TE Vwgh Beschluss 2005/3/31 2001/15/0037

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Veröffentlicht am 31.03.2005
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Index

E1E;
E3L E09301000;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/04 Steuern vom Umsatz;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art9 Abs2 lita;
31979L1072 Umsatzsteuer-RL 08te;
31986L0560 Umsatzsteuer-RL 13te;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
62002CJ0428 Fonden Marselisborg Lystbadehavn VORAB;
ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995;
UStG 1994 §1 Abs1 Z1;
UStG 1994 §21 Abs9;
UStG 1994 §3a Abs6;
VwGG §38b idF 2004/I/089;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2005/0002 * EuGH-Zahl: C-166/05 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62005CJ0166 7. September 2006 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2006/15/0291 E 25. Oktober 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz LL.M., in der Beschwerdesache der H GmbH in S, vertreten durch Dr. Susanne Steiner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Stelzhamerstraße 5a, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 8. Jänner 2001, GZ. RV 336/1-10/00, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erstattung von Vorsteuern für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 1999, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt die Einräumung der Berechtigung zur Ausübung der Fischerei in Form einer entgeltlichen Übertragung von Fischereikarten eine "Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück" im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: Einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: 6. Richtlinie) dar?

Begründung

I. Sachverhalt:

Die beschwerdeführende Gesellschaft (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte in Österreich. Sie stellte am 7. Dezember 1999 einen Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer für nicht im Inland ansässige Unternehmer betreffend ein "Fischkartenkontingent 1997 und 1998 für Gmundner Traun" (nach den in der 8. Richtlinie, 79/1072/EWG, vorgesehenen Regeln). Die Vorsteuerbeträge resultierten aus Rechnungen jeweils vom 2. Jänner 1999 einer in Österreich ansässigen Gesellschaft. Mit diesen Rechnungen wurden der in Deutschland ansässigen Beschwerdeführerin für die Überlassung des Fischereikartenkontingentes "Gmundner Traun" für das Angeljahr 1997 ATS 560.000,-- zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer ATS 112.000,-- und für das Angeljahr 1998 ATS 700.000,-- zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer ATS 140.000,-- in Rechnung gestellt. Mit dem Erwerb der Fischereikartenkontingente erhielt die Beschwerdeführerin Fischereikarten, die diese an eine große Anzahl von Abnehmern (aus Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien etc.) um einen Preis zwischen DM 75,-- und DM 450,-- verkaufte. Die Fischereikarten berechtigten zum Fischen an bestimmten Teilstücken eines in Oberösterreich gelegenen Flusses (so genannte "Gmundner Traun").

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer keine Folge gegeben. Die belangte Behörde vertrat dazu den Standpunkt, dass mit dem Verkauf der Fischereikarten eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem im Inland gelegenen Grundstück bewirkt worden sei, sodass wegen der Ausführung von inländischen Umsätzen die beantragte Vorsteuererstattung nicht durchgeführt werden könne.

Die Beschwerdeführerin vertritt in der vorliegenden Beschwerde im Wesentlichen die Ansicht, dass in der Einräumung der mit den Fischereikarten verbundenen Berechtigung zur Ausübung der Fischerei keine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück zu sehen sei, sodass sie in Österreich keinen Umsatz erzielt habe und aus diesem Grund dem Antrag auf Vorsteuererstattung im Verfahren nach der 8. Richtlinie stattzugeben gewesen wäre.

II. Einschlägige nationale Vorschriften:

Nach § 1 Abs. 1 Z 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) 1994 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 wird eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück dort ausgeführt, wo das Grundstück gelegen ist. Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind nach § 3a Abs. 6 lit. a UStG 1994 auch die sonstigen Leistungen der Grundstücksmakler und Grundstückssachverständigen und nach lit. b die sonstigen Leistungen zur Vorbreitung oder zur Koordinierung von Bauleistungen (z.B. die Leistungen von Architekten und Bauaufsichtsbüros).

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995, mit der in Umsetzung sowohl der 8. Richtlinie (79/1072/EWG) als auch der 13. Richtlinie (86/560/EWG) ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wurde, lautete in ihrem Artikel I:

"Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994, in

der Fassung BGBl. Nr. 21/1995 wird verordnet:

Artikel I

Erstattung der Vorsteuerbeträge in einem besonderen Verfahren

Berechtigte Unternehmer

§ 1. (1) Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2 und 3 durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum

1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder

2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder

3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz und Art. 19 Abs. 1 Z 3 UStG 1994), oder

4. nur Umsätze, die der Einzelbesteuerung (§ 20 Abs. 4 UStG 1994) unterlegen haben,

ausgeführt hat.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.

Erstattungszeitraum

§ 2. Erstattungszeitraum ist nach der Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr. Der Erstattungszeitraum kann weniger als drei Monate umfassen, wenn es sich um den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres handelt. In dem Antrag für diesen Zeitraum können auch abziehbare Vorsteuerbeträge aufgenommen werden, die in vorangegangene Erstattungszeiträume des betreffenden Kalenderjahres fallen.

Verfahren

§ 3. (1) Der Unternehmer hat die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Graz Stadt zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Dem Erstattungsantrag sind die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.

(2) Der zu erstattende Betrag muss mindestens 5 000 S betragen. Das gilt nicht, wenn der Erstattungszeitraum das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum eines Kalenderjahres ist. Für diese Erstattungszeiträume muss der zu erstattende Betrag mindestens 500 S betragen.

