Norm
Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung §41Kopf
SZ 37/35
Spruch
Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch bei der Kapitalserhöhung zu beachten.
Entscheidung vom 3. März 1964, 8 Ob 50/64. I. Instanz:
Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Gesellschafter der beklagten Gesellschaft mit beschränkter Haftung waren bei der am 8. Jänner 1962 mit einem Stammkapital von 100.000 S erfolgten Gründung: Valentin K. mit 50%, Aloisia K. und Doktor Adolf K. mit je 20% und der Kläger mit 10%. Dasselbe Beteiligungsverhältnis bestand nach einer Kapitalserhöhung auf 300.000 S durch den Beschluß der Generalversammlung vom 6. Oktober 1962.
In der Generalversammlung vom 27. April 1963 wurde gegen die Stimme des Klägers beschlossen, das Stammkapital der Gesellschaft von 300.000 S auf 600.000 S zu erhöhen, wobei vom Erhöhungskapital dem Gesellschafter Valentin K. 180.000 S, den Gesellschaftern Aloisia K. und Dr. Adolf K. je 60.000 S zur Übernahme angeboten wurden. Der Kläger, der vorher erklärt hatte, gegen eine Kapitalserhöhung zu stimmen und gegen einen allfälligen Beschluß in diesem Sinne Widerspruch zu erheben, hat nach Beschlußfassung gegen den Beschluß auch wegen Gesetzwidrigkeit der Verteilung des zur Übernahme angebotenen Erhöhungskapitals Widerspruch erhoben.
Der Kläger begehrt nun Nichtigerklärung des Beschlusses auf Erhöhung des Stammkapitals von 300.000 S auf 600.000 S in Ansehung des Anbotes des Erhöhungskapitals zur Übernahme ausschließlich an Valentin K., Aloisia K. und Dr. Adolf K. Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben. Es stellte außer dem oben wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß der Gesellschaftsvertrag samt Nachträgen keine Bestimmungen über das Bezugsrecht bei Kapitalserhöhungen oder über die hiefür erforderliche Mehrheit enthalte und führte in rechtlicher Hinsicht aus. Die Voraussetzungen der Nichtigkeitsklage gemäß § 41 GesmbHG. seien zwingend. Eine analoge Anwendung des § 195 Z. 4 AktG. sei im österreichischen Rechtsbereich nicht zulässig, weil für die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen durch die Bestimmungen des § 41 GesmbHG. ausreichend gesorgt sei. Die Frage der Sittenwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses sei daher nicht zu erörtern, sondern es sei nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 41 GesmbHG. vorlägen. Da besondere Bestimmungen über die Kapitalserhöhung in der Satzung fehlten, sei gemäß §§ 50, 52 GesmbHG. dafür eine 3/4-Mehrheit erforderlich. Diese Mehrheit sei im vorliegenden Falle erreicht worden. Von den Nichtigkeitsgrunden des § 41 GesmbHG. bleibe daher nur die Verletzung zwingender Vorschriften des Gesetzes. Hiebei müsse es sich aber nicht um eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung handeln. Es falle auch eine Verletzung der Grundprinzipien der Gesellschaft darunter, wozu das Recht auf gleichmäßige Behandlung der Gesellschafter gehöre. Beschlüsse über die Erhöhung des Stammkapitals, durch die alle Gesellschafter vom Bezugsrechte ausgeschlossen würden, seien nicht anfechtbar; wohl aber solche, durch die einzelne Gesellschafter ausgeschlossen worden seien, da hiedurch der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter verletzt werde. Der Beschluß vom 27. April 1963 habe zwar die erforderliche Mehrheit erhalten, verstoße aber bezüglich des Anbotes der Übernahme des Erhöhungskapitales gegen den erwähnten Grundsatz und damit gegen zwingende Vorschriften des Gesetzes. Die Bestimmung des § 52 (3) GesmbHG. sei nur anwendbar, wenn im Erhöhungsbeschluß nichts anderes enthalten sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit dem Ausspruche, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die beklagte Partei macht geltend, der Kläger habe mit seinem Widerspruch gegen die Kapitalserhöhung zum Ausdruck gebracht, daß er nicht bereit sei, von sich aus den Erhöhungsbetrag zu leisten. Das Anbot an die Mehrheit der Gesellschafter, das Erhöhungskapital zu übernehmen, sei daher nur eine Bekräftigung des Standpunktes des Klägers gewesen, durch das seine Interessen nicht berührt werden könnten. Mangels einer Bestimmung über die Übernahme des Erhöhungskapitals im Gesellschaftsvertrag würden die gesetzlichen Regelungen gelten. Diese sähen vor, daß die Gesellschafter binnen 4 Wochen ab Beschlußfassung ein Vorrecht zur Übernahme der neuen Stammeinlage hätten. Der Kläger hätte daher innerhalb dieser Frist die Möglichkeit gehabt, dieses Vorrecht in Anspruch zu nehmen. Er habe es aber nicht getan.
