TE OGH 1964/12/17 2Ob255/64

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Veröffentlicht am 17.12.1964
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Norm

ABGB §1042
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §98

Kopf

SZ 37/183

Spruch

Zufolge der in § 98 ASVG. normierten Beschränkung der Übertragung von Leistungsansprüchen aus der Sozialversicherung entbehrt die Ersatzforderung eines Dritten auf Ersatz des in dieser Hinsicht gemachten Aufwandes nach § 1042 ABGB. der Berechtigung.

Entscheidung vom 17. Dezember 1964, 2 Ob 255/64. I. Instanz:

Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht hat 1. die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der sachlichen Unzuständigkeit verworfen und 2. mit Zwischenurteil erkannt, daß der Anspruch des Klägers auf Rückersatz der den Versicherten der beklagten Partei gemäß § 131 ASVG. zukommenden Ersatzleistung dem Gründe nach zu Recht bestehe. Die erwähnte Prozeßeinrede hat das Erstgericht für nicht begrundet erachtet, weil der vom Kläger gemäß § 1042 ABGB. geltend gemachte Ersatzanspruch privatrechtlicher Natur sei. Zur Sache selbst hat das Erstgericht ausgeführt, daß Dr. Max A. als praktischer Arzt in P. seit Mai 1958 tätig sei; zur beklagten Partei stehe er nicht in einem Vertragsverhältnis und könne daher von den bei der beklagten Partei Versicherten nur als Wahlarzt in Anspruch genommen werden. Seit Mai 1958 behandle Dr. Max A. auch die Versicherten der beklagten Partei und habe die Honorarnote dafür über das Komitee der Wahlärzte vierteljährlich eingereicht. Ab 1. Juli 1961 habe die Beklagte die Ersatzleistungen nicht mehr dem genannten Komitee erbracht, sondern direkt an die von Dr. Max A. behandelten Patienten, trotz der von den Versicherten unterfertigten Urkunden, lautend auf "Anweisung und Vollmachtsmitteilung". Das Erstgericht hat festgestellt, daß der Kläger durch seinen Machthaber mit Schreiben vom 5. Juli 1962 die beklagte Partei davon in Kenntnis gesetzt habe, daß das Komitee der Wahlärzte durch das Vorstandsmitglied Dr. Hellmuth S. im Vollmachtsnamen einer Reihe von bei der beklagten Partei krankenversicherten Personen Anträge auf Ersatz jener Kosten für ärztliche Hilfe und Medikamente bei der Beklagten eingebracht habe, welche diesen Personen durch die Inanspruchnahme des Dr. Max A. erwachsen seien; in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung der beklagten Partei, die den Versicherten erwachsenen Kosten der Behandlung zu ersetzen, und in Erwartung des Ersatzes durch die beklagte Partei habe der Kläger den Betrag von 84.562.27 S an die einzelnen Versicherten zu Handen des bevollmächtigten Vertreters Doktor Hellmuth S. ausbezahlt. Das Erstgericht hat ferner festgestellt, daß der Kläger an Dr. Hellmuth S. den Betrag von 84.562.27 S am 6. Juli 1962 überwiesen habe; infolge direkter Zahlungen der beklagten Partei vor Klagserhebung (19. Juli 1962) habe sich der erwähnte Betrag auf 41.562.27 S (die jetzige Klagsforderung) vermindert. Es sei ferner als erwiesen anzunehmen, daß Doktor Hellmuth S. als mit Geldvollmacht ausgestatteter Vertreter der Patienten des Dr. Max A. den Betrag von 84.562.27 S in Empfang genommen habe. Der Kläger aber habe im Oktober 1962 seine Vollmachten gegenüber den Patienten des Dr. Max A. zu Handen Dris. Hellmuth S. als deren Vollmachtsträgers aufgekundigt. Im April 1962 sei die beklagte Partei zur Auffassung gelangt, daß der Saldierungsvermerk bezüglich der Honorarnoten des Wahlarztes ein Scheinvermerk sei; seitdem seien den Versicherten - abweichend von den seit 1958 bestehenden Gepflogenheiten - die Ersatzbeträge von