Norm
Schweizer Zivilgesetzbuch Art169Kopf
SZ 38/36
Spruch
Für Unterhaltsleistungen, die auf Grund des Art. 169 ZBG. im Eheschutzverfahren zugesprochen worden sind, kann in Österreich Exekution bewilligt werden, wenn die Verfügung nicht befristet und nicht nur bis zur Entscheidung des ordentlichen Richters erlassen wurde
Entscheidung vom 10. März 1965, 3 Ob 40/65
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz
Text
Die erstbetreibende Gläubigerin beantragte zur Hereinbringung des Unterhaltsbetrages von 170 sfr monatlich für die Zeit vom 1. Juni 1961 bis zum 12. Juli 1962, nämlich von 2680 sfr samt 5% Zinsen seit 13. Juli 1963, die Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution. Das gleiche Begehren stellte der zweitbetreibende Gläubiger hinsichtlich seiner Unterhaltsforderung von 150 sfr monatlich für die Zeit vom 1. Juni 1961 bis zum 30. Juni 1963, d. s. 3750 sfr, abzüglich bezahlter 2244.40 sfr, also restlicher 1505.60 sfr samt 5% Zinsen seit 1. Juli 1963. Dem Begehren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die erstbetreibende Gläubigerin, die damals mit dem Verpflichteten, ihrem Gatten, in der Schweiz lebte, wandte sich an das Amtsgericht E. (Schweiz) im Eheschutzverfahren gemäß Art. 169 ZGB. Sie erhob Klage gegen den Verpflichteten, und zwar u. a. auf Zahlung von 200 sfr monatlichem Unterhalt für sich und von 150 sfr für das eheliche Kind Oskar K. Das Erstgericht gab dem Begehren zur Gänze statt. Das Obergericht des Kantons Luzern setzte den Unterhaltsbetrag für die Gattin mit 170 sfr fest und bestätigte im übrigen diese Entscheidung, die hinsichtlich des Unterhaltsbetrages für den mj. Oskar K. nicht bekämpft worden war.
Die Untergerichte wiesen den Exekutionsantrag ab, da der Titel in einer vorsorglichen Maßnahme, also einer einstweiligen Verfügung nach österreichischem Recht bestehe.
Für solche könne Mangels einer ausdrücklichen Bestimmung auf Grund des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vom 16. Dezember 1960, BGBl. Nr. 125/1962, nicht Exekution geführt werden. Hiebei berufen sich die Untergerichte auf die Entscheidung 3 Ob 113/64, seither veröffentlicht in EvBl. 1965, Nr.94, S. 129, und RiZ. 1964, S. 222.
Der Oberste Gerichtshof gab demgemäß § 83 (3) EO. zulässigen - Revisionsrekurs der betreibenden Parteien Folge und änderte die vorinstanzlichen Beschlüsse dahin ab, daß die beantragten Exekutionen bewilligt wurden,
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es kommt hier auf die Auslegung des oben genannten österreichischschweizerischen Vollstreckungsvertrages an, der als österreichische Rechtsquelle anzuwenden ist. Der Oberste Gerichtshof hält an seiner in der Entscheidung 3 Ob 113/64 ausgesprochenen Rechtsansicht fest, daß auf Grund eines ausländischen Titels, der einer einstweiligen Verfügung im Sinne des österreichischen Rechts in Österreich entspricht, Exekution nur bewilligt werden kann, wenn dies in dem betreffenden Staatsvertrag vorgesehen ist, wie dies dort näher ausgeführt wurde. Insbesondere ist entscheidend, ob der Titel endgültig und einer materiellen Rechtskraft teilhaft ist. Gemäß § 391 EO. wird eine einstweilige Verfügung immer nur für eine gewisse Zeit, und zwar in der Regel nicht länger als bis zur Beendigung des Rechtsstreites oder der Möglichkeit, den Anspruch durch Zwangsvollstreckung durchzusetzen oder sichern zu lassen, bewilligt. In diesem Sinn war auch die vorsorgliche Maßnahme, auf Grund der zu 3 Ob 113/64 Exekution beantragt wurde, nicht endgültig. Sie erging gemäß Art. 145 ZGB. und war nach dieser Bestimmung nur für die Dauer des Scheidungsprozesses wirksam. Hingegen ist nach Art. 169 ZGB. eine Befristung der Wirksamkeit der Maßnahme keineswegs vorgeschrieben. Der Anspruch, der an und für sich im Rechtsstreit geltend zu machen wäre, wird kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung in die freiwillige Gerichtsbarkeit