TE OGH 1964/10/28 6Ob283/64

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.1964
beobachten
merken

Norm

Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz §20
ZPO §406

Kopf

SZ 37/155

Spruch

Das Anbot ist nach Ablauf der viermonatigen Frist des § 20 WWG. innerhalb einer angemessenen Frist zu stellen. Das Begehren auf Stellung eines gesetzmäßigen Anbotes ist jedenfalls dann nicht verfrüht, wenn der Hauseigentümer bereits ein (dem Gesetz nicht entsprechendes) Anbot gestellt hat.

Entscheidung vom 28. Oktober 1964, 6 Ob 283/64. I. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Franz K., der Vater der Klägerin, war Hauptmieter der Wohnung Nr. 13 im Hause W., G.-Gasse 1 - 3. Infolge Bombenschadens mußte er diese Wohnung im Dezember 1944 räumen und erhielt die Wohnung Nr. 18 im gleichen Hause zugewiesen. Auch diese mußte er nach einem Fliegerangriff im Februar 1945 räumen, worauf er mit Frau und Tochter in einem Notquartier in W. untergebracht wurde. Die Klägerin ist Eintrittsberechtigte nach ihrem am 10. August 1950 verstorbenen Vater im Sinne des § 20 WWG.

Die beklagte Partei hat die Bombenruine W., G.-Gasse 1 - 3 erworben und am 10. September 1963 vom Wohnhaus-Wiederaufbaufonds ein Darlehen zur Wiedererrichtung der kriegszerstörten Wohnhausanlage erlangt. Um die Errichtung von Wohnungseigentum wurde bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung nicht angesucht.

Mit Schreiben vom 29. November 1963 bot die beklagte Partei der Klägerin gemäß § 20 WWG. in dem neu aufzubauenden Haus eine Wohnung im Ausmaß von 69.84 m2 gegen Bezahlung anteiliger Grundkosten von 69.800 S sowie eines Betrages von 300 S je m2 Wohnnutzfläche für die anteiligen Kosten aller vom Wohnhauswiederaufbaufonds nicht bewilligter Bau- und Ausstattungskosten (Bad, besserer Fußboden usw.) an. Diese Beträge sollten binnen 14 Tagen nach schriftlicher Annahme des Anbots zu bezahlen sein.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei im Sinne des Klagebegehrens, der Klägerin den Abschluß eines Mietvertrages über eine der alten Hauptmietwohnung Nr. 13 bzw. Nr. 18 entsprechende neue Wohnung ohne anteilige Grundkosten, Baukosten- und Ausstattungskostenbeiträge zu den ortsüblichen Bedingungen anzubieten. Es führte hiezu aus, gemäß § 20 (1) und (2) WWG. könne nur dann, wenn an den wiederherzustellenden Wohnräumen Wohnungseigentum begrundet werden soll, dem Altmieter der Erwerb des Wohnungseigentums an den ehemals innegehabten Räumen zu den gleichen Bedingungen wie den übrigen Wohnungseigentümern, höchstens aber zu den ortsüblichen Bedingungen angeboten werden. Da die beklagte Partei unbestrittenermaßen um die Begründung des Wohnungseigentums nicht angesucht hat, müsse sie der Klägerin nach § 20 (1) WWG. die Miete der mit Fondshilfe wiederherzustellenden Wohnräume anbieten, ohne daß sie dies von der Erfüllung irgendwelcher geldlicher Leistungen abhängig machen dürfe. Das Anbot der beklagten Partei entspreche somit nicht den gesetzlichen Erfordernissen, weshalb das Klagebegehren berechtigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, wobei es den Spruch dahin neu faßte, daß die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, der Klägerin die Miete über eine der ehemaligen Altwohnung Nr. 13 entsprechende Wohnung ohne Zahlung anteiliger Grundkosten, Baukosten- und Ausstattungskostenbeiträge als Gegenleistung anzubieten. Es pflichtete den Rechtsausführungen des Erstgerichtes bei und führte zur Neufassung des Spruches aus, daß die ursprüngliche, durch Kriegseinwirkung zerstörte Wohnung des Vaters der Klägerin die Wohnung Nr. 13 gewesen sei. Das Klagebegehren habe zunächst auf Anbot der Miete der "alten" Wohnung gelautet und sei von der Klägerin in der Berufungsverhandlung auf die alte Wohnung Nr. 13 präzisiert worden. In diesem Sinne sei daher der Spruch zu modifizieren gewesen. Der Beisatz "zu den ortsüblichen Bedingungen" hätte nur bei einem Anbot des Erwerbes von Wohnungseigentum Bedeutung und könne daher im vorliegenden Fall unterbleiben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zunächst gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Fest steht, daß der Vater und Rechtsvorgänger der Klägerin zuerst Hauptmieter der Wohnung Nr. 13 war, nach deren Zerstörung die Wohnung Nr. 18 im gleichen Hause als Ersatzwohnung zugewiesen erhielt und nach deren Zerstörung in einem Notquartier in W. untergebracht wurde. Ob er auch Hauptmieter der Ersatzwohnung Nr. 18 war, brauchte nicht geprüft zu werden, da er jedenfalls Hauptmieter der kriegszerstörten Wohnung Nr. 13 war. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung ihr Klagebegehren auf das Anbot der Mieter dieser Wohnung präzisiert, sodaß es auf sich beruhen kann, ob ihr Vater vielleicht auch Hauptmieter der Wohnung Nr. 18 war und sie daher allenfalls auch das Anbot der dieser Wohnung entsprechenden neuen Wohnung verlangen könnte.

