Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried A*****, vertreten durch Dr. Otto Adler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagten Parteien 1.) Erika A*****, und 2.) Helga A*****, und beide vertreten durch Dr. Josef Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, Hauptplatz 32, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 1. August 1963, GZ 5 R 43/63, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 12. Dezember 1962, GZ C 391/62-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 802,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Siegfried und Albert A***** waren Miteigentümer der Liegenschaft E***** mit dem Haus *****. Die beiden haben als Miteigentümer dieser Liegenschaft am 8. 2. 1934 eine Regelung über die Benützung der Räumlichkeiten des Hauses getroffen. Die nach dieser Benützungsregelung, durch die eine Zivilteilung verhindert werden sollte, dem Siegfried A***** zufallenden Räume, nämlich ein zu ebener Erde gelegenes Geschäftslokal, eine anschließende Küche und ein Wohnzimmer wurden in der Folge seinem Bruder Albert A***** - dem anderen Miteigentümer - vermietet (Mietvertrag vom 30. 3. 1939). Am 12. 7. 1962 kündigte Siegfried A***** den Beklagten, die nach dem Ableben des Albert A***** sowohl in dessen Miteigentum als auch in dessen Mietrechte eingetreten sind, diese Räumlichkeiten, die durch die Entfernung der Zwischenwand zu einem Raum vereint und dann durch Aufrichten einer Wand in zwei Räume unterteilt worden waren, unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist aus den Kündigungsgründen des § 19 Abs 1 und § 19 Abs 2 Z 5, 6 und 13 MietG zum 30. 9. 1963 auf.
Das Erstgericht erkannte die Kündigung als wirksam. Es stellte fest, daß die aufgekündigten Räume einschließlich der Auslage, die zur Zeit des Ortsaugenscheines einen frisch eingerichteten Eindruck gemacht habe, einen 21 m langen und 3 m breiten Raum bildeten. Mit Ausnahme der Auslage sei dieser Raum nur mit einigen Stellagen und wenigen Waren belegt. In der Auslage befinde sich eine Aufschrift mit dem Wortlaut: "...... Verkauf nur Hauptplatz Nr 4 ......" Das links von der Hauseinfahrt gelegene Geschäftslokal, über dem straßenseitig die Aufschrift Albert A***** angebracht sei, sei leer. Den Beklagten stünden folgende Räume zur Verfügung: 1) im Hause ***** ein Geschäftslokal 4,5 m x 4,5 m, ein daran anschließender Büroraum 3 x 3 m, ein Raum zur Lagerung von Holz und Kohlenvorräten 6 x 3 m, ein Lagerraum mit alten Ölfässern 6 x 7 m, ein großer Magazinsraum 6 x 6 m, ein großer leerer Garagenraum 11 x 4 m; 2) im Hause *****, das zwischen den Geschäftsräumen der Beklagten im Hause ***** gelegen sei, ein leerstehender unausgebauter großer Geschäftsraum, 4 leerstehende Magazinsräume in der Größe von Schulräumen; 3) im Hause *****, in dem sich das Hauptgeschäft der Beklagten befinde, zwei ebenerdig gelegene Geschäftsräume mit einer Grundfläche von 165 m2, 4 Geschäftsräume im ersten Stock mit 190 m2, ein Montageraum, ein Brennmateriallagerraum, ein Öllagerraum, eine Garage, mehrere vermietete Garagenboxen. Sämtliche Räume in diesem Haus würden zu Geschäftszwecken verwendet und seien zum Teil großzügig modernisiert. Der Kläger hingegen habe nur im Hause ***** einen Werkstättenraum 21 x 4,6 m, einen Materiallagerraum 2 x 2 und einen Maschinenraum 7 x 4,5 m sowie einen unter einem Flugdach befindlichen, im Winter unbenützbaren Reparaturplatz an Geschäftsräumen zur Verfügung. Er sei gezwungen, Ersatzteile und Material, wie Öl, Fahrzeugbestandteile und -zubehör in seiner Wohnung im Hause ***** provisorisch unterzubringen. Der Kläger sei als Markenvertreter von 4 Autogroßhandelsfirmen verpflichtet, das Service an diesen Fahrzeugen durchzuführen und Ersatzteile zu lagern. Er müsse dies aus Konkurrenzgründen tun, weil seine Kunden kein Verständnis dafür aufbrächten, wenn erst jeder Ersatzteil aus Graz beschafft werden müßte. Die Beklagten hätten mit ihrem technischen Geschäft durch die Zunahme der Motorisierung einen großen wirtschaftlichen Aufschwung genommen. Sie