TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/30 2005/06/0042

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Veröffentlicht am 30.03.2005
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
25/02 Strafvollzug;
69/03 Soziale Sicherheit;

Norm

B-VG Art50 Abs2;
B-VG Art7;
ESC;
StVG §70;
StVG §73 Abs1;
StVG §98 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones und als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des M V in G, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Jusitz vom 5. November 2001, Zl. 414.828/68- V.6/2001, betreffend eine Angelegenheit des Strafvollzuges (Durchführung einer Mundhygiene), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizanstalt G eine lebenslange Freiheitsstrafe. Mit Ansuchen vom 13. März 2001 ersuchte er um Ausführung in die Ordination des Anstaltsarztes Dr. X, um dort zur Erhaltung seiner Zähne und seiner Gesundheit eine Mundhygiene-Reinigung durchführen zu lassen. Dem Ansuchen wurde mit Entscheidung des Leiters der Justizanstalt G vom 2. Mai 2001 im Wesentlichen mit der Begründung nicht stattgegeben, dass eine Zahnsteinentfernung auch in der Krankenabteilung der Justizanstalt durchgeführt werden könnte.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 8. Mai 2001 Beschwerde an die belangte Behörde, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass sich die im Wege einer Ausführung begehrte Mundhygiene-Reinigung nicht in einer Zahnsteinentfernung erschöpfe. Eine Mundhygiene-Reinigung werde von Zahnärzten sehr befürwortet, weshalb der Beschwerde um Ausführung und Behandlung auf eigene Kosten stattzugeben wäre.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Beschwerde nicht Folge gegeben. Nach Wiedergabe der Rechtslage (§ 98 Abs. 2, § 70 und § 73 Abs. 1 StVG) heißt es begründend, die gemäß § 73 Abs. 1 StVG zu besorgende einfache konservierende Zahnbehandlung erfolge im Umfang der von der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter diesen gegenüber angebotenen bzw. honorierten Leistungen. Zahnpflege, Mundhygiene und prophylaktische Maßnahmen seien mit Ausnahme der in der Justizanstalt erbrachten Zahnsteinentfernung davon nicht umfasst. Da diese Leistungen daher in der Justizanstalt Insassen gegenüber nicht angeboten würden, stehe auch die hiefür erforderliche Ausstattung in der Justizanstalt nicht zur Verfügung. Insassen stehe es jedoch frei, eine besondere Ausführung (nach Art und Weise) der konservierenden Zahnbehandlung auf eigene Kosten zu begehren. Da Zahnhygienemaßnahmen nicht unter pathologische Behandlungsfälle subsumiert werden könnten, liege kein Anwendungsfall des § 70 StVG vor.

Da es in der Justizanstalt G für die Durchführung der Mundhygiene an der erforderlichen Ausstattung mangle, wäre die praktische Erbringung der begehrten Leistungen nur im Wege einer Ausführung gemäß § 98 Abs. 2 StVG in die Privatordination des Anstaltsarztes zu bewerkstelligen. Die Durchführung einer Mundhygiene bzw. anderer prophylaktischer Maßnahmen stelle zwar eine Angelegenheit persönlicher Natur dar, die aber weder besonders wichtig, noch unaufschiebbar wäre und daher die Anwesenheit des Beschwerdeführers außerhalb der Anstalt nicht dringend erforderlich mache.

Im Übrigen sei dem Beschwerdeführer ein tadellos gepflegtes bzw. durchsaniertes und kariesfreies Gebiss vom Anstaltsarzt attestiert worden und es stehe ihm auch seit 31. August 2001 ein Mundhygieneset zur persönlichen Benützung zur Verfügung.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 70 und 73 sowie § 98 Abs. 1 und 2 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 26/2000 (die Novelle BGBl. I Nr. 138/2000 ist hier nicht von Belang), lauten:

"Beiziehung eines anderen Arztes

§ 70. Kann der Anstaltsarzt nicht erreicht werden, so ist in dringenden Fällen ein anderer Arzt herbeizurufen. Ein anderer Arzt ist ferner zuzuziehen, wenn der Anstaltsarzt dies nach Art und Schwere des Falles für zweckmäßig hält oder wenn der Strafgefangene bei Verdacht einer ernsten Erkrankung darum ansucht und die Kosten dafür übernimmt; zur Bestreitung dieser Kosten darf der Strafgefangene auch Gelder verwenden, die ihm sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen."

