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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO NÖ 1996 §20 Abs1 Z1 idF 8200-6;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/05/0002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerden des Dr. Johann Lang in Altruppersdorf, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Esteplatz 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. September 2002, Zl. RU1-V-02079/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Hermann Leisser,
2. Gabriele Leisser, beide in 2135 Altruppersdorf, Obere Hauptstraße 15, 3. Stadtgemeinde Poysdorf),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen;
2. den Beschluss gefasst:
Die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene, zur hg. Zl. 2003/05/0002 protokollierte Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 29. März 1999 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den erst- und zweitmitbeteiligten Bauwerbern die Baubewilligung zur Errichtung eines ebenerdigen Presshauses auf dem Grundstück Nr. 1575, KG Altruppersdorf. Diese mit der Baufläche idente Parzelle ist, wie mehrere andere Kleinparzellen in dieser Kellergasse, von dem der mitbeteiligten Gemeinde gehörenden Grundstück Nr. 1587/1 umgeben. Dem Grundstück Nr. 1587/1 südlich benachbart ist das Grundstück Nr. 1587/2 des Beschwerdeführers. In der genannten Baubewilligung wurde festgelegt, dass das Vorhaben ohne Rauchfang ausgeführt werden darf; bezüglich eines im Bauplan noch eingetragenen Rauchfanges erklärte der Bauwerber in der Bauverhandlung, dass der Rauchfang nicht ausgeführt werde. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2002 bescheinigte der Bauführer, dass das Vorhaben bewilligungsgemäß errichtet worden sei.
Mit Schreiben vom 9. Jänner 2001 suchten die Bauwerber um die Erteilung der Baubewilligung für die Neuerrichtung eines Kamins in ihrem Presshaus zur Aufstellung eines Einzelofens für feste Brennstoffe an.
In seinen dagegen erhobenen schriftlichen Einwendungen brachte der Beschwerdeführer vor, er würde sich nicht gegen einen Kamin bei einer Gasbeschickung aussprechen. Bei Fest- oder Heizölbrennstoffen müsste aber ein entsprechender Amtssachverständiger schlüssig und nachvollziehbar darlegen, dass es nicht zu einer unzumutbaren Belästigung der Bewohner seines Hauses komme. Aus den von den Bauwerbern vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, durch welche flankierenden Maßnahmen gewährleistet sein solle, dass bei Windstrom in Richtung seines Hauses die Schadstoffemission des Kamins über den Dachfirst seines dreigeschossigen Hauses abziehen könne. Schon im seinerzeitigen Bauverfahren habe der Beschwerdeführer eingewendet, dass hier ein "Wald" vorliege; ein damals vorgelegter diesbezüglicher Feststellungsbescheid sei ein "Nicht-Bescheid", weil nur die Gemeinde als Waldeigentümer zur Antragstellung legitimiert gewesen wäre.
Anlässlich der Bauverhandlung wurde zunächst festgestellt, dass abweichend von den vorgelegten Unterlagen der Schornstein nördlich der Firstlinie in einem Abstand von ca. 50 bis 80 cm angeordnet werde. Der Ausmündungsbereich würde sich 80 cm über der Dachfläche und damit 40 cm über der Firsthöhe befinden.
Der anwesende Bausachverständige hielt fest, dass es sich bei den Emissionen durch den Einzelofen und den daraus resultierenden Immissionen bei den Anrainergebäuden um jene handle, welche sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken ergeben würden. Bei einem ordnungsgemäßen Betrieb dieses Einzelofens auf Basis des NÖ Luftreinhaltegesetzes und der maximalen Emissionsgrenzwerte für Festbrennstoffanlagen bestehe kein Anlass, eine Beeinträchtigung der Anrainer zu erwarten. Der neue Schornstein würde die in § 84 NÖ Bautechnikverordnung (BTV) geforderten Mindestabstände zu angrenzenden Wohnraumfenstern nicht unterschreiten. Verwiesen wurde auf den Lageplan, wonach in 10 m Entfernung zum Schornstein die Grundgrenze zur Liegenschaft des Beschwerdeführers noch nicht erreicht wird.
Der Beschwerdeführer war bei der Verhandlung nicht anwesend, sodass keine weiteren Einwendungen erhoben wurden. Das Verhandlungsprotokoll wurde dem Beschwerdeführer zu einer Stellungnahme übermittelt; er führte im Schreiben vom 21. März 2001 aus, dass es sich bei der gegenständlichen Parzelle um Wald handle, sodass eine Verbauung unzulässig sei. Allein deshalb, weil § 84 NÖ BTV eingehalten werde, werde eine Belästigung der Anrainer noch nicht ausgeschlossen. Der Ausschluss von Einwendungen gegenüber Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken ergeben (§ 6 Abs. 2 Z. 2 NÖ BauO), komme hier nicht in Betracht, weil es sich ja um ein Presshaus handle.
