Norm
ABGB §1295Kopf
SZ 37/110
Spruch
Für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches des Verpflichteten gegen die betreibende Partei genügt nicht die bloße Behauptung, daß eine Überpfändung stattgefunden habe, die durch längere Zeit aufrechterhalten worden sei, und der Verpflichtete dadurch Schaden erlitten habe. Es müssen konkrete Tatsachen behauptet werden, nach denen der betreibende Gläubiger (Beklagte) eine rechtswidrige Schädigung des Verpflichteten (Klägers) böswillig herbeigeführt hat.
Entscheidung vom 31. August 1964, 3 Ob 74/64. I. Instanz:
Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.
Text
Das Bankhaus S. erwirkte als Zessionar des Beklagten auf Grund eines Anspruches aus Warenlieferungen gegen den nunmehrigen Kläger das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Linz vom 22. Jänner 1959, 2 Cg 1214/58, über einen Betrag von 17.940.80 S s. A. Zur Hereinbringung dieser Forderung wurde dem genannten Bankhaus mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 26. Mai 1959, 11 E 4776/59-1, die Fahrnisexekution bewilligt. Diese wurde am 24. Juni 1959 beim Verpflichteten (nunmehrigen Kläger) teils durch Anschlußpfändung (PZl. 2, 3, 5 bis 7, 9, 37, 39 bis 44 des Pfändungsprotokolles E 4411/56; Bleistiftwert 13.500 S; Forderungen der im Range vorangehender Pfandgläubiger insgesamt 10.730.58 S ohne Nebengebühren), teils durch Neupfändung (647 Paar Schuhe im Bleistiftwert von 64.700 S, ein Schreibtisch und eine Aktenstellage) vollzogen. Die Neupfändung erfolgte gleichzeitig zugunsten anderer Gläubiger zur Hereinbringung von vollstreckbaren Forderungen, die sich an Kapital und bereits entstandenen Nebengebühren auf 44.695.03 S beliefen. Die neugepfändeten Schuhe wurden einem Speditionsunternehmen in Linz zur Verwahrung übergeben.
Der Verpflichtete (nunmehrige Kläger) erwirkte im Rechtsstreit 11 C 20/59 des Bezirksgerichtes Linz auf Grund einer Oppositionsklage gegen die betreibende Partei S. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 25. Jänner 1961, 3 Ob 448/60, nach welchem der Anspruch aus dem Versäumungsurteil des Landesgerichtes Linz vom 22. Jänner 1959, 2 Cg 1214/58, auf Zahlung von 17.940.80 S s. A. erloschen ist, soweit er den Betrag von 1777.83 S an Kapital und 9.5% Zinsen hievon seit 31. Oktober 1959 und an den bis 30. Oktober 1959 bewilligten Exekutionskosten den Betrag von 1702.97 S und die nach dem 30. Oktober 1959 entstandenen weiteren Exekutionskosten übersteigt. Im Zuge dieses Rechtsstreites zedierte das Bankhaus S. mit Notariatsakt vom 5. März 1960 die vom Oppositionsstreit betroffene Forderung an den Beklagten zurück, der in das gegen den Kläger anhängige Exekutionsverfahren 11 E 4776/59 als betreibende Partei eintrat. Auf seinen Antrag wurde das Exekutionsverfahren bezüglich der gepfändeten Schuhe mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 15. Dezember 1961 eingestellt und die Pfandverwahrung aufgehoben.