"Zahnbehandlung und Zahnersatz

§ 73. (1) Dem Strafgefangenen ist die notwendige Zahnbehandlung zu gewähren. Die konservierende Zahnbehandlung erfolgt in einfacher Form, soweit der Strafgefangene nicht eine besondere Ausführung auf seine Kosten begehrt.

(2) Zahnersatz ist grundsätzlich nur auf Kosten des Strafgefangenen zu gewähren. Soweit der Strafgefangene nicht über die entsprechenden Mittel (Abs. 3) verfügt, sind aber die Kosten des Zahnersatzes, wenn seine Herstellung oder Umarbeitung nicht ohne Gefährdung der Gesundheit des Strafgefangenen bis zur Entlassung aufgeschoben werden kann, vom Bunde zu tragen.

(3) Zur Bestreitung der Kosten, die dem Strafgefangenen nach den vorstehenden Absätzen erwachsen können, darf er auch Gelder verwenden, die ihm sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzuge nicht zur Verfügung stehen."

"Ausführungen und Überstellungen

§ 98. (1) Ein Strafgefangener darf ausgeführt werden, wenn eine inländische Behörde oder Sicherheitsdienststelle darum ersucht oder wenn dazu aus Vollzugs- oder anderen Verwaltungsgründen Veranlassung besteht.

(2) Eine Ausführung, um die der Strafgefangene ersucht, ist bis zum Höchstausmaß von vierundzwanzig Stunden zu gestatten, soweit zur Erledigung besonders wichtiger und unaufschiebbarer Angelegenheiten persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur die Anwesenheit des Strafgefangenen an einem Ort außerhalb der Anstalt dringend erforderlich und die Ausführung nach der Wesensart des Strafgefangenen, seinem Vorleben und seiner Aufführung während der Anhaltung unbedenklich und ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist. Die durch eine solche Ausführung entstehenden Kosten hat der Strafgefangene zu tragen. Zur Bestreitung dieser Kosten darf er auch Gelder verwenden, die ihm sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen. In Ermangelung solcher Mittel sind die Kosten in berücksichtigungswürdigen Fällen vom Bunde zu tragen."

Das Begehren des Beschwerdeführers war darauf gerichtet, aus der Anstalt ausgeführt zu werden, um in der Ordination eines Zahnarztes eine Mund-Hygiene auf eigene Kosten durchführen zu lassen. Unbestritten bleiben die Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass dem Beschwerdeführer vom Anstaltsarzt ein tadellos gepflegtes bzw. durchsaniertes und kariesfreies Gebiss attestiert wurde und ihm auch ein Mundhygieneset zur persönlichen Benützung zur Verfügung steht.

Richtig ist, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Ausführungen des Beschwerdeführers, die begehrte Mundhygienereinigung werde von Zahnärzten sehr befürwortet und gehe über eine bloße Zahnsteinentfernung hinaus, nicht entgegengetreten ist (wobei im Übrigen notorisch ist, dass solche Maßnahmen von den Zahnärzten befürwortet werden). Der Verwaltungsgerichtshof tritt aber nicht der weiteren Annahme des Beschwerdeführers bei, dass die vorgesehene Maßnahme - deshalb - beim Beschwerdeführer in einem Grade "notwendig" wäre, dass die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 StVG und/oder die (strengen) Voraussetzungen des § 98 Abs. 2 StVG gegeben wären. Eine derartige Auslegung ist auch nicht aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen (Art. 7 B-VG) geboten. Aus Art. 11 (betreffend das Recht auf Schutz der Gesundheit) und Art. 13 (betreffend das Recht auf soziale und ärztliche Hilfe (Fürsorge)) der Europäischen Sozialcharta, BGBl. Nr. 460/1969) kann sich schon deshalb nichts Anderes ergeben, weil dieser völkerrechtliche Vertrag gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG mit Erfüllungsvorbehalt ratifiziert wurde und somit nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1999, Zl. 98/09/0208, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 1990, VfSlg 12.558).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. März 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005060042.X00

Im RIS seit

02.05.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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