Ein daraufhin von der Baubehörde herangezogener maschinenbautechnischer Amtssachverständiger stellte in seinem Gutachten vom 6. Juli 2001 fest, es handle sich hier um eine Kleinfeuerungsanlage, wobei zur Beheizung des 46 m2 großen Presshauses eine Maximalleistung von ca. 50 kW erforderlich sei. Das entspreche einer Wärmeerzeugungsanlage für ein kleines Einfamilienhaus, die unter Berücksichtigung der Anforderungen des § 84 NÖ BTV keine unzumutbaren Belästigungen erwarten lasse. Das Presshaus sei in einer windgeschützten Lage errichtet, weshalb zu erwarten sei, dass selbst mögliche Beeinflussungen auf Grund der statischen Verteilung der Windrichtungen geringer ausfallen, als sie durch Angaben der Hauptwindrichtung im Flächenwidmungsplan zu erwarten seien. Der Sachverständige gelangte zum Ergebnis, dass sowohl gegen die Errichtung als auch gegen den Betrieb des Rauchfanges aus heizungstechnischer Sicht keine Bedenken bestünden, wenn nur die Brennstoffe verwendet werden, die in der NÖ BTV angeführt und zugelassen seien und die Luftzuführung beim Kaltstart des Ofens ungedrosselt erfolge. Angefertigt wurde, wie aus dem Bauakt ersichtlich, auch ein Lageplan, wonach der Abstand zwischen dem Kamin und dem dem Presshaus am nächsten befindlichen Fenster der Wohnküche des Hauses des Beschwerdeführers 13,60 m betrage.
Der beigezogene medizinische Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 24. Juli 2001 zum Ergebnis, dass bei ordnungsgemäßem Betrieb der Heizungsanlage keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung der Anrainer abgeleitet werden könne, da weder die Schadstoffkonzentration noch die Expositionsdauer in einem nicht ständig beheizten Gebäude ein gesundheitsschädigendes Ausmaß erreichen würde.
Dem Beschwerdeführer wurden die Gutachten zur Stellungnahme vorgehalten. In seinem Schreiben vom 5. September 2001 bekämpfte er die Schlussfolgerungen des technischen Gutachters bezüglich der Windverhältnisse, weil der Sachverständige nur von Vermutungen und Erwartungen ohne konkrete Messung ausgegangen wäre. Wenn der medizinische Gutachter zum Schluss komme, dass bei einer nicht ständigen Beheizung keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung gegeben sei, sei daraus zu entnehmen, dass bei einer ständigen Beheizung sehr wohl eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung gegeben sei, aber wohl auch eine mittelbare Gefährdung bei nicht ständiger Beheizung. Den Anforderungen des § 48 NÖ BauO werde damit nicht entsprochen.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2001 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Baubehörde erster Instanz die Baubewilligung zur Errichtung eines Kamins nach Maßgabe der Baubeschreibung und der mit der Bezugsklausel versehenen Planunterlagen. Die Einwendungen hinsichtlich der befürchteten Belästigungen durch den Beschwerdeführer wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen, jene hinsichtlich der Grünlandwidmung als unzulässig zurückgewiesen.
Nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan werde das Vorhaben auf einem Bauplatz im Bauland-Agrargebiet errichtet. Das Vorhaben halte die in der NÖ BTV vorgesehenen Abstände ein, im Umkreis von 10 m seien keine Hauptfenster vorhanden. Der Kamin selber könne keine Emissionen hervorrufen; die Aufstellung von Einzelöfen oder Herden sei weder bewilligungs- noch anzeigepflichtig.
Mit Bescheid vom 4. April 2002 wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung als unzulässig zurück. Da einerseits der Kamin keine Emissionen im Sinne des § 48 NÖ BauO hervorrufen könne, andererseits die Aufstellung von Öfen oder Herden bewilligungs- und anzeigefrei sei, müsse die Bekämpfung allfälliger Belästigungen auf dem Zivilrechtsweg erfolgen. Die Einwendung "Wald" sei keine, die im Baubewilligungsverfahren berücksichtigt werden müsse. Daher habe der Beschwerdeführer seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren verloren. Soweit er in der Berufung die Überprüfung des mit Bescheid vom 23. September 1999 errichteten Presshausneubaues gefordert habe, stehe dies in keinem Zusammenhang mit dem gegenständlichen Bauverfahren und sei daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.
