Norm
ABGB §364 (2)Kopf
SZ 38/50
Spruch
Soweit die Klage nach § 364 (2) ABGB. auf sichernde Vorkehrungen gerichtet ist, muß die Auswahl der Schutzmaßnahmen dem Beklagten überlassen bleiben
Die von einer Partei bei einer Bauverhandlung abgegebene Erklärung, mit einer öffentlich-rechtlichen Auflage einverstanden zu sein, begrundet keine privatrechtliche Verpflichtung
Zur Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters nach der o. ö.
Gemeindeordnung
Entscheidung vom 31. März 1965, 6 Ob 55/65
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ. 206, Kat.-Gem. A. mit der Parzelle 487/1. Im Osten grenzt die nördliche Hälfte dieser Parzelle an die Parzelle 499/10 und die südliche Hälfte an die Parzelle 499/15 (öffentlicher Weg), welche beide ebenso wie die Parzellen 499/12 und 499/14 im bücherlichen Eigentum der beklagten Marktgemeinde stehen. Letztere hat auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft E. vom 20. August 1962, BauR.- 113/7-1962, mit welchem auf Grund der §§ 5 und 50 der Bauordnung für Oberösterreich die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung eines Hauptschulgebäudes auf den Parzellen Nr. 499/10, 499/12 und 499/14 erteilt wurde, auf der Parzelle 499/10 das Hauptschulgebäude errichtet, wobei es zu Abweichungen von dem mit dem oben erwähnten Bescheid genehmigten Bauplan gekommen ist. Diese Abweichungen wurden mit Punkt 2 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft E, vom 26. Mai 1964, BauR.-160/4-1964, in öffentlicher Beziehung genehmigt, während die Anrainer, darunter die Kläger, mangels einer Einigung im gütlichen Weg mit der Begründung auf den Rechtsweg verwiesen wurden, daß ihre Einwendungen ausschließlich privatrechtlicher Natur seien.
Die Kläger haben mit ihrer am 5. März 1964 eingebrachten Klage begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, binnen 90 Tagen
a) den Garderobentrakt auf der Parzelle 499/10, Kat.-Gem. A., so abzutragen, daß dessen westliche Baufluchtlinie mit der Dachraufe von der Grenze der Parzelle 487/1 der Kat.-Gem. A. eine Mindestentfernung von 6 m einhält;
b) die vom Garderobentrakt auf Parzelle 499/10, Kat.-Gem. A., gegen die Parzelle 487/1, Kat.-Gem. A., vorgebaute Mauer bis zur Mindestentfernung von 6 m von der Grundgrenze abzutragen;
c) auf dem Grundstück 499/10, Kat.-Gem. A., im Bereich des Lichthofes zwischen Turnsaal und Garderobentrakt das ursprüngliche Geländeniveau innerhalb der Mindestentfernung von 6 m (Garderobentrakt) bis 7 m (Turnsaal) durch Anschüttung und Befestigung des Erdreiches wieder herzustellen;
d) auf den Grundstücken 499/14 und 499/15 die bewilligungswidrigen Anschüttungen auf das Niveau von rund 7 m unter dem höchsten Punkt des Bauplatzes, sohin auf rund 273.5 m Adriakote abzutragen;
e) auf eigene Kosten die Parzelle 499/10, Kat.-Gem, A., auf ihrer rechten Seite gegen die Parzelle 487/1, Kat.-Gem. A., durch einen auf der erstgenannten Parzelle stehenden zirka 180 cm Zaun abzugrenzen.
Sie begrundeten ihr Begehren damit, daß auf Grund der von den Streitteilen bei der Bauverhandlung vom 16. Februar 1962 abgegebenen Erklärungen und des Inhaltes des Bescheides vom 20. August 1962 die Beklagte auch gegenüber den Klägern zur Einhaltung der Baufluchtlinien mit einem bestimmten Abstand zum Grundstück der Kläger, eines bestimmten Niveaus und zur Errichtung des Zaunes verpflichtet sei. Die Beklagte habe aber gegen diese Verpflichtung verstoßen, dadurch die Aufschließung und Verwertbarkeit des Grundstückes der Kläger nachteilig beeinflußt und dieses Grundstück durch unzulässige Anschüttungen der zunehmenden Vernässung und Versauerung und an anderen Stellen durch Abtragungen einer stärkeren Austrocknung ausgesetzt.