der beklagten Partei direkt bezahlt worden. In diesem Sinne sei von der beklagten Partei ein Rundschreiben an die Versicherten unter dem 9. April 1962 herausgegeben worden. Das Erstgericht hat ferner festgestellt, daß die Beklagte am 31. Juli 1962 dem Versicherten Sylvester M. 57.50 S und am 13. August 1962 dem Versicherten Hubert V. den Betrag von 58.75 S überwiesen habe; die Genannten seien von Dr. Max A. in der für dieses Verfahren maßgeblichen Zeit vom 1. Juli 1961 bis 31. März 1962 behandelt worden. Richtig sei, daß im Falle Sylvester M. und ebenso im Falle Hubert V. kein Honorar von den Patienten an den Wahlarzt gezahlt worden sei; es sei aber zwischen diesen Patienten und dem Wahlarzt anläßlich der Unterfertigung des oben genannten Formulars die Vereinbarung getroffen worden, daß die Behandlungskosten bis zur Bezahlung durch die beklagte Partei den Patienten vom Wahlarzt "geborgt" würden. Bei diesen Umständen hat das Erstgericht den Klagsanspruch als dem Gründe nach gegeben erachtet; der Kläger habe die Ersatzforderungen der Versicherten Sylvester M. und Hubert V. am 6. Juli 1962 an ihren Machthaber gezahlt; in Kenntnis der Nichtzahlung des Honorars durch diese Versicherten an den Wahlarzt habe die beklagte Partei durch die Zahlung der Beträge von 57.50 S und 58.75 S an die Versicherten deren im § 131 ASVG. verankerten Anspruch anerkannt, die von ihnen erteilte Anweisung und Vollmachtsmitteilung aber nicht zur Kenntnis genommen.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der beklagten Partei, soweit sie sich gegen die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der sachlichen Unzuständigkeit gerichtet hatte, beschlußmäßig keine Folge gegeben, der Berufung im übrigen aber hat das Berufungsgericht dahin Folge gegeben, daß in Abänderung des Ersturteils das Klagebegehren pcto. 41.562.27 S samt Anhang mit Endurteil abgewiesen wurde. Die Berufungsinstanz war schon auf Grund des Prozeßvorbringens des Klägers zum Ergebnis gekommen, daß die Ersatzansprüche der Versicherten noch nicht fällig gewesen seien und daher nicht die Grundlage des auf § 1042 ABGB. gestützten Anspruchs des Klägers sein könnten (demnach habe sich die weitere Erörterung der Berufungsgrunde erübrigt). Unter Hinweis auf die Regelung des § 131 ASVG. und die Bestimmungen des § 27 der Satzung der beklagten Partei vom 25. Februar 1957 hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß kein Zweifel bestehe, daß der Gesetzgeber den Kostenersatz von einer Vorleistung des Versicherten abhängig machen wollte, also grundsätzlich vorerst den Einsatz eigener Mittel des Versicherten gefordert habe, die dann im Rahmen der auch einem Vertragsarzte zu erbringenden Leistung an den Versicherten zu refundieren seien. Die ratio dieser Regelung liege nicht nur darin, daß sich hieraus eine Besserstellung der Vertragsärzte ergebe, die ja im Rahmen ihres Vertrages mit den Kassen auch Pflichten auf sich zu nehmen hätten, sondern vor allem darin, daß nur auf diesem Wege eine Fehlleitung öffentlicher Mittel zu vermeiden und eine Kontrolle zu ermöglichen sei, daß die aufgewendeten Beträge auf dem Umweg über einen echten Ersatz wirtschaftlich tatsächlich auch zur Honorierung des Arztes verwendet würden. Der erklärte Zweck der Konstruktion des Klägers, eine Leistung der beklagten Partei vor der tatsächlichen Inanspruchnahme eigener Mittel des Patienten zur Honorarzahlung zu erreichen, bedeute den Versuch einer Umgehung des Willens des Gesetzgebers; das behauptete Darlehensgeschäft zwischen Arzt und Patienten stelle sich im Verhältnis zur beklagten Partei als Scheingeschäft dar, das nicht den