Der Kläger begehrt mit seiner am 13. März 1962 eingebrachten, abermals auf § 35 EO. gestützten nunmehrigen Klage, daß auch der laut dem obigen Urteil des Obersten Gerichtshofes weiter bestehende Anspruch aus dem Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Linz vorn 22. Jänner 1959 erloschen sei. Er bringt vor, daß die im Juni 1959 gepfändeten und verwahrten Schuhwaren einen Wert von mehr als 120.000 S gehabt hätten. Wenn der Beklagte nur zur Hereinbringung der ihm tatsächlich zustehenden 1777.83 S (statt des Gesamtbetrages von "rund 25.000 S") Exekution geführt hätte, hätte er in einer bloßen Anschlußpfändung leicht Deckung gefunden. Der Marktwert der Schuhe sei durch Änderung der Mode nach fast dreijähriger Lagerung um weit mehr als 50% gesunken und es sei ihm dadurch ein Schaden von mehr als 10.000 S entstanden. Er habe ferner einen Verdienstentgang erlitten, dessen Höhe ein Sachverständiger bestimmen möge. Weiter habe er durch die Pfändung und Verwahrung der Schuhe eine Kreditschädigung erlitten. Schließlich sei der Hausbesitzer durch die rigorose Neupfändung in den damaligen Lagerräumen verärgert gewesen und habe ihm die Lagerräume sofort gekundigt, so daß er neue Räume zu einem wesentlich höheren Mietzins habe mieten müssen; dadurch sei ihm gleichfalls ein Schaden entstanden, den ein Sachverständiger feststellen möge. Er habe diese Aufrechnung erst nach Herablangen des Urteils des Obersten Gerichtshofes (3 Ob 448/60) bzw. nach Aufhebung der Verwahrung durch den Beklagten geltend machen können.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß die laut dem erwähnten Urteil des Obersten Gerichtshofes noch offene Forderung des Beklagten am Tage der Klagseinbringung nach Zuwachs von Zinsen und Kosten und unter Berücksichtigung von Teilzahlungen 5951.46 S betragen habe. Es stellte ferner fest, daß 299 Paar der gepfändeten Schuhe - gemäß einem in diesem Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten, das wegen vorherigen Abtransportes der anderen Schuhe nur mehr über diese Teilmenge habe erstattet werden können - zur Zeit der Vornahme der Pfändung einen Wert von 79.054 S gehabt hätten und zur Zeit der Aufhebung der Verwahrung am 15. Dezember 1961 nur mehr 9851.73 S wert gewesen seien. Eine Neupfändung zur Hereinbringung auch der tatsächlichen im Pfändungszeitpunkt am 24. Juni 1959 bestandenen Forderung des Beklagten von 4641.97 S sei erforderlich gewesen, weil die Pfandgegenstände, bezüglich deren die Anschlußpfändung vorgenommen worden sei, mit einem voraussichtlich erzielbaren Erlös von 13.500 S bewertet und zugunsten von Vorranggläubigern für eine Gesamtforderung von bereits 10.730.58 S gepfändet gewesen seien. Die Neupfändung sei jedoch, ungeachtet des gleichzeitig zugunsten anderer Gläubiger für Forderungen von 44.695.60 S begrundeten Pfandrechtes, in zu weitem Umfange durchgeführt worden. Im Hinblick auf die Feststellungen aus dem Sachverständigengutachten über den Wert der Schuhe könne bezüglich der gesamten Schuhmenge von 647 Paar ein Mindestwert von mehr als 80.000 S (halber Schätzwert) angenommen werden. Es sei davon auszugehen, daß Schuhe im Werte von mindestens 22.807.51 S (Unterschied zwischen dem Schätzungsbetrag von 79.054 S für 299 Paar Schuhe als etwa der Hälfte aller gepfändeten Schuhe und dem vom Erstgericht in diesem Zusammenhang offenbar unrichtig errechneten Gesamtbetrag der Forderungen von 56.246.49 S) infolge der um 15.236.26 S überhöhten Forderung des Beklagten zu viel gepfändet worden seien. Der Beklagte sei daher im Zeitpunkt der Klagseinbringung dem Kläger jedenfalls zum Ersatz eines Schadens von 