TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/31 2004/20/0357

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Veröffentlicht am 31.03.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des G in F, geboren 1985, vertreten durch Dr. Edith Egger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Gänsbacherstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. August 2004, Zl. 239.913/0- VI/17/03, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylsache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. Juli 2003 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines am 9. Dezember 1985 geborenen Staatsangehörigen von Georgien, gemäß § 7 AsylG ab und es stellte gemäß § 8 AsylG (idF vor der AsylG-Novelle 2003) die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien fest. Es ging aus näher angeführten Gründen primär von der Unglaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe, insbesondere betreffend der angeblichen Herkunft aus dem Pankisital und der darauf bezogenen Verfolgungsbehauptungen, aus. Es verwies aber auch auf das Bestehen einer internen Ausweichmöglichkeit und in diesem Zusammenhang noch auf die mangelnde Aktualität der geltend gemachten Gefährdung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 14. Juli 2003 eine von ihm selbst verfasste (und vom Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlichem Vertreter nachträglich genehmigte) Berufung, die von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. August 2004 "gem. § 13 Abs. 3 i. V.m. § 63 Abs. 3 AVG" als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf ihre Darstellung der Aktenlage und auf die von der Rechtsprechung zum Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG entwickelten Rechtssätze die Auffassung, die - ihrer Ansicht nach - unbegründete Berufung des Beschwerdeführers sei zurückzuweisen, weil er bzw. sein damaliger (gesetzlicher) Vertreter den nachweislich zugestellten Verbesserungsaufträgen vom 21. August 2003 und vom 17. September 2003 innerhalb der gesetzten angemessenen Frist nicht auftragsgemäß nachgekommen sei. Die belangte Behörde könne aus den vorliegenden Schriftsätzen des Beschwerdeführers "jedenfalls nicht einmal andeutungsweise erkennen, worin die Unrichtigkeit des Bescheides des Bundesasylamtes vom 01.07.2003 gelegen sein soll." Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht ausreichend konzentrieren und daher keine vernünftigen und verständlichen Antworten geben können, reiche "für eine mit einer Begründung versehene Replik nicht aus, da eine Konkretisierung, was er alles bei vorhandener Konzentration vorgebracht hätte, nicht erfolgte."

Dazu komme, dass das Bundesasylamt den bekämpften Bescheid auf das Vorhandensein einer inländischen Fluchtalternative und auch darauf gestützt habe, dass der Beschwerdeführer nach dem behaupteten Mordanschlag auf seine Mutter und seine Schwester noch zwei Jahre in Georgien aufhältig gewesen sei. "Diesem zentralen Begründungselement" und den umfangreichen Feststellungen zu Georgien sei der Beschwerdeführer "mit keinem Schriftsatz" entgegen getreten.

Die wiedergegebenen Überlegungen der belangten Behörde zum Fehlen einer ausreichenden Begründung des Berufungsantrages sind schon deshalb nicht tragfähig, weil sie der tatsächlichen Aktenlage in Bezug auf den Inhalt der Berufung und der "Verbesserungsaufträge" nicht Rechnung tragen:

Die Berufungserklärung und die Berufungsanträge erfolgten (durch Ankreuzen eines formularmäßigen Vordrucks) in deutscher Sprache. Die handschriftlich verfasste Begründung in russischer Sprache hat (nach der von der belangten Behörde veranlassten Übersetzung) folgenden Inhalt:

"Beilage zur Berufung des Bürgers

G. G. vom 14. 07. 2003

Ich, G. G., gebürtig aus der Republik Georgien, möchte einige Klarstellungen bezüglich meines Interviews geben, das am 6. Juni des laufenden Jahres in der Stadt Linz an der Adresse Schubertgasse 22 durchgeführt wurde. Bei Durchsicht der Antwort Magister H. L. vom 01. 07. 2003 erkannte und verstand ich klar die Ungenauigkeiten in meinen Antworten.

Zum Beispiel:

Auf die Frage betreffend die Entfernung vom Bezirkszentrum Achmeta bis zu meinem Dorf nannte ich 115 - 120 km, wobei ich diese Entfernung mit der von der Stadt Tbilisi (Tiflis) verwechselte.

Als Name meines Dorfes in der Gegend von Duisi gab ich den abgelegenen Ort Sasachle an, wo das Haus meiner Mutter und ihres Bruders steht. Im angegebenen Ort Duisi wohnt im wesentlichen kompakt eine grusinische (=georgische) Bevölkerung.

Der Mädchenname meiner Mutter ist Berija, die grusinische Transkription des Familiennamens der Berijev (Beriji), die schon seit ewigen Zeiten in der Tankissker Schlucht gewohnt haben. u.s.w.

Die Quelle meiner Ungenauigkeiten war meine damalige seelische Verfassung.

Ich, ein noch nicht volljähriger Bursche, aufgewachsen in einer ordentlichen, arbeitsamen Familie, der noch nie irgendwelche Berührung mit der Übertretung geltender Gesetze gehabt hat, habe mich in einer für mich extremen Situation befunden - im Gefängnis, was mich gleichsam in moralischer und psychischer Hinsicht erdrückt hat.

Mich hat das Gefühl der moralischen Kränkung nicht verlassen, ich befand mich die ganze Zeit über im Zustand der Verstörtheit und ungeachtet des Wunsches mich zusammenzunehmen, konnte ich mich nicht konzentrieren und nicht vernünftig und verständlich auf die gestellten Fragen antworten.

Ich ersuche Sie inständig, alles oben Erwähnte in Betracht zu ziehen und mir ein zweites Mal die Möglichkeit zu geben, meine Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit mit größerer Ruhe zu beweisen.

 

Mit größter Hochachtung

 

 

G. G.

 

 

14. 07. 2003"

 

Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass dem wiedergegebenen Inhalt der Berufung jedenfalls eine unter dem Gesichtspunkt des § 63 Abs. 3 AVG ausreichende Begründung (in Bezug auf die im Bescheid der Erstbehörde vorgenommene Beweiswürdigung) zu entnehmen und daher die Annahme der Unzulässigkeit der Berufung nicht gerechtfertigt ist. Dass andere Begründungsteile des erstinstanzlichen Bescheides in der Berufung nicht ausdrücklich bekämpft werden, bewirkt entgegen der Meinung der belangten Behörde jedenfalls nicht deren Unzulässigkeit. Es bestand daher auch kein gerechtfertigter Anlass für die Erteilung von Verbesserungsaufträgen. In den "Aufforderungsschreiben" der belangten Behörde wurde im Übrigen - entgegen der Darstellung im angefochtenen Bescheid - jeweils nur angekündigt, "widrigenfalls" werde die Entscheidung "ohne Ausschreibung einer Berufungsverhandlung erfolgen". Die Nichtreaktion auf diese Schreiben bot jedenfalls keine Grundlage, um die Berufung als unzulässig zurückzuweisen. Auch das hat die belangte Behörde verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und erfolgte für den Schriftsatzaufwand im Umfang des ziffernmäßig verzeichneten Pauschalbetrages. Dieser enthält bereits die gesondert angesprochene Umsatzsteuer, sodass insoweit eine Abweisung vorzunehmen war.

Wien, am 31. März 2005

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004200357.X00

Im RIS seit

29.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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