TE OGH 1964/4/2 2Ob47/64

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Veröffentlicht am 02.04.1964
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Norm

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §529
ZPO §530 (1) Z7

Kopf

SZ 37/44

Spruch

Es bildet einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund, wenn der Beklagte im Vorprozeß nicht in der Lage war, einen ziffernmäßig begrundeten Einwand betreffend die Pflicht des Ersatzberechtigten, sich eine Rente aus der Sozialversicherung anrechnen zu lassen, zu erheben.

Entscheidung vom 2. April 1964, 2 Ob 47/64. I. Instanz:

Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die beiden Kläger und zwar der Erstkläger als Lenker, der Zweitkläger als Halter eines Kraftfahrzeuges haften zur ungeteilten Hand den Hinterbliebenen des bei einem Verkehrsunfall am 21. Oktober 1960 tödlich verunglückten Zugsführers der Österreichischen Bundesbahnen Friedrich F. für alle Schäden aus diesem Unfall. Sie wurden im Verfahren 4 a Cg .../62 des Erstgerichtes schuldig erkannt, an Entgang im Sinn des § 1327 ABGB. der Beklagten (Gattin des Friedrich F.) 4028.11 S, ferner ihr und ihrer mj. Tochter ab 1. März 1962 monatliche Renten zu bezahlen.

Die Kläger begehren nun die Wiederaufnahme dieses Verfahrens aus dem Grund des § 530 (1) Z. 7 ZPO. und die teilweise Beseitigung des in diesem Verfahren ergangenen, noch nicht rechtskräftigen Urteils vom 15. Jänner 1963. Hiezu brachten sie vor, daß der Beklagten nach ihrem Gatten auf Grund des von ihr am 28. November 1960 gestellten Antrages zufolge Bescheides der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen vom 21. März 1963 eine Witwenrente zukomme und daß diese Versicherungsanstalt Regreßansprüche gegenüber ihrem (der Kläger) Haftpflichtversicherer geltend mache. Die Beklagte müsse sich die diesbezüglichen Empfänge auf ihre Ansprüche gegenüber den Klägern anrechnen lassen. An der rechtzeitigen Geltendmachung dieses neuen Umstandes seien sie im Vorprozeß mangels Kenntnis des Antrages der Beklagten auf Gewährung der erwähnten Rente verhindert gewesen. Die Berücksichtigung dieses Empfanges der Beklagten hätte eine - im einzelnen ziffernmäßig dargestellte - Herabsetzung der der Beklagten im Vorprozeß zugesprochenen Kapital- und Rentenbeträge zur Folge.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Diese sei zwar rechtzeitig erhoben und zulässig, doch sei die Tatsache, auf Grund deren die Beklagte in den Genuß der Witwenrente gelangte, erst mit der Erlassung des Bescheides vom 21. Jänner 1963, somit nach Schluß der Verhandlung im Hauptprozeß (28. September 1962) entstanden und stelle daher im Sinne der Rechtsprechung den angerufenen Wiederaufnahmsgrund nicht dar.

Das Berufungsgericht bewilligte in Abänderung des Ersturteils die Wiederaufnahme und entschied auch im iudicium rescissorium gemäß dem Klagebegehren. Abweichend vom Erstgericht vertrat es den Standpunkt, daß als neue Tatsache nur der Umstand in Betracht komme, daß die Beklagte nach den einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen schon mit dem Tod ihres Mannes, somit lange vor Erlassung des Bescheides vom 21. Jänner 1963, einen Anspruch auf die Witwenrente gehabt habe.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auszugehen ist davon, daß zufolge des Bescheides der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen, somit des nach § 25 (1) Z. 1 lit. c ASVG. zuständigen Trägers der Pensionsversicherung, vom 21. Jänner 1963, der Beklagten gemäß § 529