Die Beklagte hat den Mangel der Aktivlegitimation mit der Begründung eingewendet, daß die Kläger nicht berechtigt seien, angebliche Verstöße der Beklagten gegen den Bescheid über die Baubewilligung geltend zu machen. Überdies mangle es den Klägern an einem schutzwürdigen Interesse. Es wurde ferner Schikane, Unmöglichkeit der Leistung und hinsichtlich des Begehrens auf Errichtung des Zaunes mangelnde Fälligkeit eingewendet.
Das Erstgericht hat mit Teilurteil das Klagebegehren zu a, b und d abgewiesen.
Folgender Sachverhalt steht außer dem oben wiedergegebenen Sachverhalt noch fest: Zur Kommissionierungsverhandlung vom 16. Februar 1962 über die von der Beklagten beantragte Baubewilligung zur Errichtung des Hauptschulgebäudes sind auch die Kläger als Anrainer vorgeladen worden. Sie haben damals zu Protokoll gegeben, daß sie keinen Einspruch gegen das vorliegende Projekt unter nachfolgenden Voraussetzungen erheben:
1. daß dem Bauführer die Auflage erteilt wird, die westlichen Baufluchtlinien des Garderobetraktes nicht unter 6 m, des Turnsaales nicht unter 7 m Entfernung gegen die östliche Grenzlinie der Parzelle 487/1 vorzurücken und beide Bauten nicht höher, als im ausgelegten Projekt erstellt wurde, aufzuführen,
2. die Marktgemeinde A. sich gleichzeitig verpflichtet, auf eigene Kosten die Parzelle 499/10 auf ihrer rechten Seite gegen die Parzelle 487/1 durch einen auf der erstgenannten Parzelle stehenden zirka 180 cm hohen Zaun abzugrenzen und diesen Zaun auf eigene Kosten zu erhalten.
In dem Kommissionierungsprotokoll erscheint nach dem Gutachten des Amtssachverständigen, der die Wünsche der Kläger als berechtigt anerkannt hat, auch die Äußerung des Bürgermeisters der beklagten Marktgemeinde mit dem Wortlaut auf: "Das Ergebnis der Verhandlung wird zustimmend zur Kenntnis genommen ... Zu den Einwendungen der Anrainer (Kläger) erklärt die Gemeinde, daß sie denselben Rechnung tragen werde." Auf Grund dieser Baurechtsverhandlung ist dann durch die Bezirkshauptmannschaft E. mit dem eingangs erwähnten Bescheid vom 20. August 1962 die Baubewilligung unter diesen Auflagen erteilt worden. Die Bauausführung ist aber von diesem Bescheid abgewichen, und zwar vornehmlich in der Form, daß der Garderobentrakt bis auf
5.40 m bzw. 5.10 m an die Grundstücksgrenze der Kläger heranragt; der Hof des Schulgebäudes durch Abtragungen und Planierung bis hart an die Grundstücksgrenze der Kläger ausgedehnt und zum Geländeausgleich in west-östlicher Richtung gegen das Grundstück der Kläger hin eine Stützmauer errichtet worden ist, der Turn- und Spielplatz auch auf den zwischen den Grundstücken der Beklagten und dem Grundstück der Kläger liegenden öffentlichen Weg ausgedehnt und dieser Platz bis zu 1.50 m aufgeschüttet worden ist. Die Planabweichungen wurden mit Bescheid der Baubehörde vom 26. Mai 1964 für den Bereich des öffentlichen Rechtes nachträglich genehmigt, und es wurden die Kläger mit den von ihnen behaupteten privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Dieser Bescheid ist infolge Berufung der Kläger nicht in Rechtskraft erwachsen. In der Revision brachten die Kläger dazu noch vor, daß am 9. Dezember 1964 die Berufungsentscheidung des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung unter BauR. 945/4-1964 ergangen sei. Es sei zwar der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft E. vom 26. Mai 1964 aus formellen Gründen teilweise aufgehoben worden, doch sei der Rechtsstandpunkt der Bezirkshauptmannschaft E. gebilligt worden.