verwiesen (Guldener, Schweizerisches Zivilprozeßrecht[2], S. 42). Das Verfahren ist summarisch (a. a. O., S. 380 ff.). Es gleicht damit dem Außerstreitverfahren nach österreichischem Recht, wo auch kein förmliches Beweisverfahren (§ 2 (2) Z. 7 AußStrG.) stattfindet. Voraussetzung des Art. 169 ZGB. ist keineswegs ein Rechtsstreit, sondern nur der Umstand, daß ein Eheteil seine Pflicht verabsäumt. Sie entspricht der des § 178 ABGB. Der Hinweis des Rekursgerichtes, daß Maßnahmen auf Grund des Art. 169 ZGB. ebenso wie solche gemäß Art. 145 ZGB., vom Prozeßgericht aufgehoben werden können, ändert daran nichts. Denn daraus ergibt sich nur, daß ein solcher "Entscheid" wie auch nach österreichischem Recht jeder Unterhaltstitel bei geänderten Verhältnissen seine Wirksamkeit verliert. Ob dies auf Grund einer Vollstreckungsgegenklage oder vom Ehescheidungsrichter gemäß Art. 172 ZGB. ausgesprochen wird, ist für die Beurteilung der Exekutionsfähigkeit des Titels ohne Bedeutung. Endgültig in dem Sinn, daß er nicht bei geänderten Verhältnissen außer Kraft gesetzt werden könnte, ist in der Regel kein österreichischer Unterhaltstitel, auch nicht, wenn er in einem Urteil besteht.
Die vorliegenden Entscheide sind zeitlich in keiner Weise gleich einstweiligen Verfügungen gemäß § 391 EO. befristet und haben, soweit sich aus ihnen entnehmen läßt, ebenso wie jeder Unterhaltstitel nach österreichischem Recht bis zu einer Änderung der Verhältnisse volle Rechtskraft. Allerdings binden in der Regel nach schweizerischem Zivilprozeßrecht im Summarverfahren ergangene Entscheidungen nicht den Richter des ordentlichen Verfahrens, soweit ein solches zulässig ist. Das schweizerische Zivilprozeßrecht ist kantonal verschieden. In manchen Kantonen ist es gar nicht möglich, sofort das ordentliche Verfahren einleiten zu lassen, so daß das Begehren zunächst im Summarverfahren eingebracht werden muß (Guldener, a. a. O., S. 380 ff.). In diesem Fall kann ein Unterhaltstitel zunächst überhaupt nur in einem solchen erlangt werden. Es hieße, die Möglichkeit, auf Grund eines Schweizer Unterhaltstitels in Österreich überhaupt Exekution zu führen, verweigern, wollte man in derartigen Fällen Entscheidungen im Summarverfahren für nicht vollstreckbar erklären.
Da sich also aus den Titeln nicht ergibt, daß sie nur vorläufig im Sinne obiger Ausführungen erlassen worden seien, steht der Exekutionsbewilligung nichts entgegen. Dies schließt nicht aus, daß der Verpflichtete im Widerspruchsverfahren gemäß § 271 ZPO. und §§ 78, 402 EO. dartut, daß nach dem Recht des Kantons Luzern die vorliegenden Unterhaltstitel wie österreichische einstweilige Verfügungen nur bis zur Entscheidung des ordentlichen Richters vollstreckbar seien und außerdem die betreibenden Gläubiger die Möglichkeit gehabt hätten, diesen sogleich anzurufen, ohne zunächst die Einleitung des Eheschutzverfahrens zu begehren.
Damit steht der in der Entscheidung 3 Ob 113/64 enthaltene Satz, an dem Charakter der vorsorglichen Maßnahme würde sich nichts ändern, wenn sie auf Grund des Art 169 ZGB. erlassen worden wäre, nicht im Widerspruch. Denn der Titel, der dem damaligen Exekutionsantrag zugrunde lag, war bis zum Ablauf des Scheidungsstreites befristet, wie dies bei österreichischen einstweiligen Verfügungen, mögen sie vor Einleitung des Rechtsstreites oder während dessen Dauer erlassen werden, zutrifft, wogegen der vorliegende Titel eine solche Beschränkung nicht enthält.
Der von den Untergerichten angenommene Abweisungsgrund ist daher nicht gegeben.
Anmerkung
Z38036Schlagworte
Unterhalts-"Entscheid" nach Art. 169 Schweizer ZGB., zur Frage der, Vollstreckbarkeit eines - in Österreich, Vollstreckbarkeit, zur Frage der - eines Unterhalts-"Entscheides" nach, Art. 169 Schweizer ZGB. in ÖsterreichEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0030OB00040.65.0310.000Dokumentnummer
JJT_19650310_OGH0002_0030OB00040_6500000_000