besäßen heute neben den von ihnen ursprünglich benützten Geschäftsräumen und den aufgekündigten Räumen ein großes modernes Geschäftshaus am Hauptplatz und ein weiteres Haus am Beginn der ***** mit einem leerstehenden unausgebauten Geschäftsraum und 4 leerstehenden großen Magazinsräumen. Ohne die aufgekündigten Räume stünden den Beklagten insgesamt 21 zum Teil sehr große Geschäftsräume zur Verfügung. Die Räume im Hause ***** würden nur zu einem geringen Teil, die Räume im Hause ***** überhaupt nicht benützt. Dem Überfluß an Räumen der beklagten Partei stehe der dringende Eigenbedarf des Klägers an den aufgekündigten Räumen gegenüber. Dieser Eigenbedarf sei gegeben, da der Kläger eine Existenzgefährdung nur dadurch hintanhalten könne, daß er seine Wohnräume als Lagerraum für Material und Ersatzteile verwende. Die Beklagten selbst hätten keinen Bedarf an einem Ersatzraum, weil sie diesen nicht benötigten. Wenn die Beklagten einen solchen Bedarf behaupteten, weil sie das Haus in der ***** verkaufen wollten und daher über die dort befindlichen Geschäfts- und Magazinsräume nicht verfügen könnten, könne ihnen nicht beigepflichtet werden. Es müsse von ihnen vielmehr verlangt werden, daß sie die ihnen zur Verfügung stehenden Räume zu Geschäftszwecken ausnützten und nicht den Kläger zur Aufrechterhaltung eines ihn wirtschaftlich aufs äußerte belastenden und seine Weiterentwicklung hemmenden Mietvertrages zwängen. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob. Es vertrat den Standpunkt, daß keiner der geltend gemachten Kündigungsgründe gegeben sei. Der Kläger bekämpft das Urteil der zweiten Instanz aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Eine Aufkündigung nach § 19 Abs 2 Z 5 MietG kommt nicht in Frage, weil dieser Kündigungsgrund nur auf die Vermietung von Wohnräumen anwendbar ist. Der Kündigungsgrund der Z 6 des § 19 Abs 2 MietG ist nicht gegeben, weil die in dieser Gesetzesstelle festgelegte Dringlichkeit des Eigenbedarfes einen Notstand voraussetzt, nämlich die unabweisliche Notwendigkeit, einen vorhandenen Zustand sobald als möglich zu beseitigen. Selbst wenn man eine solche Notwendigkeit bejahte, weil der Kläger mit Rücksicht auf den Umfang seines Geschäftsbetriebes genötigt sei, Ersatzteile, die er zum Betrieb seiner Reparaturwerkstätte benötige, in seiner Wohnung zu lagern, wäre aber damit nichts gewonnen, weil der Kläger es unterlassen hat, in der Aufkündigung den Beklagten einen nach Lage und Beschaffenheit angemessenen Ersatz anzubieten. Es ist richtig, daß der Oberste Gerichtshof wiederholt den Standpunkt vertreten hat, es könne die Beistellung von Ersatzräumen unterbleiben, wenn der Mieter weder die gekündigten noch die Ersatzräume benötige. Der Beweis hiefür wurde aber vom Kläger nicht erbracht. Es ist davon auszugehen, daß einer der aufgekündigten Räume ein Gassenlokal ist, das zur Ausstellung von Waren geeignet ist. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes steht aber nur im Hause ***** ein unausgebauter großer Geschäftsraum leer. Unausgebaute Geschäftsräume lassen aber einen Ersatz für ein aufgekündigtes Geschäftslokal nicht entbehrlich erscheinen. Daß die Beklagten ohne die aufgekündigten Geschäftsräume zur Ausstellung ihrer Waren mit den ihnen sonst zur Verfügung stehenden Geschäftsräumen das Auslangen finden könnten, steht nicht fest. Der Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 13 MietG liegt gleichfalls nicht vor. Denn bezüglich dieses Kündigungsgrundes wurde der Beweis nicht erbracht, daß die aufgekündigten Räume nicht zur Befriedigung regelmäßiger geschäftlicher Betätigung verwendet werden. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes waren in den aufgekündigten Räumen Waren, wenn auch in geringer Zahl gelagert, überdies war die Auslage eingerichtet. Daß dies nur geschehen sei, um eine regelmäßige geschäftliche Betätigung vorzutäuschen, ist nicht erwiesen. Es steht nämlich nicht fest, daß die Benützung der gekündigten Räume zu anderen Zeiten weniger weitgehend als zur Zeit des Ortsaugenscheines war.