In seiner dagegen erhobenen Vorstellung rügt der Beschwerdeführer, es wäre wegen der "Einheitlichkeit der Rechtsordnung" zu beachten gewesen, dass sich das Baugrundstück im "Wald" im Sinne des Forstgesetzes befindet. Er verwies auf sein bisheriges Vorbringen und darauf, dass § 84 NÖ BTV nur Mindeststandards festlege.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Sie verwies zunächst auf die bestehende Flächenwidmung "Bauland-Agrargebiet" und die damit verbundenen Nutzungen. Der gegenständliche Schornstein sei zwar gemäß § 14 Z. 2 NÖ BauO 1996 bewilligungspflichtig, er könne jedoch kein Nachbarrecht im Sinne des § 6 NÖ BauO 1996 berühren, weil er selbst keine Immissionen hervorrufen könne. Daher bestehe diesbezüglich keine Parteistellung des Vorstellungswerbers. Die §§ 81 und 84 NÖ Bautechnikverordnung 1997 würden keine Parteistellung begründen, weil sie nicht dem Schutz der Nachbarn dienten. Die Hauptfenster des Gebäudes des Beschwerdeführers seien nicht innerhalb eines Umkreises von 10 m, weshalb die beiden im Akt erliegenden Gutachten gar nicht hätten eingeholt werden müssen.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer (u.a.) in dem ihm nach § 6 Abs. 2 Z. 2 NÖ BauO zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht auf Schutz vor Emissionen (§ 48 NÖ BauO) verletzt; er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Den selben Bescheid hat der Beschwerdeführer auch mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpft; der Verfassungsgerichtshof hat allerdings mit Beschluss vom 25. November 2002, B 1578/02, die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und über gesonderten Antrag des Beschwerdeführers die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Zu der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erstatteten die belangte Behörde und die mitbeteiligte Stadtgemeinde jeweils eine Gegenschrift, weiters wurden die Verwaltungsakten vorgelegt. Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift der mitbeteiligten Stadtgemeinde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 NÖ BauO 1996, LGBl. 8.200-6 (BO), ist eine Baubewilligung zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 angeführten Bestimmungen besteht. § 20 Abs. 1 BO lautet auszugsweise:
"§ 20
Vorprüfung
(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben
1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone,
2.
der Bebauungsplan,
3.
eine Bausperre,
4.
die Unzulässigkeit der Erklärung des betroffenen Grundstücks im Bauland zum Bauplatz,
5.
ein Bauverbot nach § 11 Abs. 5 oder
6.
eine Bestimmung dieses Gesetzes, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210, oder einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze entgegensteht.
..."
Der Prüfungsrahmen der Baubehörde wird, wie im § 23 Abs. 1 BO festgelegt, somit durch die im § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 aufgezählten Voraussetzungen abgesteckt; die Übereinstimmung eines Vorhabens mit Bestimmungen des Forstgesetzes ist dort als Voraussetzung nicht genannt. Daher kommt es auch auf eine allfällige "widersprüchliche Widmung des gegenständlichen Grundstückes gemäß ForstG und Flächenwidmungsplan", wie der Beschwerdeführer behauptet, nicht an. Entscheidend ist allein, wie der Beschwerdeführer an anderer Stelle der Beschwerde selbst hervorhebt, ob das Vorhaben mit der vorliegenden Flächenwidmung vereinbar ist. Aus welchem Grund das hier gegenständliche Vorhaben mit der Widmung "Bauland-Agrargebiet" nicht vereinbar wäre, wird in der Beschwerde aber nicht aufgezeigt.
Gesetzwidrig soll das Vorhaben nach Auffassung des Beschwerdeführers sein, weil es der Bestimmung des § 48 BO widerspreche. Diese Bestimmung lautet:
"§ 48
Immissionsschutz
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen
1.
das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
2.
Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.
(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."
Nach Auffassung der belangten Behörde könne sich der Beschwerdeführer aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 Z. 2 BO nicht auf § 48 BO berufen. § 6 BO lautet auszugsweise:
§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:
...
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), ...
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind. Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
...
