Norm
ABGB §143Kopf
SZ 38/25
Spruch
Subsidiäre Unterhaltspflicht der väterlichen Großmutter trotz Schadenersatzanspruchs gegen den am Tode des Vaters Schuldigen
Entscheidung vom 10. Februar 1965, 6 Ob 36/65
I. Instanz: Bezirksgericht Marchegg; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg
Text
Der am 10. Dezember 1930 geborene Landwirt Franz Johann G. war der Gatte der Annemarie G. und der eheliche Vater der mj. Franz und Annemarie G. Er kam am 4. August 1963 bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 18. März 1964 wurde die zur Vormunderin der beiden Kinder bestellte Mutter Annemarie G. ermächtigt, gegen den an dem Unfall und damit am Tode des Franz Johann G. angeblich schuldigen Mathias G. einen Rentenanspruch der Kinder von zusammen 1500 S monatlich geltend zu machen. In diesem zu 1 Cg ... /64 des Kreisgerichtes Korneuburg anhängigen Rechtsstreit haben die Parteien am 14. Oktober 1964 Ruhen des Verfahrens vereinbart. Das Strafverfahren gegen Mathias G. wurde gemäß § 109 StPO. eingestellt.
Die Mutter und Vormunderin beantragte, Maria G., die väterliche Großmutter, ab 24. August 1964 zur Leistung eines subsidiären Unterhaltsbetrages von 750 S monatlich für jedes der beiden Kinder zu verhalten.
Das Erstgericht sprach aus, daß es sich die Entscheidung hierüber bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zu 1 Cg ... /64 des Kreisgerichtes Korneuburg anhängigen Verfahrens vorbehalte.
Hiezu führt es aus, solange und insoweit der Unterhalt der Kinder durch die gemäß § 1327 ABGB. dem Schädiger obliegende Ersatzleistung gedeckt werden könne, sei das Entstehen einer subsidiären Unterhaltsverpflichtung, sei es der Mutter, sei es der Großeltern, nicht denkbar. Die Frage ob und in welchem Umfang Mathias G. zur Ersatzleistung herangezogen werden könne, sei aber mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens nicht lösbar. Erst nach Beendigung des Schadenersatzprozesses werde feststehen, ob überhaupt und in welchem Umfang allenfalls eine subsidiäre Unterhaltsverpflichtung der väterlichen Großmutter bestehe.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Einleitung und Durchführung des gesetzlichen Verfahrens sowie die Entscheidung über den Antrag auf Unterhaltsleistung auf. Der gesetzliche Unterhaltsanspruch umschreibe abstrakt den Kreis jener Personen, denen gegebenenfalls ein Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB. zustehe. Eine Leistung nach dieser Gesetzesstelle sei keinesfalls eine Unterhaltsleistung, sondern lediglich der Ersatz für eine entgangene tatsächliche Leistung. Das Bestehen eines Anspruchs nach § 1327 ABGB. schließe daher die subsidiäre Unterhaltspflicht der väterlichen Großmutter nicht aus. Andernfalls hätten die Minderjährigen bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites nach § 1327 ABGB. keine Möglichkeit, subsidiären Unterhalt nach § 143 ABGB. zu begehren.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der väterlichen Großmutter nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
An sich vertritt der Oberste Gerichtshof den Standpunkt, daß der Vorbehalt einer Beschlußfassung nur die Erklärung des Gerichtes darstellt, daß es nach Vornahme weiterer Erhebungen entscheiden werde. In einer solchen Ankündigung liegt im allgemeinen keine anfechtbare Entscheidung (3 Ob 214/54, 5 Ob 291/61 u. a.).