Das Erstgericht ging bei der rechtlichen Beurteilung davon aus, daß die Kläger ihr Begehren ausdrücklich auf einen Privatrechtstitel, und zwar vornehmlich auf eine bei der Kommissionierung vom 16. Februar 1962 zwischen den Streitteilen angeblich abgeschlossene Vereinbarung stützen, wonach die Beklagte ihren Garderobentrakt nicht näher als 6 m an die Grundstücksgrenze heranbaue und einem Zaun errichte. Es sei daher der Zivilrechtsweg zulässig. Eine solche privatrechtliche Vereinbarung sei jedoch bei der Kommissionierung vom 16. Februar 1962 in Wirklichkeit nicht geschlossen worden. Es handle sich vielmehr nur um Stellungnahmen der Streitteile, die im Baurechtsverfahren abgegeben worden seien. Hinsichtlich der Belassung des bisherigen Niveaus seien von den Streitteilen nicht einmal derartige Stellungnahmen abgegeben worden. Es liege daher kein Privatrechtstitel vor, der die Beklagte aus privatrechtlichen Gründen hindern könnte, näher als 6 m an das Nachbargrundstück heranzubauen bzw. den Turn- und Spielplatz ihrer Schule zu planieren und aufzuschütten. Für den öffentlich-rechtlichen Bereich sei die Planabweichung bereits mit dem Bescheid der Baubehörde vom 26. Mai 1964 in erster Instanz genehmigt worden. Die Beklagte sei Eigentümerin ihrer Schulgrundstücke und könne daher, abgesehen von den nachbar- und baurechtlichen Eigentumsbeschränkungen, frei über ihr Gründeigentum verfügen. Es erweise sich sohin das Klagebegehren in seinen Punkten a, b und d als nicht begrundet und sei mit Teilurteil abzuweisen gewesen. Die gleichzeitig geltend gemachte Abwehr der Vertiefung des Schulhofes bis an die Grundgrenze der Kläger könne allenfalls im § 364b ABGB. und die Errichtung eines Zaunes im § 858 ABGB. ihre privatrechtliche Grundlage haben. Diese Ansprüche seien noch nicht spruchreif und müßten der Endentscheidung vorbehalten werden.
Das Berufungsgericht bestätigte das Teilurteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Ausführungen der Revision sind nicht geeignet, die rechtlichen Erwägungen der Untergerichte, welche zur Abweisung des Klagebegehrens Punkt 1 lit. a, b und d geführt haben, zu erschüttern. Die österreichische Rechtsordnung enthält nachbarrechtliche Vorschriften sowohl im Bereich des privaten Rechtes (z. B. §§ 340 ff., 354, 362, 364 ff., 417 ff., 422, 850, 851 und 854 ff. ABGB,) als auch des öffentlichen Rechtes (z. B. Baurecht, Gewerberecht, Wasserrecht, Wegerecht usw.). Das nachbarrechtliche Verwaltungsverfahren ist immer ein Zweiparteienverfahren. Es wird von demjenigen eingeleitet, der von der Behörde die Erteilung einer Bewilligung (hier Baubewilligung zur Errichtung der Hauptschule) oder die Verleihung eines Rechtes begehrt. Dem Antrag des Einschreiters (Beklagte) stellt der Nachbar (Kläger) mit seinen Einwendungen einen Antrag entgegen, die begehrte Bewilligung oder Berechtigung zu versagen, wobei die Begründung darin gelegen sein kann, daß der Nachbar behauptet, durch die vom Antragsteller begehrte Bewilligung oder Berechtigung in einem Recht verletzt zu sein. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht; hingegen liegt eine Einwendung im Rechtssinn nicht vor, wenn der Nachbar vorbringt, er habe gegen die Bauführung keine Einwendungen, wenn der Bauherr den bereits schadhaften Zaun der Nachbargrenze ausbessert. Hier wird nicht die Verletzung eines Rechtes, sondern ein Wunsch vorgebracht (Krzizek, Das öffentliche Nachbarrecht, S. 12, § 2, S. 27 ff., § 6, S. 31 ff., § 7, S. 116 f, § 13 II). Eine privatrechtliche Einwendung liegt vor, wenn der Nachbar behauptet, durch die vom Einschreiter begehrte Bewilligung oder Berechtigung in einem subjektiven, aus der Privatrechtsordnung erfließenden Recht verletzt zu werden, während alle anderen Einwendungen, die nicht die Verletzung eines aus der Privatrechtsordnung erfließenden Rechtes zum Inhalt haben, öffentlich-rechtliche Einwendungen sind (Krzizek, S. 118 f., § 13 II, 1 und 2). Eine Reihe nachbarrechtlicher Gesetze enthält die Bestimmung, daß über vorgebrachte Einwendungen ein Vergleichsversuch vorzunehmen ist (z. B. § 5 der oö. Bauordnung), während sonst die Bestimmung des § 43 (6) AVG. gilt. Der Hauptanwendungsfall des Vergleiches sind die privatrechtlichen Einwendungen, da ein Vergleich, durch den zwingende Bestimmungen der Verwaltungsvorschriften verletzt werden, nicht zulässig ist. Kommt ein Vergleich zustande, so kann er in der Verhandlungsniederschrift oder im Bescheid beurkundet werden. Es ist aber unrichtig, den Inhalt eines Vergleiches über Angelegenheiten des Privatrechtes zum Gegenstand einer Auflage des Bewilligungsbescheides zu machen. Eine derartige Auflage kann nicht mit den Mitteln des öffentlichen Rechtes erzwungen werden. Kommt über die Einwendungen eine Einigung nicht zustande und handelt es sich um privatrechtliche Einwendungen, dann hat die erkennende Behörde sich darauf zu beschränken, die Einwendungen als privatrechtliche zu erklären und die Streitteile auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Sie spricht aus, daß die geplante Anlage in öffentlich-rechtlicher Hinsicht für zulässig erklärt wird und die Streitteile mit ihrer (näher bezeichneten) Einwendung auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden (Krzizek, S. 122 f., 125 f. § 14 I und II 1, § 5 (3), (4) und (5) der oö. Bauordnung, siehe auch Schey - Klang in Klang[2] II 115 zu § 342 ABGB.).
Wird nun unter diesen Gesichtspunkten das Verhalten der Streitteile bei der Bauverhandlung vom 20. August 1962 geprüft, so ergibt sich zunächst, daß Punkt 1 des Vorbringens der Kläger, keinen Einspruch gegen das Projekt unter der Voraussetzung zu erheben, daß dem Bauherrn die Auflage erteilt wird, die westlichen Baufluchtlinien des Garderobentraktes nicht unter 6 m, des Turnsaales nicht unter 7 m Entfernung gegen die östliche Grenzlinie der Parzelle 487/1 vorzurücken und beide Bauten nicht höher, als im ausgelegten Projekt erstellt, aufzuführen, nicht auf dem Privatrecht beruhen, da sich aus keiner der nachbarrechtlichen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches eine derartige Verpflichtung des bauführenden Nachbarn ergibt. Dies stimmt auch mit dem Vorbringen in der Revision überein, wonach die Kläger mit ihrem Vorbringen in der Bauverhandlung erreichen wollten, daß die offene Bauweise, wie sie für dieses Gebiet stets von der Gemeinde gefordert worden sei, auch bei Bauten der Gemeinde beibehalten werde und daß die Möglichkeit der Verlängerung des öffentlichen Weges Parzelle 499/15 gewahrt bleibe. Nun wäre es allerdings möglich, daß, obwohl es sich nicht um privatrechtliche Einwendungen handelte, ein einen Privatrechtstitel begrundender Vergleich zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Dagegen spricht aber die Formulierung der