Es bleibt daher nur noch der Kündigungsgrund des § 19 Abs 1 MietG, der von der Rechtsprechung dann als gegeben angesehen wird, wenn die Lösung des Mietvertrages notwendig ist, um die wirtschaftliche Existenz des Vermieters zu erhalten (MietSlg 3113, 3917, 1918, 3919, 5 Ob 516/59 uva). Daß die Aufrechterhaltung des derzeitigen Zustandes die Lage des Vermieters aber so gefährdete, daß an die Wurzeln seiner Existenz gegriffen würde (MietSlg 5870, EvBl 1955, Nr 24, 6 Ob 96/60, 1 Ob 104/62 ua), kann bei Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes nicht gesagt werden. Die Räume, die dem Kläger zur Ausübung seines Mechanikergewerbes zur Verfügung stehen, sind wohl sehr beschränkt. Er hat aber sein Gewerbe in diesen Räumen bereits seit über 20 Jahren ausgeübt, sodaß sich schon daraus ergibt, daß die Räume ausreichen, die wirtschaftliche Existenz des Klägers zu sichern. Daß der Kläger aus den Einkünften seiner Reparaturwerkstätte allein seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könnte oder die Ausgestaltung seiner Reparaturwerkstätte aus Konkurrenzgründen notwendig wäre, um überhaupt die Existenz des Unternehmens zu gewährleisten, kann den Feststellungen nicht entnommen werden. Auch aus den Behauptungen des Klägers in seiner Aufkündigung kann ein solcher Schluß nicht gezogen werden. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes sowie schon aus den Behauptungen des Klägers in der Aufkündigung ist vielmehr zu entnehmen, daß die Beengtheit der Geschäftsräume auf die Ausweitung des Unternehmens des Klägers und vor allem auf die Einbeziehung eines neuen Geschäftszweiges, nämlich des Handels mit Kraftfahrzeugen sowie der Übernahme des Services für diese Fahrzeuge von vier großen Handelsfirmen, zurückzuführen ist. Es ist eine heute bei Vollbeschäftigung und Hochkonjunktur in bestimmten Wirtschaftszweigen (und das trifft insbesondere auf die mit dem Handel und der Reparatur von Kraftfahrzeugen befaßten Unternehmen zu) sehr häufig anzutreffende Erscheinung, daß mit dem Wachstum von Betrieben eine gewisse Raumnot einhergeht und dadurch die Arbeitsbedingungen der in solchen Unternehmen Beschäftigten einer gewissen Belastung ausgesetzt sind und auch sonst unerquickliche Verhältnisse entstehen. Die Ausweitung eines Unternehmens und gar seine Ausdehnung auf andere Geschäftszweige kann aber nie unter dem Gesichtspunkt der Existenzgefährdung als Kündigungsgrund nach § 19 Abs 1 MietG geltend gemacht werden. Die Deckung des dringenden Eigenbedarfes durch Kündigung eines Geschäftslokales ist laut Gesetz von der Beistellung eines Ersatzlokales abhängig. Die Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 6 MietG würde, wollte man der vorliegenden Kündigung unter Heranziehung der Generalklausel des § 19 Abs 1 MietG stattgeben, ihren Sinn verlieren. Die wirtschaftliche Besserstellung des Mieters gegenüber der wirtschaftlichen Lage des Vermieters ist für die hier zu entscheidende Frage, ob ohne Aufkündigung der gegenständlichen Räume die Existenz des Vermieters gefährdet ist, ebenso ohne Bedeutung wie der Umstand, daß dem Mieter unvergleichlich mehr Raum zur Verfügung steht als dem Vermieter.
Aus diesen Erwägungen war wie im Spruch zu entscheiden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf § 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E77669 8Ob288.63European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1963:0080OB00288.63.1112.000Dokumentnummer
JJT_19631112_OGH0002_0080OB00288_6300000_000