Norm
Handelsgesetzbuch §25Kopf
SZ 37/106
Spruch
Die Inanspruchnahme des Beklagten unter der von diesem fortgeführten Firma reicht ohne weiteres Tatsachenvorbringen zur Geltendmachung der Haftung nach § 25 (1) HGB. aus.
Entscheidung vom 14. Juli 1964, 8 Ob 207/64. I. Instanz:
Bezirksgericht für Handelssachen Wien; II. Instanz: Handelsgericht Wien.
Text
Der Kläger brachte vor, er habe die beklagte Partei, die protokollierte Firma J. P., in steuerlichen Belangen vertreten und die Bilanz zum 31. Dezember 1962 erstellt; ferner habe er im Auftrag der beklagten Partei die Gewerbesteuererklärung verfaßt. Für diese Arbeiten begehre er das Honorar von 6000 S, das von der beklagten Partei anerkannt und auch in der Bilanz vom 31. Dezember 1962 rückgestellt worden sei.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es ist hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen: Josefine P. habe unter der Firma J. P. bis Ende 1962 einen Handel und eine Erzeugung chem.-techn. Produkte betrieben. Sie habe ihr Unternehmen bereits im Jahre 1961 mit allen Aktiven und Passiven mit Wirkung vom 1. Jänner 1961 an Günther D. verkauft. Die Übergabe des Unternehmens sei durch Bezahlung des Kaufpreises aufschiebend bedingt gewesen und am 2. Jänner 1963 erfolgt. Günther D. führe die Firma J. P. fort. Der Kläger sei durch sieben oder acht Jahre als Steuerberater für die Firma J. P., also für Josefine P. tätig gewesen. Diese habe ihm etwa im November 1962 den Auftrag erteilt, die Bilanz des Unternehmens zum 31. Dezember 1962 zu erstellen und die Gewerbesteuererklärung für sie zu verfassen. Das Honorar dafür sei zwischen dem Kläger und Josefine P. mit dem Betrage von 6000 S vereinbart worden. Günther D. habe dem Kläger auf dessen Ersuchen die Bücher des Unternehmens und andere auf die Bilanz Bezug habende Unterlagen zur Verfügung gestellt. Der Klager habe diese Unterlagen im Auftrage der Josefine P. eingeholt und für seine Bilanzarbeiten verwendet. Der Kläger habe seine Honorarrechnung mit dem Datum 27. Mai 1963 vor Fertigstellung der Bilanz an die Firma J. P. gelegt. Die Rechnung sei der Josefine P. zugekommen; diese habe sie mit dem Vermerk "in Ordnung, bitte überweisen" versehen und offenbar an den Prokuristen der beklagten Partei Paul D. weitergereicht, der sie ebenfalls überprüft, dem Gründe und der Höhe nach in Ordnung befunden und zur Zahlung angewiesen habe. Mit dem Kläger habe Paul D. aus diesem Anlaß keinen Kontakt aufgenommen. Am 31. Mai 1963 sei die Honorarnote zum Alleininhaber der beklagten Partei Günther D. gekommen. Dieser habe in der Fußnote eines Schreibens vom gleichen Tage dem Kläger mitgeteilt, es sei ihm die Honorarnote des Klägers eben vorgelegt worden und er könne sie vorläufig nicht anerkennen. Später, als der Kläger sein Honorar eingemahnt habe, sei ihm vom Prokuristen Paul D. mitgeteilt worden, daß er als Prokurist die Honorarnote des Klägers in Ordnung befunden habe, daß jedoch Günther D. als Alleininhaber der beklagten Partei die Zahlung des Honorars abgelehnt habe, er könne seinen Bruder zur Zahlung des Honorars nicht zwingen. In der Bilanz zum 31. Dezember 1962, betreffend die Firma J. P., Alleininhaberin Josefine P., sei ein Bilanzhonorar des Klägers in der Höhe von 6000 S als Passivpost zurückgestellt worden. Josefine P. habe das Honorar nicht bezahlt. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Der Kläger fordere sein Honorar von Günther D. in seiner Eigenschaft als Alleininhaber der Firma J. P., wobei er ihn gemäß § 17 (2) HGB. unter der übernommenen Firma klage. Den Auftrag für seine Arbeiten habe er nicht von Günther D., sondern von Josefine P. als der früheren Alleininhaberin des unter der Firma J. P. protokollierten Unternehmens erhalten. Die Tätigkeit des Klägers habe sich auf die Erstellung der Bilanz und die Verfassung der Gewerbesteuererklärung für Josefine P. und nicht für Günther D. bezogen. Ein Auftrag des letzteren liege nicht vor. Ebensowenig habe dieser die Honorarforderung des Klägers anerkannt. Einen Haftungstatbestand nach § 1409 ABGB. oder § 25 HGB. habe der Kläger nicht behauptet. Eine Kündigung der dem Kläger von der Firma J. P. seinerzeit erteilten Vollmacht durch Günther D. sei nicht erforderlich gewesen. Da ein Anspruch des Klägers gegen Günther D. nicht bestehe, sei auch auf die Frage der Fehlerhaftigkeit und Mangelhaftigkeit der Leistungen des Klägers nicht einzugehen gewesen.
Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache unter Beifügung eines Rechtskraftvorbehaltes an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes übernommen und in rechtlicher Hinsicht ausgeführt: Die beklagte Partei sei eine Einzelfirma, welche noch vor Klagseinbringung auf den jetzigen Alleininhaber übergegangen sei. Die Inanspruchnahme der beklagten Partei durch den Kläger setze die Anwendung des § 25 HGB. voraus, da die Klage nicht gegen die seinerzeitige Alleininhaberin der beklagten Partei gerichtet sei. Die der Klage zugrundeliegende Verbindlichkeit sei mit der Auftragserteilung vor Übergabe des Unternehmens entstanden und sei von der Vorausleistungspflicht des Klägers abhängig gewesen. Im Zeitpunkte der Übernahme des Unternehmens durch den jetzigen Alleininhaber sei die Verbindlichkeit noch nicht fällig gewesen, sie sei aber dem Übernehmer schon vor der Übernahme bekannt gewesen. Die Bilanz diene als Grundlage für die Umsatz-, Gewerbe-, Einkommen- und Vermögensteuer. Die beiden erstgenannten Steuern seien Unternehmenssteuern, die beiden letztgenannten aber Personalsteuern, welche nur die frühere Alleininhaberin der beklagten Partei berühren. Gemäß § 14 Bundesabgabenordnung (BGBl. Nr. 194/1961) hafte bei Unternehmensübergang der Erwerber für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens grunde, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginne des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Da gemäß § 137 Bundesabgabenordnung eine Bilanz vorzulegen sei und diese die Grundlage für die Ermittlung der Umsatz- und Gewerbesteuer bilde, handle es sich bei der klagsgegenständlichen Schuld um eine solche, die das Unternehmen betreffe. Daß die Bilanz auch zur Ermittlung der nur die frühere Alleininhaberin treffenden Einkommen- und Vermögensteuer diene, ändere daran nichts. Ebenso hätte der Erwerber des Unternehmens die dem Kläger von Josefine P. erteilte Vollmacht aufkundigen müssen, wenn er mit der weiteren Tätigkeit des Klägers als Steuerberater nicht einverstanden gewesen wäre, da es sich nicht um eine private, nur in der persönlichen Sphäre der Josefine P. begrundete Vollmacht gehandelt habe. Da der Beklagte einen Ausschluß der Haftung gemäß § 25 (2) HGB. nicht behauptet habe, könne der Kläger seinen Anspruch gegen ihn geltend machen. Das erstgerichtliche Urteil sei jedoch aufzuheben gewesen, da das Erstgericht auf die übrigen Einwendungen der beklagten Partei (Fehler- und Mangelhaftigkeit der vom Kläger erbrachten Leistungen) nicht eingegangen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es trifft zwar zu, daß die Firma eines Einzelkaufmannes nur der Name ist, unter dem der Einzelkaufmann seine Handelsgeschäfte betreibt, seine Unterschrift abgibt und klagen oder geklagt werden kann (§ 17 HGB.). Es ist auch richtig, daß der Kläger, der nach dem 2. Jänner 1963 - dem Tag der Übernahme des Unternehmens der Firma J. P. durch Günther D. - die Firma J. P. geklagt hat, damit Günther D. selbst geklagt hat. Dem Berufungsgericht ist jedoch zuzustimmen, daß die Inanspruchnahme des Beklagten unter der von diesem fortgeführten Firma durch den Kläger auf Grund einer unter dieser Firma vor dem Unternehmensübergang eingegangenen Verbindlichkeit als für die Geltendmachung der Haftung nach § 25 HGB. noch genügendes tatsächliches Vorbringen angesehen werden kann. Wenn die Geltendmachung dieses Rechtsgrundes im Verfahren erster Instanz vom Kläger ausdrücklich abgelehnt worden wäre, hätte dies protokolliert werden müssen, was aber nicht geschehen ist. Aus dem gesamten Vorbringen des Klägers ergibt sich, er mache den Beklagten als Übernehmer des Unternehmens J. P. für die von Josefine P. eingegangene Verbindlichkeit haftbar, denn er hat in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27. Jänner 1964 selbst vorgebracht, daß er den Auftrag schon in einem Zeitpunkt erhalten habe, in dem die Übergabsvereinbarung noch nicht wirksam gewesen sei und daß der Beklagte von dem Auftrag Kenntnis gehabt und die Vollmacht nach dem Unternehmensübergang nicht widerrufen habe.
Die Ausführungen des Rekurses des Beklagten, die Verpflichtung zur Errichtung einer Bilanz und einer Gewerbesteuererklärung sei keine Unternehmens-, sondern eine Unternehmerpflicht, gehen ins Leere. Denn es kann nicht zweifelhaft sein, daß es sich hiebei um Verpflichtungen handelt, die zum Betrieb eines Unternehmens gehören, und daß vom Geschäftsinhaber unter seiner Firma an einen Buchsachverständigen erteilte Aufträge zur Verfassung einer Bilanz und einer Steuererklärung Verbindlichkeiten im Rahmen des Geschäftsbetriebes begrunden. Für solche Verbindlichkeiten haftet aber der Erwerber eines Handelsgeschäftes, der dieses unter der bisherigen Firma (mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes) fortführt, gemäß § 25 HGB. Dafür, daß gerade die aus einem Werkvertrag entspringenden Verbindlichkeiten nicht Verbindlichkeiten im Sinne dieser Gesetzesstelle seien, gibt das Gesetz keinen Anhaltspunkt.
Das Berufungsgericht hat daher mit Recht ausgesprochen, daß es notwendig sei, auf die vom Beklagten erhobenen Gegenforderungen einzugehen.
Dem Rekurs war somit nicht Folge zu geben.
Anmerkung
Z37106Schlagworte
Firmenübernahme, Haftung nach § 25 HGB., Haftung des Firmenübernehmers nach § 25 HGB., Firmenübernahme, Haftung nach § 25 HGB., Haftung des Firmenübernehmers nach § 25 HGB.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1964:0080OB00207.64.0714.000Dokumentnummer
JJT_19640714_OGH0002_0080OB00207_6400000_000