Einwendungen der Kläger, welche hinsichtlich der Einhaltung der von ihnen gewünschten westlichen Baufluchtlinien und der Höhe des Bauwerkes die Erteilung einer "Auflage" an die Beklagte begehren, während sie hinsichtlich der Errichtung eines Zaunes und der Kosten der Erhaltung dieses Zaunes (Punkt 2 ihres Vorbringens) die "Verpflichtung" der Beklagten verlangen. Sie unterscheiden also in ihren Einwendungen sehr deutlich zwischen jenen, welche ihrer Ansicht nach auf nachbarrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechtes beruhen, bei welchen sie daher eine bescheidmäßige Auflage an die Beklagte verlangen, und den nachbarrechtlichen Einwendungen des Privatrechtes, bei welchen sie eine Verpflichtung der Beklagten begehren. Wenn nun zu den so von den Klägern formulierten bzw., ohne daß von ihnen Wiederspruch erhoben wurde, protokollierten Einwendungen und nach Erstattung des Gutachtens des Amtssachverständigen, wonach den Forderungen der Kläger zu entsprechen sei, der die Beklagte vertretende Bürgermeister erklärt hat, das Ergebnis der Verhandlung zustimmend zur Kenntnis zu nehmen und den Einwendungen der Kläger Rechnung zu tragen, so war diese Erklärung, wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben, auf jeden Fall hinsichtlich Punkt 1 der Einwendungen der Kläger als nichts anderes zu verstehen, als daß vom Vertreter der Beklagten diese Einwendungen öffentlich-rechtlicher Natur und das Ergebnis der Begutachtung durch den Amtssachverständigen zur Kenntnis genommen und diesen Einwendungen Rechnung getragen wird, also gegen eine derartige Auflage im Bescheid nicht opponiert wird, ohne aber damit eine privatrechtliche Verpflichtung gegenüber den Klägern einzugehen. Auch diese konnten bei dieser Sachlage nichts anderes aus der Erklärung des Bürgermeisters schließen, als daß die Beklagte mit einer diesbezüglichen öffentlich-rechtlichen Auflage einverstanden ist. Der Inhalt der beiderseitigen Erklärungen spricht eindeutig gegen die von den Klägern behauptete Willenseinigung im Sinne der Begründung einer privatrechtlichen Verpflichtung durch die Beklagte.
Dazu kommt, daß die von den Klägern behauptete Vereinbarung einen einseitig verbindlichen Vertrag darstellen würde, bei dem nach § 915 ABGB. im Zweifel anzunehmen ist, daß sich die Beklagte als Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wollte. Die geringere Last wäre aber die öffentlich-rechtliche Auflage, weil bei einem Abweichen von dieser die Beklagte als Bauherr gemäß § 7 der oö. Bauordnung immer noch die Möglichkeit hatte, die nachträgliche Genehmigung dieser Abweichung im Verwaltungsweg durch die Baubehörde einzuholen, ohne, wie beim Vorliegen einer privatrechtlichen Vereinbarung und bei grundloser Verweigerung der Zustimmung seitens der Kläger als Vertragspartner, genötigt zu sein, den beschwerlichen Rechtsweg beschreiten zu müssen.
Daß in dem späteren Verfahren wegen Genehmigung der Abweichung vom Bauplan die Kläger mit ihren Einwendungen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurden, ist selbstverständlich, weil ja die Kläger auf dem Standpunkt stehen, daß sie auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen ihnen und der Beklagten berechtigt sind, von der Beklagten fordern zu können, daß sie den Bau, so wie in dem Bescheid über die Baubewilligung entschieden und von der Beklagten den Klägern zugestanden ausführt.
