Norm
ABGB §479Kopf
SZ 37/62
Spruch
Die Dienstbarkeit, ein Grundstück zum Schifahren und für Schiveranstaltungen zu benützen, berechtigt nicht jedermann, dort Werbungen durchzuführen.
Entscheidung vom 22. April 1964, 6 Ob 66/64. I. Instanz:
Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Erstkläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ. 2 I der KG K.- Stadt, der Zweitkläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ. 1441 der KG. K.-Land. Auf Grund von Vereinbarungen zwischen den Klägern und dem Verkehrsverein bzw. dem Schiklub K., wonach diese gegen Erbringung bestimmter Leistungen berechtigt sind, diese Grundstücke der Allgemeinheit für Wintersportzwecke zugänglich zu machen, werden sie seit über 30 Jahren allgemein in dieser Weise benützt. Auf Grund besonderer Vereinbarungen werden diese Grundstücke auch fallweise abgesperrt und zu Veranstaltungen, so insbesondere für das seit 1929 oder 1930 alljährlich stattfindende Hahnenkammrennen, dessen Zielgelände sich dort befindet, verwendet. Den Veranstaltern steht auch das Recht zu, während solcher Veranstaltungen auf den Grundstücken der Kläger Reklame zu machen, was erst seit etwa 10 Jahren, nämlich seit das Hahnenkammrennen durch das Fernsehen übertragen wird, geschieht.
Im Jänner 1962 lösten sich im Auftrag der beklagten Firma X., Fabrikation von Kosmetika, mehrere Personen Eintrittskarten für das Hahnenkammrennen. Im Zielgelände zeigten sie sich dann mit weißen Anoraks, die die Aufschrift des von der Beklagten erzeugten Sonnenschutzmittels "P. B." trugen. Einer Aufforderung, das Zielgelände zu verlassen, leisteten sie keine Folge.
Das Erstgericht sprach entsprechend dem Klagebegehren aus, daß der Beklagten kein Recht zustehe, die Grundstücke der Kläger zu Werbezwecken welcher Art immer zu benützen, und verurteilte die Beklagte, die Vornahme von Werbungen auf diesen Grundstücken durch Personen, die mit Werbeaufschriften versehene Kleidungsstücke tragen, sofort zu unterlassen.
Es stellte noch fest, die Stadtgemeinde K. habe hinsichtlich der strittigen Grundstücke ein Bauverbot ausgesprochen, um sie für Wintersportzwecke zu sichern, da die sogenannte Streifabfahrt über die Grundstücke führe. Hingegen sei ein die Ersitzung betreffender Gemeinderatsbeschluß niemals gefaßt worden. Eine andere Benützung der Grundstücke durch die Allgemeinheit sei nicht gestattet, das Begehen ohne Schier sei sogar behördlich verboten und nur während der Rennen auf Grund besonderer Vereinbarung gegen Entrichtung eines Eintrittsgeldes zulässig. Auch während eines Rennens sei es nur mit Zustimmung des veranstaltenden Klubs erlaubt, auf diesen Grundstücken Reklame zu machen.
Mangels eines den Besitzwillen äußernden Gemeinderatsbeschlusses sei Gemeingebrauch an den Grundstücken der Kläger nicht ersessen worden. Aber auch bei Annahme der Ersitzung einer Servitut würde sie nur das Schifahren, nicht aber das ausdrücklich verbotene Begehen umfassen. Keinesfalls könnte ein Recht, dort Reklame zu machen, ersessen worden sein, da dies über den notwendigen Zweck der Dienstbarkeiten hinausginge und Dienstbarkeiten einschränkend auszulegen seien. Die Kläger seien daher nicht verpflichtet, das Vorgehen der Beklagten auf ihren Grundstücken zu dulden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und hob das Urteil insoweit, als festgestellt wurde, daß der Beklagten kein Recht der Benützung der Liegenschaften zu was immer für Werbezwecken zustehe, gemäß § 477 (1) Z. 9 ZPO. als nichtig auf. Im übrigen wurde das Ersturteil bestätigt und ausgesprochen, daß der Streitwert des Unterlassungsbegehrens 10.000 S übersteige.
Die Beklagte bekämpft den bestätigenden Teil des berufungsgerichtlichen Urteils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, ihn dahin abzuändern, daß dieser Teil des Klagebegehrens abgewiesen werde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die Frage, ob die Benützung der Grundstücke der Kläger zwecks Ausübung des Wintersportes auf besonderen Vereinbarungen zwischen den Klägern und dem Verkehrsverein bzw. dem Schiklub K. beruht oder ob daran ein Gemeingebrauch ersessen wurde, auf sich beruhen kann. Im einen wie im anderen Falle kommt es darauf an, ob dieses Recht zur Ausübung des Wintersports das Recht enthält, auf den Grundstücken Reklame zu machen. Dies wurde von den Untergerichten mit Recht verneint.
Auch für unregelmäßige Dienstbarkeiten im Sinne des § 479 ABGB. - und nur um eine solche kann es sich hier handeln gilt die allgemeine Vorschrift des § 484 ABGB., wonach Servituten nicht erweitert werden dürfen, sondern vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten, einzuschränken sind. Die Werbung für ein Sonnenschutzmittel ist mit der Ausübung des Wintersports keineswegs so verknüpft, daß sie auch ohne besondere Vereinbarung selbstverständlich darin enthalten wäre. Die Untersagung dieser Werbung verstößt in keiner Weise gegen Natur und Zweck der Dienstbarkeit, die Grundstücke zwecks Ausübung des Wintersportes zur Verfügung zu stellen. Vielmehr würde die Durchführung von Werbungen zweifellos eine Erweiterung der Servitut bedeuten; sie ist daher schon nach § 484 ABGB. unzulässig.