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten
... "
Der Rechtsauffassung des angefochtenen Bescheides, der gemäß § 14 Z. 2 BO bewilligungspflichtige Schornstein könne kein Nachbarrecht berühren, weil ein Schornstein selbst keine Emissionen hervorrufen könne, hielt der Beschwerdeführer zu Recht § 6 Abs. 1 vorletzter Satz BO entgegen, wonach es darauf ankomme, ob die Nachbarn durch das Bauwerk und dessen Benützung in den im Gesetz erschöpfend aufgezählten Rechten berührt sind. Daher wird in der Gegenschrift nunmehr damit argumentiert, dass § 6 Abs. 2 Z. 2 BO solche Immissionen von den subjektiv-öffentlichen Rechten ausnimmt, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken ergeben. Dass das gegenständliche Gebäude anderen Zwecken als Wohnzwecken dienen solle, ginge weder aus dem gegenständlichen Ermittlungsverfahren hervor, noch sei dies jemals vom Beschwerdeführer behauptet worden. Auch ein Presshaus diene im weitesten Sinn Wohnzwecken.
Die mitbeteiligte Gemeinde vermeidet in ihrer Gegenschrift hingegen eine präzise Festlegung, dass das vorhandene Gebäude ein Wohngebäude sei, sondern argumentiert damit, dass hier ja eine "geringerwertige Nutzung oder Gebäudebeanspruchung" als bei einem Wohngebäude vorliege, weshalb jedenfalls auch hier der Einwendungsausschluss des § 6 Abs. 2 Z. 2 BO zur Anwendung kommen müsse.
Gegenstand der Baubewilligung vom 29. März 1999 war der Neubau eines Presshauses; nach dem Bauplan enthielt dieses ebenerdige Gebäude mit unausgebautem Dachgeschoß eine Kochnische mit Spüle, ein WC und einen 38,10 m2 großen, mit "Presshaus" bezeichneten Raum. Auf der Hinterseite führt ein 5 m langer Kellerhals zum 24,96 m2 großen Keller. Weder den mit dem Bauansuchen verbundenen Unterlagen, noch dem Protokoll der Bauverhandlung noch dem Bescheid ist ein Hinweis dafür zu entnehmen, dass ein Wohngebäude errichtet werden sollte; die in der Bauverhandlung vom 5. März 1999 besprochene Beheizungsmöglichkeit wurde damals vom Bauwerber damit begründet, dass eine Beheizung nur in der kalten Jahreszeit bei diversen Arbeiten im Presshaus vorgesehen sei. Auch in der Bauverhandlung zum nunmehrigen Verfahren ist von einer Wohnnutzung keine Rede.
Der hier in Rede stehende Einwendungsausschluss des § 6 Abs. 2 Z. 2 BO bezieht sich kraft ausdrücklicher Anordnung nur auf die Nutzung zu Wohnzwecken; der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings darüber hinaus in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, von den Nachbarn hingenommen werden müssen (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Zl. 90/05/0007, sowie, bezüglich Heizungsanlagen, die Erkenntnisse vom 29. April 1997, Zl. 94/05/0072 und vom 28. Oktober 1997, Zl. 96/05/0110). Die hier gegebene Widmung Bauland-Agrargebiet erlaubt insbesondere Bauwerke land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sowie, abgesehen von gewissen anderen Betrieben, Einfamilienhäuser und Kleinwohnhäuser (§ 16 Abs. 1 Z. 5 NÖ ROG 1976). Auch § 48 Abs. 2 BO verweist zur Frage, ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, auf die für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart und die sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerkes und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen. An Hand dieses Maßstabes wäre die vom Beschwerdeführer erhobene Einwendung zu beurteilen gewesen.
Nicht gefolgt werden kann den Behörden darin, dass der Beschwerdeführer gar nicht berechtigt gewesen wäre, eine Beeinträchtigung durch Immissionen geltend zu machen. Die Baubehörde erster Instanz hat zwar zur Klärung der Frage, ob Immissionen vorliegen, die sich im Rahmen des in der gegebenen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, ein Beweisverfahren durchgeführt und Gutachten eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen eingeholt. Die Ergebnisse dieser Gutachten fanden jedoch in die Feststellungen der ergangenen Bescheide keinen Eingang; vielmehr hat man sich mit dem mit § 6 Abs. 1 vorletzter Satz BO ("und dessen Benützung") nicht in Einklang zu bringenden Hinweis begnügt, dass Schornsteine nicht emittieren und Heizungsanlagen bewilligungsfrei wären.
Da die belangte Behörde diese Rechtsauffassung der Gemeindebehörden nicht nur teilte sondern mit dem Hinweis, es hätten gar keine Gutachten eingeholt werden müssen, sogar noch bestärkte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Die vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, die den selben Bescheid betraf, war wegen Verbrauch des Beschwerderechts gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluss vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/09/0245, mwN).
Wien, am 31. März 2005
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002051237.X00Im RIS seit
04.05.2005