Norm
JN §99Kopf
SZ 37/50
Spruch
Auf Forderungen, die dem Beklagten nur formell als indirektem Stellvertreter zustehen, kann der Vermögensgerichtsstand nach § 99 JN. nicht gegrundet werden.
Entscheidung vom 7. April 1964, 8 Ob 101/64. I. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin begehrt mit der am 6. November 1961 überreichten Klage vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes 24.928.65 S. Der Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit mit der Begründung, daß er in Österreich keinen Wohnsitz und auch kein Vermögen habe. Er habe seinen Wohnsitz in T. in Liechtenstein. Die Klägerin behauptete, daß der Vermögensgerichtsstand gegeben sei.
Das Erstgericht erklärte das Verfahren ab Zustellung der Klage als nichtig und wies die Klage wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes und wegen Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit zurück.
Es stellte fest: Das Theaterensemble des Beklagten veranstaltete im Wiener Konzerthaus am 5. November 1961 einen Goethe-Schiller-Weinheber-Abend und am 7. November 1961 einen Rilke-Abend. Die Verhandlungen waren vom Beklagten geführt worden. An ihn wurde auch der Reinertrag der beiden Veranstaltungen von 17.028.72 S ausbezahlt. Buchmäßig wurde als Empfänger das Theaterensemble des Beklagten angeführt. Dieses Ensemble ist eine Unterabteilung der Firma St. Film Company Establishment, Vaduz. Der Beklagte, der das Honorar für die beiden Abende für das Theaterensemble in Empfang genommen hatte, rechnete mit der Firma St. ab, mit der er seit 10. Juni 1955 einen Ausschließlichkeitsvertrag hat und von der er sein Honorar erhält. Das Briefpapier des Theaterensembles bezeichnet als Rechtsträger die Firma St.
Das Erstgericht gelangte zu dem Ergebnis, daß der Beklagte am 6. November 1961 im Inland weder einen ordentlichen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Er habe auch zu diesem Zeitpunkt in Österreich kein Vermögen besessen. Der Klägerin sei nämlich der Nachweis nicht gelungen, daß der Betrag von 17.028.72 S, der von der Wiener Konzerthausgesellschaft für die beiden Vortragsabende dem Beklagten für sein Theaterensemble ausbezahlt worden sei, diesem persönlich zugeflossen sei. Der Beklagte habe diesen Betrag vielmehr an die Firma St. abliefern müssen und von dieser sein Honorar bekommen.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes sowie des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit verwarf und dem Erstgericht die Verhandlung und Entscheidung in dieser Streitsache auftrug. Das Rekursgericht erachtete den Vermögensgerichtsstand für gegeben, weil die Verhandlungen über die beiden Vortragsabende mit dem Beklagten geführt worden seien, der nicht bekanntgegeben habe, daß er den Vertrag im Namen der Firma St. schließe; daher sei der Beklagte aus diesem Vertrag berechtigt und verpflichtet worden. Es sei unentscheidend, ob der Beklagte im Innenverhältnis zur Ablieferung des für die Veranstaltung erzielten Erlöses an die Firma St. verpflichtet gewesen sei oder nicht. Bei einer verdeckten Vollmacht träten beim Machtgeber keine vermögensrechtlichen Wirkungen vor der Abtretung beziehungsweise vor der Übergabe des aus dem Geschäfte Erworbenen ein. Die Ansprüche aus dem Geschäfte gehörten bis dahin zum Vermögen des Machthabers. Daher sei dem Beklagten im Zeitpunkt der Klagseinbringung eine Forderung auf den bei der Vorstellung vom 5. November 1961 erzielten Reinertrag von 7385.11 S gegen die Wiener Konzerthausgesellschaft zugestanden, was das Vorliegen des Gerichtsstandes nach § 99 JN. bewirke.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten Folge und änderte den zweitgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zunächst ist festzuhalten daß die Behauptung des Beklagten, er habe seinen Wohnsitz in T. im Fürstentum Liechtenstein, unwiderlegt blieb. Wenn der Beklagte den Vertrag mit der Wiener Konzerthausgesellschaft im eigenen Namen abgeschlossen hat, ist aus diesem Vertragsverhältnis, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, nur der Beklagte gegenüber der Wiener Konzerthausgesellschaft berechtigt und verpflichtet worden. Er handelte aber hiebei als indirekter Stellvertreter, dessen Forderungen aus dem von ihm mit der Wiener Konzerthausgesellschaft abgeschlossenen Vertrag gegenüber seinen Gläubigern, also auch gegenüber der klagenden Partei, als Forderungen der Firma St. zu gelten haben. Diese Forderungen, die dem Beklagten nicht effektiv, sondern nur formell zustehen, sind daher seinen Gläubigern gegenüber kein Vermögen des Beklagten (vgl. ZBl. 1923, Nr. 202, Ehrenzweig, Allg. Teil[2], I/1, § 113, S. 282 bei Anm. 16). Selbst wenn zufolge Übereinkommens des Beklagten mit der Firma St. der Beklagte berechtigt gewesen wäre, die von ihm eingezogenen Kartenerlöse in der Höhe seines Honoraranspruches gegen nachträgliche Verrechnung zu behalten, ist damit für die Klägerin nichts gewonnen, weil laut Mitteilung der Wiener Konzerthausgesellschaft und Kassabestätigung derselben Gesellschaft vom 9. November 1961 der Überschuß aus den Veranstaltungserlösen von 17.028.72 S von der Wiener Konzerthausgesellschaft am 9. November 1961 ausbezahlt wurde, die Klage aber bereits am 6. November 1961, also vor dem Vermögenserwerb überreicht wurde.
Anmerkung
Z37050Schlagworte
Gerichtsstand des Vermögens, Vermögensgerichtsstand, Gerichtsstand des Vermögens, VermögensgerichtsstandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1964:0080OB00101.64.0407.000Dokumentnummer
JJT_19640407_OGH0002_0080OB00101_6400000_000