Zweck gehabt habe, den Patienten den wirtschaftlichen Vorteil eines Darlehens zuzuwenden, sondern ihnen die vom Gesetzgeber gewollten Erschwernisse bei der Inanspruchnahme eines Wahlarztes zu ersparen und gleichzeitig dem Wahlarzt einen mit einer Darlehenshingabe sonst nicht typisch verbundenen Vorteil, nämlich die verbesserte Wettbewerbsposition gegenüber den Vertragsärzten, zu verschaffen. Durch das simulierte Geschäft (§ 916 ABGB.) seien die Anspruchsvoraussetzungen der Patienten gegenüber der beklagten Partei, daß nämlich der Versicherte tatsächlich die Kosten der Wahlarztbehandlung getragen habe und diesen Umstand durch die saldierte Honorarrechnung nachweise, nicht erfüllt. Die Ersatzansprüche der Patienten seien demnach noch nicht fällig gewesen und hätten daher auch nicht zur Grundlage eines Anspruchs nach § 1042 ABGB. gemacht werden können. Bereits aus diesem Gründe hat die Berufungsinstanz auf Klagsabweisung erkannt, ohne auf die übrigen Berufungsgrunde einzugehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagte Partei hat im Laufe dieses Verfahrens wiederholt auf die im § 98 ASVG. normierte Beschränkung der Übertragung, Pfändung und Verpfändung von Leistungsansprüchen verwiesen. Unter diesem Gesichtspunkte muß dem Klagebegehren die Berechtigung abgesprochen werden, so daß sich die Erörterung aller weiteren Fragen erübrigt. Das gesetzliche Verbot der Übertragung des Leistungsanspruches wäre zwecklos, wenn der vom Gesetzgeber nicht gewollte Erfolg durch die faktische Einlösung der Forderung durch einen Dritten herbeigeführt werden könnte. Auch das Verbot der Pfändung des Anspruchs zugunsten von Vorschußzahlungen durch einen Dritten wäre zwecklos, wenn der Dritte ohnehin durch die bloße Tatsache der Erbringung einer Vorschußzahlung Inhaber der Forderung würde. Diese Beurteilung bedeutet nicht die ausdehnende Auslegung eines gesetzlichen Verbotes, sondern die Bedachtnahme auf Bestimmungen der Rechtsordnung, die zu einer einschränkenden Auslegung des Anwendungsbereiches des § 1042 ABGB. im konkreten Falle führen müssen. Dieses Problem ist in der Lehre behandelt und in ähnlichen Fällen ein auf § 1042 ABGB. gegrundeter Anspruch nicht als bestehend bezeichnet worden (vgl. Stanzl in dem von Klang und Gschnitzer herausgegebenen Kommentar[2], IV/S. 934, zu und in Fußnote 107). Der Kläger ist weder der Dienstgeber der Versicherten noch der Träger der öffentlichen Fürsorge und es liegt auch eine Zustimmung des Versicherungsträgers nicht vor. Bei der dargestellten aus § 98 ASVG. resultierenden Rechtslage kann dem auf § 1042 ABGB. gegrundeten Anspruch der klagenden Partei keine Berechtigung zuerkannt werden.

Bereits unter diesem Gesichtspunkte muß die Revision des Klägers gegen die abweisliche Entscheidung der Berufungsinstanz erfolglos bleiben, so daß sich die Erörterung aller weiteren Fragen erübrigt.

Anmerkung

Z37183

Schlagworte

Aufwandersatz nach § 1042 ABGB., Leistungsansprüche aus der, Sozialversicherung, Sozialversicherung, Leistungsansprüche aus der - , Aufwandersatz nach, § 1042 ABGB., Zessionsverbot nach § 98 ASVG., Aufwandersatz nach § 1042 ABGB., Aufwandersatz nach § 1042 ABGB., Leistungsansprüche aus der, Sozialversicherung, Sozialversicherung, Leistungsansprüche aus der -, Aufwandersatz nach, § 1042 ABGB., Zessionsverbot nach § 98 ASVG., Aufwandersatz nach § 1042 ABGB.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1964:0020OB00255.64.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19641217_OGH0002_0020OB00255_6400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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