(1) Z. 2 ASVG. (Wortlaut vor der 9. Novelle zum ASVG., BGBl. Nr. 13/1962) in Verbindung mit § 7 des Bundesgesetzes vom 8. Juli 1948, BGBl. Nr. 177 über die Regelung sozialversicherungsrechtlicher Verhältnisse aus Anlaß der Aufnahme in ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis oder beim Ausscheiden aus einem solchen ein Anspruch auf Witwenrente zusteht. Daraus folgt, daß in bezug auf diese Leistung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Legalzession gemäß § 332 (1) ASVG. Platz greift. Die Kläger haben daher Anspruch auf Berücksichtigung dieser Leistung bei der Berechnung des Entganges der Beklagten im Sinn des § 1327 ABGB. Der einzige von der Beklagten in der Revision gegen das Ersturteil erhobene Einwand, nämlich, daß ihr bis zur Erlassung des Bescheides vom 21. Jänner 1963 nur ein Anwartschaftsrecht zugestanden sei, das mit der erst nach Schluß der Verhandlung in erster Instanz geschehenen Zuerkennung der Rente nicht gleichzusetzen sei, zumal die Beklagte auf die Geltendmachung dieses Anwartschaftsrechtes auch hätte verzichten können, ist nicht stichhältig. Wie das Oberlandesgericht Wien in seinem Gutachten von 21. Dezember 1956, Jv 14.280-2/56, dargelegt hat, ist die Antragstellung auf Leistung nicht Voraussetzung für das Entstehen des Leistungsanspruches, sondern nur in jenen Fällen, in denen Leistungen lediglich auf Antrag festgestellt werden (§ 361 (1) Z. 1 ASVG.), Voraussetzung für die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers. Es kann daher auch dem auf Antrag ergangenen Bescheid nicht die von der Revision vermeinte Bedeutung beigemessen werden. Zutreffend verweisen die Kläger als Revisionsgegner auf die wiederholten höchstgerichtlichen Entscheidungen, denenzufolge auch in der Pensionsversicherung die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Rentenzahlung bereits mit dem Tod des Versicherten und nicht erst mit der Antragstellung entstehen (SZ. XXXIII 147 u. a.). Der Anspruch auf die Versicherungsleistung (im materiellen Sinn - vgl. Anm. 5 zu § 121 ASVG. bei Gehrmann - Rudolph - Teschner) ist somit unabhängig von einer Antragstellung der Beklagten mit dem Tod ihres Gatten existent geworden, mag er auch nach Grund und Höhe erst durch den Bescheid festgestellt worden sein. Der Anspruch der Beklagten aus der Pensionsversicherung ging bereits im Zeitpunkt des Todes ihres Gatten auf den Sozialversicherungsträger über (EvBl. 1961 Nr. 122). Dieser Umstand stellt auch eine neue Tatsache im Sinn des § 530 (1) Z. 7 ZPO. dar. In bezug auf die Rechtzeitigkeit (§ 534 (1) und (2) Z. 4 ZPO.) und Zulässigkeit (§ 530 (2) ZPO.) der Wiederaufnahmsklage tritt das Revisionsgericht den zutreffenden, von der Beklagten gar nicht bekämpften Erwägungen der zweiten Instanz bei, denen lediglich noch hinzugefügt werden mag, daß auch das Vorhandensein des Bescheides der Bundesbahndirektion Villach vom 22. November 1955 nicht geeignet ist, den berechtigten Vorwurf eines Verschuldens im Sinn des § 530

(2) ZPO. zu begrunden. Zwar war der Personalakt des Friedrich F., in dem sich dieser Bescheid befindet, schon während des Verfahrens in erster Instanz dem Gerichtsakt angeschlossen und es spricht der Bescheid ausdrücklich von Rentenanwartschaften in der Sozialversicherung. Keineswegs konnte ihm aber entnommen werden, daß sich für die Beklagte überhaupt eine Rentenleistung gemäß § 7 des Bundesgesetzes vom 8. Juli 1948, BGBl. Nr. 177, ergeben werde. Denn nach dieser Bestimmung steht dem Versicherten beziehungsweise seinen anspruchsberechtigten Hinterbliebenen in Fällen der Anrechnung von Beitrags- und Ersatzzeiten der gesetzlichen Versicherung für die Bemessung des Ruhe(Versorgungs)genusses ein Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Versicherung nur insoweit zu, als sich ein solcher nach den allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ergibt und dieser Anspruch die Rentenleistung übersteigt, die der Sozialversicherungsträger gemäß § 6 dieses Gesetzes an die für die Anweisung des aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gebührenden Versorgungsgenusses zuständige Dienststelle zu erbringen hat. Ob sich diesfalls ein Überschuß für die Beklagte ergibt, war jedenfalls aus diesem Bescheid nicht zu ersehen. Die Kläger wären also als Beklagte im Vorprozeß nicht in der Lage gewesen, einen ziffernmäßig begrundeten Einwand betreffend die Pflicht der Ersatzberechtigten, sich eine Rente aus der Sozialversicherung anrechnen zu lassen, zu erheben.

Die im wiederaufgenommenen Verfahren vom Berufungsgericht gemäß den Klagsbehauptungen vorgenommene Berechnung der Beträge, deren Berücksichtigung sich die Beklagte nach dem Vorgesagten gefallen lassen muß, blieb unangefochten.

Anmerkung

Z37044

Schlagworte

Neue Tatsachen, Wiederaufnahmsklage, Wiederaufnahmsklage, neue Tatsachen, Neue Tatsachen, Wiederaufnahmsklage, Wiederaufnahmsklage, neue Tatsachen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0020OB00047.64.0402.000

Dokumentnummer

JJT_19640402_OGH0002_0020OB00047_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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