(3) Der Unternehmer muss dem Finanzamt Graz Stadt in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist.

Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen, Belegnachweis

§ 4. (1) Ist bei den in § 1 Abs. 1 genannten Unternehmern die Besteuerung nach den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 durchzuführen, so sind hiebei die Vorsteuerbeträge nicht zu berücksichtigen, die nach § 1 Abs. 1 erstattet worden sind.

(2) Die abziehbaren Vorsteuerbeträge sind in den Fällen des Abs. 1 durch Vorlage der Rechnungen und zollamtlichen Belege (Einfuhrumsatzsteuer) im Original nachzuweisen."

III. Erläuterungen zur Vorlagefrage

§ 3a Abs. 6 UStG 1994 entspricht der Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a der 6. Richtlinie, wonach als Ort einer Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, einschließlich der Dienstleistung von Grundstücksmaklern und - sachverständigen, und als Ort einer Dienstleistung zur Vorbereitung oder zur Koordinierung von Bauleistungen, wie z. B. die Leistungen von Architekten und Bauaufsichtsbüros, der Ort gilt, an dem das Grundstück gelegen ist. Dem Begriff Dienstleistungen in der 6. Richtlinie entspricht der Begriff der sonstigen Leistung des UStG 1994.

Streitpunkt bildet im Ausgangsrechtsstreit die Frage, ob mit dem Verkauf der Fischereikarten und der damit erfolgten Einräumung der Fischereiberechtigung durch die Beschwerdeführerin Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem im Inland (Österreich) gelegenen Grundstück ausgeführt wurden. Auszulegen ist somit die Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a der 6. Richtlinie (und des insoweit gleich lautenden § 3a Abs. 6 UStG 1994) in Bezug auf eine Dienstleistung "im Zusammenhang mit einem Grundstück".

Zur Auslegung wird nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen sein, dass es sich bei den vorliegenden Begriffen zur Bestimmung des Leistungsortes um autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe handelt, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen. Sie erfordern daher eine gemeinschaftsrechtliche, vom innerstaatlichen Zivilrecht der Mitgliedstaaten unabhängige Definition, wobei die Vorschrift nach ihrem Sinnzusammenhang sowie nach den Zielsetzungen und der Systematik der 6. Richtlinie auszulegen ist.

Die Besteuerung am Grundstücksort entspricht dem Bestimmungslandprinzip und dient vor allem der Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer, als einem der wesentlichen Ziele des Mehrwertsteuersystems. Ein weiterer Vorteil der Besteuerung einer sonstigen Leistung am Grundstücksort liegt darin, dass sich ein Grundstück als räumliche Einheit besonders gut für eine Fixierung des Leistungsortes eignet (vgl. z.B. Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, Wien 1997, Seite 135).

Die Ausübung der im Ausgangsrechtsstreit strittigen Fischerei ist mit einem Grundstück im Sinne eines räumlich abgegrenzten, mit Wasser bedeckten Teiles der Erdoberfläche verbunden. Auch die mit Wasser bedeckte Fläche (der "Gmundner Traun") ist fest abgegrenzt und nicht verlegbar (vgl. das Urteil des EuGH vom 3. März 2005, C- 428/02, Fonden Marselisborg Lystbadehavn, Randnr. 34). In diesem Sinne könnte (auch im Sinne der Herstellung der mit dem Mehrwertsteuersystem beabsichtigten Wettbewerbsneutralität im Bestimmungsland verbrauchter Leistungen) die Einräumung der Berechtigung zur Ausübung der Fischerei als Dienstleistung "im Zusammenhang mit einem Grundstück" gesehen werden.

Allerdings erscheint der Zusammenhang doch nicht derart offenkundig oder eng zu sein, weil der wirtschaftliche Schwerpunkt der Dienstleistung nicht etwa in der Gebrauchsüberlassung eines Grundstückes (oder einer Wasserfläche) an sich (in Form einer Vermietung) gesehen werden kann, sondern in der Einräumung der Berechtigung zur Ausübung der Fischerei. Allgemein erscheint in diesem Zusammenhang auch ungeklärt, ob die Dienstleistung einen sehr engen Bezug zum Grundstück haben muss oder ob ein loser Zusammenhang ausreicht, um die Leistung als am Grundstücksort erbracht anzusehen (für eine restriktive Auslegung

z. B. Martin in Sölch/Ringleb, UStG, EL 51, April 2004, § 3a UStG Rz. 76; für einen "einfachen sachlichen Zusammenhang" etwa Pflüger in Hartmann/Metzenmacher, UStG, Lfg. 8/98, § 3a UStG Rz. 74, der beispielsweise darauf abstellt, ob die Leistung am Grundstück im Vordergrund steht; gegen eine einengende Auslegung z.B. Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, Lfg. 116, Oktober 2003, § 3a Anm.: 66).

Die Lösung der gegenständlichen Auslegungsfrage scheint nicht derart offenkundig zu sein, dass für einen Zweifel im Sinne der Rechtsprechung C.I.L.F.I.T. (Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1982, Slg. 1982, 3415) kein Raum bliebe. Die Frage wird daher dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt.

Angemerkt wird, dass an die Stelle der Finanzlandesdirektion für Steiermark als belangte Behörde nunmehr das Finanzamt Graz-Stadt, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, A-8010 Graz, getreten ist.

Wien, am 31. März 2005

Gerichtsentscheidung

EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB
EuGH 62002CJ0428 Fonden Marselisborg Lystbådehavn VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001150037.X00

Im RIS seit

26.04.2005

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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