An diesen Ausführungen ist zunächst unrichtig, daß in der Ablehnung der Erhöhung des Stammkapitales durch den Kläger die Weigerung desselben enthalten gewesen sei, den (auf ihn entfallenden) Erhöhungsbetrag im Falle der durch die Mehrheit beschlossenen Erhöhung zu übernehmen. Die Stellungnahme gegen die Kapitalserhöhung und die Übernahme der neuen Stammeinlagen nach dem Verhältnis der bisherigen sind zwei ganz verschiedene Dinge, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Dazu kommt, daß der Kläger im vorliegenden Falle in der Generalversammlung vom 27. April 1963 ausdrücklich Widerspruch gegen den Beschluß auf Anbot des Erhöhungskapitals an die übrigen Gesellschafter erhoben hat. Ebenso unrichtig ist die Ansicht der Revisoren, daß der Kläger gemäß § 52
(3) GesmbHG. Gelegenheit gehabt hätte, binnen vier Wochen ab Beschlußfassung ein Vorrecht auf anteilsmäßige Übernahme der neuen Stammeinlagen auszuüben. Dieses Recht wäre ihm nach der angeführten Gesetzesstelle nur zugestanden, wenn der Erhöhungsbeschluß nichts anderes festgesetzt hätte.
Es bleibt daher die Frage zu untersuchen, ob der Gesellschafterbeschluß, den der Kläger anficht, nichtig im Sinne des § 41 GesmbHG. war. Unter diese Gesetzesbestimmung fallen auch mittelbare Gesetzes- oder Satzungswidrigkeiten (1 Ob 290/61). Als Grundsatz, der im Gesetz nicht ausgesprochen ist, sich aber aus mehreren gesetzlichen Bestimmungen (s. §§ 70 (1), 72 (2) und (3), 75 (1), 82 (2), 91 (3) Satz 2 GesmbHG.) ergibt, wird von der Lehre der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter anerkannt (vgl. Gellis, Komm. zum GesmbHGes. zu § 52, Anm. 7, S. 175, ebenso Baumbach - Hueck, GesmbHGes.[10], Übersicht vor § 13, Anm. 2 C, S. 55/56, Schilling in Hachenburg, Komm. zum Gesetz, betreffend die Gesellschaften m. b. H.[6], 1. Band, § 14, Anm. 23, S. 358/359). Dieser Grundsatz ist auch bei der Kapitalserhöhung zu beachten. Durch einen Beschluß der Generalversammlung können zwar alle bisherigen Gesellschafter von der Übernahme der neuen Stammeinlage ausgeschlossen werden, wenn sie nicht nach den Satzungen ein Bezugsrecht haben, ein Beschluß auf Ausschließung einzelner Gesellschafter bedeutet aber eine Verletzung des Grundsatzes der gleichmäßigen Behandlung aller Gesellschafter (Gellis a. a. O., Schilling in Hachenburg a. a. O., 2. Band, zu § 55, Anm. 8, S. 370/371), zumindest dann, wenn ein solcher Beschluß sachlich nicht gerechtfertigt ist, wie z. B. bei Sacheinlagen, die nur bestimmte Gesellschafter einbringen können (Kastner, NotZtg. 1951, S. 26 f, Baumbach - Hueck a. a. O., zu § 55, Anm. 3 B, S. 230). Daß solche Gründe vorliegen, hat die beklagte Partei nicht behauptet.
Die Untergerichte haben daher den Beschluß der Generalversammlung vom 27. April 1963, soweit er vom Kläger angefochten wurde, mit Recht als nichtig erklärt.
Der Revision war somit nicht Folge zu geben.
Anmerkung
Z37035Schlagworte
Gesellschaft Gleichbehandlungsgrundsatz bei Kapitalserhöhung, Gleichbehandlungsgrundsatz, Kapitalserhöhung einer GesmbH., Kapitalserhöhung einer GesmbH., Gleichbehandlungsgrundsatz, Gesellschaft mbH. Gleichbehandlungsgrundsatz bei Kapitalserhöhung, Gleichbehandlungsgrundsatz, Kapitalserhöhung einer GesmbH., Kapitalserhöhung einer GesmbH., GleichbehandlungsgrundsatzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1964:0080OB00050.64.0303.000Dokumentnummer
JJT_19640303_OGH0002_0080OB00050_6400000_000