Dies gilt für den vorliegenden Fall umso mehr, als feststeht, daß die Dienstbarkeit von allen Beteiligten ausdrücklich auf Wintersportzwecke beschränkt und diese Beschränkung nach verschiedenen Richtungen hin deutlich abgegrenzt wurde. So besteht z. B. ein ausdrückliches Verbot, die strittigen Grundstücke außer bei Veranstaltungen ohne Schier zu betreten. Für Veranstaltungen, die eine zusätzliche Inanspruchnahme der Grundstücke darstellen, wurden eingehende Sondervereinbarungen getroffen, in denen auch das Recht zur Werbung besonders geregelt ist. Außerhalb dieser Rennen findet keine Werbung statt. Für die Annahme eines jedermann und damit auch der Beklagten zustehenden Rechtes, auf diesen Grundstücken Werbung in irgendeiner Form durchzuführen, fehlt somit jede Grundlage. Auch aus der in der Revision zitierten Entscheidung JBl. 1962 S. 148 ist für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen. Diese Entscheidung besagt nur, daß auch das Recht der Schiabfahrt ersessen werden kann, nicht aber daß damit auch das Recht, auf dem Wintersportgelände Werbeaktionen durchzuführen, begrundet sei.
In den Unterinstanzen hatte die Beklagte eingewendet, bei Sportveranstaltungen sei z. B. die Verwendung von Schiern, die den Namen der Erzeugerfirma tragen, allgemein üblich und ebenso verwendeten Ausländer Kleidungsstücke mit dem Namen ihrer Sportorganisationen oder Colleges. Dieser Einwand, der vom Berufungsgericht zutreffend damit widerlegt wurde, daß dadurch nicht in auffallender Weise ein bestimmtes Erzeugnis angepriesen werden soll, wird in der Revision nicht mehr aufrecht erhalten. Hingegen wird darin nunmehr auf die von Fluggesellschaften an ihre Reisenden verteilten Plastiktaschen, sowie auf die von Lebensmittelfirmen beigestellten Provianttragtaschen verwiesen, die gerade bei Sportveranstaltungen von deren Besuchern vielfach verwendet werden. Auch aus diesen Beispielen ist für die Beklagte nichts zu gewinnen, da diese Taschen zwar zweifellos von den Unternehmungen aus Reklamegrunden an ihre Kunden gegeben, nicht aber von diesen zu Werbezwecken bei Sportveranstaltungen mitgeführt werden. Die Beklagte wäre ja auch nicht dafür verantwortlich, daß Schifahrer oder Zuschauer auf den Grundstücken der Kläger das Sonnenschutzmittel "P. B.", das sie vorher erworben oder als Reklame erhalten haben, in der handelsüblichen Verpackung verwenden. Dem vorliegenden Fall wäre es nur vergleichbar, wenn etwa eine Fluggesellschaft mehrere Personen mit besonders auffallenden Werbetaschen ausstatte und so auf ihre Kosten auf das Gelände der Kläger entsenden würde.
In der Frage der Wiederholungsgefahr entspricht es einheitlicher Lehre und Rechtsprechung, daß bei deren Prüfung nicht engherzig vorgegangen werden darf. Es genügt die ernstliche Besorgnis weiterer ähnlicher Handlungen, wobei auf das Verhalten der Beklagten Bedacht zu nehmen ist (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, S. 86, Schönherr - Saxl - Wahle, S. 338 ff., SZ. XXXIII 130, XIII 73 u. v. a.). Als Indiz für das Vorhandensein einer Wiederholungsgefahr kann es insbesondere gewertet werden, wenn die Beklagte im Prozeß ihre Unterlassungspflicht bestreitet (EvBl. 1961 Nr. 75).
Im vorliegenden Fall steht fest, daß auf den Grundstücken der Kläger auch in den kommenden Jahren Schi gefahren wird, und es werden auch weiter Hahnenkammrennen und sonstige Sportveranstaltungen dort stattfinden. Wiederholungsmöglichkeiten sind somit in unbeschränkter Zahl gegeben. Die Beklagte verficht ihr Recht zur Vornahme von Werbeaktionen auf den Grundstücken der Kläger durch drei Instanzen und gibt damit im Sinne der vorangeführten Literatur mit hinreichender Deutlichkeit ihre Wiederholungsabsicht zu erkennen.
Es trifft auch nicht zu, daß die von den Klägern gewählte Fassung des Unterlassungsbegehrens zu allgemein ist. Das Verbot der Vornahme von Werbungen auf den Grundstücken der Kläger durch Personen, die mit Werbeaufschriften versehene Kleidungsstücke tragen, ist vielmehr ganz auf den Streitfall abgestellt und in jeder Richtung abgegrenzt.
Anmerkung
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ECLI:AT:OGH0002:1964:0060OB00066.64.0422.000Dokumentnummer
JJT_19640422_OGH0002_0060OB00066_6400000_000