5941.56 S verpflichtet gewesen, so daß die noch offene Forderung des Beklagten in gleicher Höhe durch Aufrechnung erloschen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, daß die Summe der zu befriedigenden Ansprüche (im Pfändungszeitpunkt 49.337 S) nicht mit dem Betrag zu vergleichen sei, den der Verpflichtete bei einem Verkauf der Pfandgegenstände in seinem Geschäft erzielt hätte, sondern nur mit dem voraussichtlichen Erlös aus einem exekutiven Verkauf, also praktisch mit dem Bleistiftwert. Bei der Feststellung, ob genügend gepfändet wurde, müsse immer damit gerechnet werden, daß höchstens dieser Bleistiftwert aus einem Zwangsverkauf der Pfandgegenstände zu erzielen sei. Im vorliegenden Fall müsse daher bei der Untersuchung, ob der Beklagte (dessen Rechtsvorgängerin) bei der Pfändung etwa zu weit gegangen sei, der Betrag von 49.337 S einem Betrag von zirka 64.700 S (Bleistiftwert der gepfändeten 647 Paar Schuhe) gegenübergestellt werden. Dieser Pfandwert übersteige die Summe der bei der Pfändung zu berücksichtigenden Ansprüche nur um etwa 15.000 S; diese Differenz würde sich selbst dann nicht wesentlich vergrößern, wenn man annehmen wollte, daß ein Teil der Ansprüche der betreibenden Gläubiger schon in der gleichzeitig durchgeführten Anschlußpfändung seine Deckung gefunden hätte; denn der Überschuß, der zur Befriedigung der betreibenden Partei oder der beigetretenen Gläubiger bei dieser älteren Pfandmasse nach Abzug der vorangehenden Forderungen verblieben wäre, hätte nur ganz unbedeutend gewesen sein können. Der Bleistiftwert der Pfandgegenstände übersteige daher die Gesamtheit der zu befriedigenden Ansprüche nur um etwa 30%, so daß von einer unmäßigen Überdeckung oder gar einer schuldhaften Überpfändung keine Rede sein könne. Es dürfe nicht übersehen werden, daß das Gericht und der betreibende Gläubiger bei der Auswahl der Pfandgegenstände mit einem teilweisen Ausfall von Pfandobjekten (z. B. wegen erfolgreicher Exszindierung) oder mit einem schlechten Verkaufserlös zu rechnen haben; auch müßten die weiterhin auflaufenden Zinsen und Kosten berücksichtigt werden; daher sei im Interesse einer vollständigen Sicherung der betriebenen Forderung dafür zu sorgen gewesen, daß die Deckung nicht zu knapp war, und es habe eher mehr als zu wenig gepfändet werden müssen. Eine zu weit gehende Pfändung lasse sich schließlich leichter einschränken als eine versäumte Pfändung nachholen, insbesondere bei einem Schuldner, der - wie im vorliegenden Fall der Verpflichtete von zahlreichen Gläubigern verfolgt werde (vgl. EvBl. 1959 Nr. 244 S. 435). Eine etwas zu weit gehende Pfändung müsse daher toleriert werden und könne daher weder dem Gericht noch dem betreibenden Gläubiger als Verschulden angerechnet werden, soweit das Mißverhältnis zwischen dem vollstreckbaren Anspruch und dem Wert der Pfandgegenstände nicht ganz exorbitant sei und etwa Gegenstände gepfändet werden, deren Bleistiftwert gleich ein Vielfaches der zu befriedigenden Forderung ausmache. Auch die längere Nichtauflassung der Verwahrung der Pfandgegenstände durch die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin vermöge eine Schadenersatzpflicht des Beklagten nicht zu begrunden. Die Pfandgegenstände seien für Forderungen anderer Gläubiger ebenso verstrickt gewesen und es wäre der betreibenden Partei geradezu unmöglich gewesen, sich einen verläßlichen Überblick über den jeweiligen Stand der Pfandforderungen zu verschaffen und demgemäß die Exekution einzuschränken. Der Beklagte sei daher auch auf Grund von Zahlungen des Klägers nicht zu einer teilweisen Pfandauflassung verpflichtet gewesen. Die