Dazu kommt, daß gemäß § 55 (1) oö. Gemeindeordnung zwar der Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt und ihren Geschäftsverkehr leitet, aber nach § 35 (2) der oö. Gemeindeordnung gewisse Geschäfte, z. B. der Verzicht auf ein der Gemeinde zustehendes Recht (§ 35 (2) I lit. o), der Beratung und Beschlußfassung des Gemeindeausschusses unterliegen. Der Bürgermeister ist gemäß § 54 oö. Gemeindeordnung bei Vorliegen der in dieser Bestimmung angeführten dringenden Fälle berechtigt, an Stelle des Gemeindeausschusses zu handeln, doch muß er unverzüglich die nachträgliche Genehmigung des Gemeindeausschusses einholen. Darin liegt aber eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Bürgermeisters als Organ der Gemeinde, die gegen jeden Dritten wirkt. Das von den Klägern behauptete Übereinkommen hätte daher, da es die Aufgabe des Rechtes der Beklagten, auf ihrem Grundstück, ohne auf Grund privatrechtlicher Vorschriften zur Einhaltung bestimmter Fluchtlinien verhalten zu sein, bauen zu können, beinhaltet, zu seiner Rechtswirksamkeit der Beschlußfassung durch den Gemeindeausschuß bedurft, deren Vorliegen von den Klägern gar nicht behauptet wird. Die Bestimmungen des § 35 oö. Gemeindeordnung müssen mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 867 ABGB. die Kläger auf jeden Fall gegen sich gelten lassen (SZ. XXV 96, EvBl. 1959, Nr. 71 S. 128, JBl. 1954, S. 359 (diese Entscheidung erging zur Tiroler Gemeindeordnung); siehe auch Riel, Die Vertretungsbefugnisse des Bürgermeisters, ÖJZ. 1951, S. 553 f.). Das von den Klägern behauptete Vertrauen auf den äußeren Tatbestand liegt nicht vor, da dieses immer ein bestimmtes Verhalten des Machtgebers voraussetzt, ein solches aber, wie insbesondere aus den Ausführungen in der Revision hervorgeht, gar nicht behauptet wird. Aus der dem Bürgermeister zukommenden Vertretungsbefugnis läßt sich für die Kläger nichts gewinnen, da diese Vertretungsbefugnis durch die Bestimmung des § 35 der oö. Gemeindeordnung hinsichtlich bestimmter Geschäfte eingeschränkt ist.
Die Untergerichte haben daher zu Recht in den von den Streitteilen bei der Bauverhandlung vom 20. August 1962 abgegebenen Erklärungen das Zustandekommen einer privatrechtlichen Vereinbarung nicht erblickt. Den Klägern bleibt daher, soweit ihre hinsichtlich der durch die Abweichung der Ausführung des Baues von den Plänen entstandenen Situation geltend gemachten Ansprüche nicht in den nachbarrechtlichen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches eine Deckung finden, nur der Verwaltungsweg offen. Den Ausführungen der Kläger, daß dann, da im Verwaltungsverfahren gleichfalls zu ihren Ungunsten entschieden worden sei, ihnen ihre Rechtsdurchsetzung unmöglich gemacht werde und das vorsätzliche Zuwiderhandeln der Beklagten gegen die von ihr übernommene Verpflichtung ungeahndet bleibe, ist entgegenzuhalten, daß im vorliegenden Rechtsstreit als Klagsgrund eine angebliche Vereinbarung und nachbarrechtliche Immissionen geltend gemacht wurden. Erstere sind, wie oben dargelegt wurde, nicht gegeben und hinsichtlich der letzteren ist, was das Begehren Punkt 1 lit. d anlangt, das Klagebegehren verfehlt. Gegen letztere vom Berufungsgericht vertretene Auffassung wird in der Revision nichts vorgebracht; sie ist auch zutreffend. Dieser Auffassung steht auch nicht entgegen, daß in der Entscheidung SZ. XIV 210 ausgesprochen wurde, der Eigentümer einer Grenzmauer, die durch Erhöhung des Nachbargrundes zum Einsturz gebracht wurde, sei berechtigt, vom Eigentümer des Nachbargrundes die Wiederherstellung der Mauer zu verlangen. Bei dieser Entscheidung ging es um einen aus § 364 (2) ABGB. sich ergebenden Schadenersatzanspruch auf Wiederherstellung der infolge Immissionen eingestürzten Mauer (Naturalrestitution), während es sich im vorliegenden Fall nach dem Inhalt des Begehrens, soweit es auf § 364 (2) ABGB. gegrundet wird, um sichernde Vorkehrungen handelt, ohne daß behauptet wird, daß sie durch andere Maßnahmen, als durch die Wiederherstellung des früheren Zustandes des Grundstückes der Beklagten, nicht getroffen werden können.
Anmerkung
Z38050Schlagworte
Bauverhandlung, Parteienerklärung bei -, Bürgermeister, Vertretungsbefugnis nach der oö. GemeindeO., Nachbarrecht, Auswahl den Schutzmaßnahmen nach § 364 (2) ABGB., Parteienerklärung bei Bauverhandlung, Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters nach der oö. GemeindeO.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0060OB00055.65.0331.000Dokumentnummer
JJT_19650331_OGH0002_0060OB00055_6500000_000