Anders ist dies jedoch im vorliegenden Fall, wo das Erstgericht die Beschlußfassung über den Antrag der Vormunderin, die Großmutter zur Unterhaltsleistung für die Minderjährigen zu verhalten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines gegen einen Dritten anhängigen Rechtsstreites vorzubehalten erklärt hat. Hierin liegt nicht bloß die Ankündigung, daß es demnächst nach Abschluß von ihm selbst beabsichtigten Erhebungen entscheiden werde, sondern praktisch die Unterbrechung des außerstreitigen Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluß des zwischen den Minderjährigen und Mathias G. anhängigen Rechtsstreits. Eine derartige Unterbrechung ist aber dem Außerstreitverfahren fremd (SZ. XXV 189, EvBl. 1957 Nr. 139 u. a.). Die Aufhebung dieses Beschlusses durch das Rekursgericht und der dem Erstgericht erteilte Auftrag zu entscheiden, sind daher schon aus dieser Erwägung begrundet.
Dem Rekursgericht ist aber auch darin beizupflichten, daß die Entscheidung über die Unterhaltspflicht der väterlichen Großmutter vom Ausgang des Schadenersatzprozesses gegen Mathias G. unabhängig ist. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß die subsidiär Unterhaltspflichtigen ohne Rücksicht auf den Ausgang eines gegen den primär Unterhaltspflichtigen (z. B. den außerehelichen Vater) anhängigen Rechtsstreites zur Unterhaltsleistung herangezogen werden können, weil es der Zweck der ihre Unterhaltspflicht regelnden Bestimmungen ist, in erster Linie den Unterhalt des Kindes sicherzustellen. Sie sind somit auch dann zur Unterhaltsleistung verpflichtet, wenn der primär Unterhaltspflichtige zwar bekannt ist, aber seiner Verpflichtung nicht rechtzeitig nachkommt (SZ. IX 121, XVII 116, XXV 40, RZ. 1933, S. 43 und 1964, S. 117). Diese Erwägungen sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden, wo die Schadenersatzpflicht des Mathias G. sowohl dem Gründe als auch dem Zeitpunkt ihrer Durchsetzbarkeit nach in unbestimmter Zukunft liegt, die Kinder aber inzwischen alimentiert werden müssen. Soweit dieser Ansicht die Ausführungen der Entscheidung ZVR. 1960, Nr 21, entgegenzustehen scheinen, daß nämlich für die eheliche Mutter solange keine Unterhaltspflicht bestehe, als der Unterhalt der Kinder durch den Schadenersatzanspruch gegen den am Tode ihres Vaters schuldigen Beklagten gedeckt werden kann, ist zu bemerken, daß diese Ausführungen dazu dienten, die Aktivlegitimation der Mutter, die im eigenen Namen den Ersatzanspruch der Kinder geltend gemacht hatte, zu verneinen. Auf die obigen Erwägungen brauchte dabei nicht Bedacht genommen zu werden, da der Unterhaltsanspruch der Kinder gegenüber der Mutter nicht zur Entscheidung stand.
Den Ausführungen Wolffs (in Klang[2] VI 151), auf die sich die Rekurswerberin gleichfalls beruft, ist dagegen nur zu entnehmen, daß für den Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB. das Vorhandensein von nach § 143 ABGB. subsidiär Unterhaltspflichtigen ohne Bedeutung ist. Daraus ergibt sich gerade, daß die beiden Ansprüche von einander unabhängig sind und daß der Unterhaltsberechtigte sowohl den subsidiär Unterhaltspflichtigen in Anspruch nehmen, als auch den Anspruch nach § 1327 ABGB. geltend machen kann.
Anmerkung
Z38025Schlagworte
Großmutter, väterliche, subsidiäre Unterhaltspflicht trotz, Schadenersatzanspruches gegen den am Tode des Vaters Schuldigen, Subsidiäre Unterhaltspflicht der väterlichen Großmutter trotz, Schadenersatzanspruches gegen den am Tode des Vaters Schuldigen, Unterhaltspflicht subsidiäre der väterlichen Großmutter trotz, Schadenersatzanspruches gegen den am Tode des Vaters SchuldigenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0060OB00036.65.0210.000Dokumentnummer
JJT_19650210_OGH0002_0060OB00036_6500000_000