In rechtlicher Beziehung ist in Übereinstimmung mit den Vorentscheidungen (MietSlg. 6077 (35), 6773) zu sagen, daß es gemäß § 20 WWG. grundsätzlich im Belieben des Vermieters steht, ob er dem Altmieter die seinerzeit gemieteten Räume vermieten oder ins Wohnungseigentum übertragen will. Diese zweite Möglichkeit steht aber im vorliegenden Fall der beklagten Partei zufolge § 31 (4) WWG. nicht offen, da über ihr Ansuchen um Fondshilfe am 10. September 1963 aufrecht entschieden wurde und die Frist des § 31 (3) lit. b des Gesetzes unbestrittenermaßen noch nicht abgelaufen ist. Die beklagte Partei war daher zur Stellung eines Anbots laut ihrem Schreiben vom 29. November 1963 nicht berechtigt, da dieses - wenngleich der Ausdruck "Wohnungseigentum" darin nicht vorkommt - mit Rücksicht darauf, daß für anteilige Grundkosten die Zahl von 69.800 S begehrt wird, nur als Anbot von Wohnungseigentum verstanden werden kann. Sie durfte auch das Anbot nicht von der Bedingung abhängig machen, daß irgendwelche Sonderzahlungen geleistet werden. Hat sie Eigenkapital aufgewendet, kann dies nur bei der Bemessung des gesetzlichen Mietzinses im Rahmen des WWG. berücksichtigt werden. Daraus folgt das Recht der Klägerin, die Stellung eines dem Gesetze entsprechenden Anbotes im Klagewege zu begehren.

Zur Frage der Fälligkeit dieses Anspruches der Klägerin, die von der Beklagten erstmalig in der Berufung aufgeworfen wurde und auf die sie in der Revision nicht mehr zurückgekommen ist, ist der Vollständigkeit halber folgendes zu sagen: Die Frist von vier Monaten nach Bewilligung der Fondshilfe war im Zeitpunkte der Fällung des Urteiles erster Instanz, auf den es nach § 406 ZPO. allein ankommt, bereits verstrichen. Im übrigen trifft es, wie der Oberste Gerichtshof schon in seiner Entscheidung MietSlg. 6077 (35) ausgesprochen hat, nicht zu, daß die Frist zur Anbotstellung dem Hauseigentümer so lange offenstehe, als er die Wohnung nicht vermietet oder in Eigenbenützung genommen, allenfalls Wohnungseigentum begrundet hat. Er muß das Anbot ja schon vor diesem Zeitpunkt stellen, wobei die Auslegung des Gesetzes nach Treu und Glauben und dem Zweck, den es verfolgt, ergibt, daß er das Anbot innerhalb einer nach den Umständen des Falles angemessenen Frist zu stellen hat. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, ist im vorliegenden Fall nicht weiter zu untersuchen, weil die Beklagte ja bereits ein Anbot gestellt und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß sie selbst den Zeitpunkt für die Stellung eines Anbotes für gekommen hielt. Sie hat ferner dadurch, daß sie in ihrem Anbot vom 29. November 1963 im vorletzten Absatz das Erlöschen des Optionsrechtes im Falle der Nichtannahme des Anbotes und im letzten Absatz dieselbe Sanktion für den Fall der Nichtbezahlung der geforderten Beträge angedroht hat, klar zum Ausdruck gebracht, daß sie ein anderes als das Anbot vom 29. November 1963 nicht zu stellen bereit ist. Sie hat dann im Prozeß den Standpunkt eingenommen, daß die Klägerin die Frist des § 20 (1) WWG. verstreichen lassen und zu erkennen gegeben habe, daß sie das Anbot ablehne und daß der Standpunkt der Klägerin, die Beklagte sei verpflichtet, ihr eine Mietwohnung anzubieten, völlig verfehlt sei. Da sich somit die Beklagte ausdrücklich geweigert hat, der Klägerin ein dem Gesetz entsprechendes Anbot zu stellen, war die Klägerin nicht gehalten, weiter auf ein solches gesetzmäßiges Anbot zu warten. Der Fall liegt ähnlich, wie bei der Gewährung einer angemessenen Nachfrist nach § 918 ABGB., wo Lehre und Rechtsprechung im Falle der offensichtlich ernsten und endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner die Gewährung einer Nachfrist für entbehrlich halten. Es darf auch nicht übersehen werden, daß ein weiteres Zuwarten der Klägerin angesichts der Stellungnahme der Beklagten nur ein Warten auf den Rechtsbruch, nämlich auf die gesetzwidrige anderweitige Vergebung der Wohnung sein konnte und daß die Klägerin befürchten mußte, daß ihre klaglose Hinnahme des Anbotschreibens als Verzicht auf ihr Optionsrecht angesehen werden könnte (vgl. MietSlg. 15.579).

Anmerkung

Z37155

Schlagworte

Anbotstellung gem. § 20 WWG., rechtzeitiges Begehren auf -, Anbotstellung gem. § 20 WWG., rechtzeitiges Begehren auf -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0060OB00283.64.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19641028_OGH0002_0060OB00283_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten