Norm
ABGB §884Kopf
SZ 37/164
Spruch
§ 57 Z. 1 lit. a AÖSP. gilt nicht, wenn der Spediteur selbst die Verpackung übernommen hat.
Bei bloß mündlichem Abschluß eines Speditionsvertrages kann sich der Spediteur auf den Haftungsausschließungsgrund des § 6 AÖSP. nicht berufen.
Entscheidung vom 18. November 1964, 6 Ob 202/64. I. Instanz:
Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Klägerin erteilte im Jänner 1963 der Beklagten wegen eines von W. nach Z. zu befördernden Lotterbettes im Barockstil fernmündlich einen Speditionsauftrag, mit welchem ausdrücklich vereinbart wurde, daß das Möbelstück durch die Beklagte erstklassig verpackt und der Transport mittels LKW von Haus zu Haus durchgeführt werde. Die Beklagte hat das Möbelstück mit 0.5 mm starkem geripptem Packpapier verpackt und verschnürt und per Bahn mit Sammelwaggon der ÖBB nach S. befördert, wo es von ihrer Filiale übernommen wurde, die es hierauf gleichfalls per Bahn nach Z. weiterbeförderte. Während des letzten Transportes wurde das Transportgut durch Abschürfungen beschädigt, weshalb der Adressat in Z. die Übernahme verweigerte, worauf es an die Klägerin zurücktransportiert wurde. Diese hat für die Behebung der durch den Transport entstandenen Schäden einen Betrag von 2760 S bezahlt. Die Versicherung der Beklagten lehnt eine Vergütung des der Klägerin entstandenen Schadens ab.
Das Erstgericht hat das auf diesen Sachverhalt gegrundete Schadenersatzbegehren abgewiesen. Es vertrat, gestützt auf die Bestimmungen der §§ 6, 51, 52 und 57 Z. 1 lit. a der Allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSP.) im wesentlichen die Auffassung, daß eine Haftung des Beklagten nur dann vorliegen würde, wenn der telephonische Auftrag insbesondere hinsichtlich der Bestimmung, daß das Möbelstück nur per Auto von Haus zu Haus transportiert werden dürfe, schriftlich bestätigt worden wäre (§ 6 erster Satz AÖSP.). Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen sei, so habe auch keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten für einen Transport per Auto bestanden. Für allfällige Verpackungsmängel hafte sie deshalb nicht, weil diesbezüglich keine vorhergehende schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei (§§ 51 lit. b, 57 Z. 1 lit. a AÖSP.).
Infolge Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es ging davon aus, daß den AÖSP. keine normative Wirkung gegenüber den Kunden der Spediteure zukomme, weshalb es eines besonderen Tatbestandes (ausdrückliche Vereinbarung oder stillschweigende Unterwerfung) bedürfe, um deren Anwendbarkeit im Einzelfall herbeizuführen. Nun habe aber die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit lediglich kurz vor Schluß der Verhandlung vorgebracht, daß auf das Geschäft die AÖSP. anzuwenden seien und daher schon aus diesem Gründe die Abweisung der Klage beantragt werde. Sie habe es aber unterlassen, einen Sachverhalt zu behaupten, aus welchem sich die Anwendbarkeit der AÖSP. auf den gegenständlichen Speditionsvertrag ergeben würde. Insbesondere sei auch nicht behauptet worden, daß die AÖSP. durch ständige Anwendung im Geschäftsverkehr Handelsbrauch geworden seien. Ein solches Vorbringen wäre aber notwendig gewesen, weil ein Handelsbrauch nicht objektives Recht sei und nicht von Amts wegen berücksichtigt werden müsse.
Es habe daher das Erstgericht zu Unrecht die Bestimmungen der AÖSP. für die rechtliche Beurteilung herangezogen. In der Sache selbst liege eine klare Verletzung der Pflichten der Beklagten nach § 408 HGB. vor, weshalb sie für den dadurch entstandenen Schaden nach § 1295 ABGB. hafte. Es erweise sich daher das der Höhe nach unbestrittene Schadenersatzbegehren als begrundet.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß den AÖSP. keine normative Kraft zukommt, sondern es für ihre Anwendbarkeit eines besonderen Tatbestandes bedarf, entspricht der ständigen Rechtsprechung (SZ. XXVI 180 u. a.). Sie binden daher den Kontrahenten eines Spediteurs nur dann, wenn sie entweder auf Grund einer ausdrücklichen Vereinbarung oder stillschweigend zum Vertragsinhalt gemacht worden sind. Letzteres könnte z. B. dann der Fall sein, wenn der entsprechende Abschlußwille des Spediteurs anzunehmen ist, was in der Regel zutrifft, und der Kontrahent von dem Bestehen der AÖSP. Kenntnis hatte oder nach der Art seines Handelsgewerbes haben mußte (SZ. XXVI 180). Im vorliegenden Fall hat nun entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes die Beklagte nicht erst kurz vor Schluß der Verhandlung behauptet, daß auf das gegenständliche Geschäft die AÖSP. anzuwenden seien, sondern bereits in der Verhandlungstagsatzung vom 24. Juni 1963, in der sie ausführte, daß der Spediteur nach den AÖSP. nur für Verschulden hafte. Richtig ist, daß die Beklagte in beiden Fällen keine Tatsachenbehauptungen aufstellte, aus welchen sich die Anwendung der AÖSP. ergeben sollte, und daß in I. Instanz auch nicht behauptet wurde, daß die AÖSP. Handelsbrauch geworden seien. Selbst dann, wenn im vorliegenden Fall die AÖSP. Vertragsinhalt geworden sein sollten, könnte sich aber die Beklagte auf die Haftungsausschlüsse nach §§ 6 und 57 Z. 1 lit. a AÖSP. aus nachstehenden Gründen nicht berufen: Festgestellt ist, daß der Schaden auf dem Bahntransport von S. nach Z., also dadurch entstanden ist, daß das Stückgut dem fernmündlich abgeschlossenen Vertrag zuwider statt mit dem Auto mit der Bahn transportiert worden ist. Für den durch diesen Vertragsbruch entstandenen Schaden haftet daher die Beklagte gemäß § 1295 ABGB. Die Berufung auf § 6 der AÖSP. zur Abwendung des Schadenersatzanspruches ist verfehlt. Selbst wenn man nämlich von der Rechtsauffassung ausgehen wollte, daß den von allen Firmen, die einen Möbelhandel oder eine Möbelerzeugung betreiben, mit Spediteuren abgeschlossenen Verträgen die Bestimmungen der AÖSP. stillschweigend zugrunde gelegt werden und daher im allgemeinen nach § 6 der AÖSP. Schriftform als vereinbart gelte, trifft dies im vorliegenden Fall nicht zu, weil eben durch ausdrückliche telephonische Vereinbarung etwas anderes vereinbart wurde. Es ist allgemeine Rechtsprechung, daß selbst dann, wenn durch schriftlichen Vertrag vereinbart wurde, daß mündliche Verabredungen keine Gültigkeit haben sollten, doch davon durch eine mündliche Vereinbarung wieder abgegangen werden kann und eine solche mündliche Vereinbarung trotz der Vereinbarung der Schriftlichkeit Gültigkeit hat (SZ. XXIX 4 u. v. a.). Umsoweniger kann die Gültigkeit einer mündlichen Vereinbarung bezweifelt werden, der eine schriftliche Vereinbarung, daß mündliche Abmachungen nicht gelten sollen, gar nicht vorausgegangen ist. Die Beklagte selbst hat sich mit dem telephonisch erteilten Speditionsauftrag zufriedengegeben und hat in Ausführung dieses Auftrages das Möbelstück abgeholt, verpackt und befördert. Sie muß daher auch die Bestimmungen dieses mündlich erteilten Speditionsauftrages gegen sich gelten lassen. Man käme sonst zu dem unmöglichen Ergebnis, daß ein Spediteur zwar mündlich einen Speditionsauftrag gültig abschließen könne, aber von jeder Haftung aus diesem Vertrag frei sei.
Nur am Rande sei bemerkt, daß auch § 57 Z. 1 lit. a AÖSP. hier nicht zur Anwendung kommen kann, weil diese Bestimmung selbstverständlich dann nicht in Frage kommt, wenn der Spediteur selbst die Verpackung übernommen hat. Das entspricht dem aligemeinen Grundsatz, daß niemand sich auf das eigene Verschulden zur Abwehr eines Anspruches berufen darf. Weitere diesbezügliche Ausführungen erübrigen sich, weil gar nicht festgestellt ist, daß mangelhafte Verpackung dir Ursache des Schadens war.
Der von der Beklagten in der Revision angezogene Befreiungsgrund des § 41 lit. a AÖSP. kommt deshalb nicht in Betracht, weil der gegenständliche Schaden durch die abgeschlossene Versicherung nicht gedeckt wurde.
Aus diesen Gründen gelangte der Oberste Gerichtshof sohin zu dem gleichen Ergebnis wie das Berufungsgericht.
Anmerkung
Z37164Schlagworte
Haftungsausschluß, kein -, wenn Spediteur Verpackung selbst übernimmt, Schriftliche Bestätigung, keine - erforderlich bei bloß mündlichem, Abschluß eines Speditionsvertrages, Haftungsausschluß, kein -, wenn Spediteur Verpackung selbst übernimmt, Schriftliche Bestätigung, keine - erforderlich bei bloß mündlichem, Abschluß eines SpeditionsvertragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1964:0060OB00202.64.1118.000Dokumentnummer
JJT_19641118_OGH0002_0060OB00202_6400000_000