Klage habe abgewiesen werden müssen, weil weder den Beklagten noch seine Rechtsvorgängerin ein Verschulden an den vom Kläger behaupteten Schäden treffe, so daß diesem auch keine Schadenersatzforderung gegen den Beklagten entstanden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht hat, wobei zunächst von der allein von ihm behandelten, in der Oppositionsklage ausschließlich geltend gemachten Überpfändung auf Grund des Urteiles in der Rechtssache 2 Cg 1214/58 ausgegangen wird, die sich aus der tatsächlich vorgenommenen Anschlußpfändung und der Neupfändung eines Schreibtisches und einer Aktenstellage wegen der offensichtlichen Geringfügigkeit der in Betracht kommenden Werte bei der Beurteilung der Rechtssache mit Recht vernachlässigt. Es hat zutreffend auf die Gleichrangigkeit (§ 256 (3) EO.) und die daraus folgende Notwendigkeit der Berücksichtigung auch der Forderungen anderer Gläubiger, zu deren Gunsten die Neupfändung der Schuhe gleichzeitig mit der Pfändung zugunsten der Forderung des Beklagten durchgeführt wurde, Bedacht genommen und damit, bei Zugrundelegung der am Pfändungstag für den Beklagten aufrecht bestandenen Forderung von 4641.97 S, richtig eine Überdeckung von etwa 30% angenommen. Der Oberste Gerichtshof hat keine Bedenken dagegen, daß eine Überdeckung in dieser Höhe nicht als rechtswidrig angesehen werden kann. Es muß bedacht werden, daß im Sinne der ständigen Rechtsprechung (vgl. auch Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO.[3] I S. 98) namentlich bei der Einbringung von Geldforderungen die Deckung nicht knapp bestellt werden darf, eine Regel, die durch einen Überhang der Deckung von 30% nach dem Bleistiftwert nicht überschritten wird. Dies gilt vorliegendenfalls um so mehr, als es sich beim Kläger, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hinwies, um einen von zahlreichen Exekutionen zur Hereinbringung von Geldforderungen verfolgten Verpflichteten handelte, woraus sich ein um so größeres Bedürfnis für eine ausreichende Deckung bei Berücksichtigung aller möglichen Zwischenfälle ergab.
Der Oberste Gerichtshof tritt auch der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bei, daß bei der Verstrickung der zur Deckung der Forderung des Beklagten neu gepfändeten Gegenstände mit dem Pfandrechte zahlreicher anderer betreibenden Gläubiger dem Beklagten nicht die Verpflichtung auferlegt werden konnte, von sich aus nach der jeweiligen Lage auf eine Einschränkung der Exekution bedacht zu sein. Der Kläger hat bestimmte Tatsachen, aus denen sich eine Böswilligkeit des Beklagten in dieser Richtung (z. B. eine schikanöse Rechtsausübung bei Aufrechterhaltung der Pfändung durch längere Zeit) ergeben hätte, im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Er hätte konkrete Tatsachen behaupten müssen, nach denen der Beklagte eine rechtswidrige Schädigung des Klägers böswillig herbeigeführt hätte. Nur dann könnte ein Schadenersatzanspruch gegen den betreibenden Gläubiger wegen Inanspruchnahme einer Überpfändung in Frage kommen. Dies folgt daraus, daß gemäß § 16 EO. in erster Linie dem Gericht der Vollzug und die Bedachtnahme auf eine eventuelle Überpfändung obliegt und dem Verpflichteten die Möglichkeit offensteht, durch rechtzeitige Einschränkungsanträge (§ 263 EO.) von sich aus einen ihn aus einer
Anmerkung
Z37110Schlagworte
Überpfändung, notwendige Behauptungen für Schadenersatzanspruch durch -, Überpfändung, notwendige Behauptungen für Schadenersatzanspruch durch -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1964:0030OB00074.64.0831.000Dokumentnummer
JJT_19640831_OGH0002_0030OB00074_6400000_000