendgewicht des eingekauften Viehs fordern zu können und deshalb eine Forderung von 202.991,19 S gegen die Klägerin zu haben, fallengelassen und erklärt, den Prozeßstandpunkt der klagenden Partei zu übernehmen, vorbehaltlich der Bestreitung der Richtigkeit von 3 Punkten der Abrechnung der Klägerin. In der Erklärung des Beklagten, den Prozeßstandpunkt der Klägerin zu übernehmen, liege ein Tatsachengeständnis im Sinne des § 266 ZPO, daß das Erstgericht der Notwendigkeit enthoben habe, den Klagsanspruch im allgemeinen zu prüfen und nur die Prüfung der erwähnten drei Punkte der Abrechnung erforderlich gemacht habe. Wenn nun die beklagte Partei nach Widerlegung der von ihr aufrechterhaltenen Bekämpfung der Abrechnung in drei Punkten durch das Gutachten des Sachverständigen neuerlich Einwendungen erhoben habe, die sich von den in der Klagebeantwortung geltend gemachten im Grundsätzlichen nicht unterschieden hätten, so sei darin offenkundig eine Verschleppungstendenz gelegen. Wenn der Beklagte überzeugt gewesen wäre, auf Grund einer Vereinbarung noch eine Provisionsforderung gegen die Klägerin zu haben, dann sei es unverständlich, wenn er bloß deshalb, weil möglicherweise auch Fehlbuchungen für den von der Klägerin verrechneten Saldo ursächlich sein könnten, die Einwendung, gegen die Klägerin noch Ansprüche in großer Höhe zu besitzen, fallengelassen habe. Die Behauptung des Beklagten in der Berufung, er habe damit lediglich erreichen wollen, daß solange nicht sämtliche Beweise abgeführt würden, als nicht angenommen werden könnte, die Klagsforderung beruhe nur auf einem Buchungsfehler, sei deshalb nicht überzeugend, weil dem Gericht durch § 189 ZPO die Möglichkeit eröffnet sei, die Verhandlung auf einzelne Streitpunkte zu beschränken. Daher hätten beide Einwendungen nebeneinander erhoben werden können, ohne daß dies zu einem prozessualen Mehraufwand geführt hätte. Zurückgenommene und später wieder angebotene Beweise seien neue Beweise im Sinne des § 179 Abs 1 ZPO, ganz abgesehen davon, daß nur einzelne der neu angebotenen Beweise schon vorher angeboten und dann zurückgenommen worden wären. Das Berufungsgericht erkannte daher das Vorgehen des Erstrichters nach § 179 ZPO für gerechtfertigt und gelangte sohin zur Bestätigung des Ersturteiles.
Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO. Er beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen werde. Hilfsweise stellt er noch einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Der Beklagte bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß in seiner Erklärung, den Prozeßstandpunkt der Klägerin zu übernehmen, ein Tatsachengeständnis liege. Er vertritt die Auffassung, daß dann, wenn ein Tatsachengeständnis angenommen werde, dessen Widerruf nicht in Verschleppungsabsicht erfolgt sei und daher das neue Vorbringen in der Tagsatzung vom 14. 3. 1963 nach § 179 ZPO vom Erstgericht nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen. Der Beklagte macht, wie sich aus diesen seinen Revisionsausführungen ergibt, Verfahrensmängel der ersten Instanz geltend und bekämpft überdies die den Tatsacheninstanzen allein zustehende Beweiswürdigung. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht zeigt der Beklagte in seiner Revision überhaupt nicht auf. Die Anziehung des § 503 Z 4 ZPO ist demnach verfehlt. Das Berufungsgericht hat unbedenklich die Erklärung des Beklagten, den Prozeßstandpunkt der Klägerin zu übernehmen, als Tatsachengeständnis im Sinne des § 266 ZPO gewertet. Selbst wenn man in der oben erwähnten Erklärung des Beklagten auch eine Bezugnahme auf Rechte und Rechtsverhältnisse erblickt, liegt darin dennoch ein Geständnis im Sinne des § 266 Abs 1 ZPO, das nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl hiezu 7 Ob 388/55 = ÖRZ 1956, S 46
ua) auch in bezug auf Rechte und Rechtsverhältnisse abgelegt werden kann, soferne der Gestehende versteht, welche Tatsachen die Rechte und Rechtsverhältnisse zur Grundlage haben. In dem Geständnis eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses liegt das Geständnis eines Komplexes von Tatsachen, die dem zugestandenen Recht oder Rechtsverhältnis zugrunde liegen. Das Berufungsgericht hat sich eingehend mit der Frage befaßt, weshalb es den Standpunkt des Erstgerichtes teilt, daß der Widerruf des Geständnisses durch den Beklagten und dessen weiteres Vorbringen in der Tagsatzung vom 14. 3. 1963 von Verschleppungsabsicht zeige. Der Beklagte, der diese Auffassung des Berufungsgerichtes bekämpft, macht hier in Wahrheit einen Mangel des Verfahrens erster Instanz geltend, den er bereits in seiner Berufung geltendgemacht hat, den das Berufungsgericht aber nicht als gegeben erachtete. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes können jedoch formelle Mängel und verfahrensrechtliche Fehlentscheidungen nur in der nächst höheren Instanz geltend gemacht und angefochten werden. Da die Frage, ob ein Parteivorbringen nach § 179 Abs 1 ZPO als unstatthaft zu erklären ist, eine rein verfahrensrechtliche Frage ist, die mit der meritorischen Beurteilung der Sache nichts zu tun hat, ist die in zweiter Instanz über diese Frage getroffene Entscheidung nicht weiter anfechtbar (6 Ob 219/59 = EvBl 1959 Nr 361 ua). Es ist richtig, daß das Berufungsgericht sich - ebenso wie das Erstgericht mit dem Einfluß des Widerrufes auf die Wirksamkeit des Geständnisses nicht befaßt hat, weil es eben unter Erwägung einer Reihe von Umständen das diesen Widerruf beinhaltende Tatsachenvorbringen dahin beurteilt hat, daß dieses Vorbringen in Verschleppungsabsicht vorgenommen worden sei.
Aus diesen Erwägungen war wie im Spruch zu entscheiden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E77665 8Ob277.63European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1963:0080OB00277.63.1112.000Dokumentnummer
JJT_19631112_OGH0002_0080OB00277_6300000_000