Norm
Außerstreitgesetz §43Kopf
SZ 38/134
Spruch
Maßnahmen nach §§ 43 ff. AußStrG. können nie Gebote oder Verbote umfassen
Entscheidung vom 14. September 1965, 8 Ob 254/65
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Text
Der mj. Christophoros L. stellte als Erbe seines Vaters Hubert L. den Antrag, es werde zur Sicherung des Bestandes des Nachlaßvermögens der A. Handels-Aktiengesellschaft Z., Schweiz, geboten:
a) an dem Konto- und Besitzstande derjenigen Konten und Depots nichts zu ändern, welche der Erblasser bei der A. Handels-Aktiengesellschaft unter seinem Namen oder unter was immer für einem Phantasienamen errichtet hat;
b) demgemäß an keinem dieser Konten und Depots buchhalterische Zu- oder Abschreibungen, Erfolglassungen oder Übertragungen auf andere Konten vorzunehmen;
c) insbesondere keinerlei Übertragung des gegenständlichen Vermögens an inländische (Schweizerische/Fürstlich Liechtenstein'sche) oder an ausländische bankmäßige Institute, auch nicht auf Grund eines Treuhandübereinkommens, vorzunehmen;
d) auch keine Drittverbote zuzulassen oder diesbezüglich Auskünfte (briefliche Rechnungsdarlegungen oder sonst welche Auskünfte immer) zu geben.
Der Antragsteller legte verschiedene Schriftstücke als Bescheinigung dafür vor, daß der Erblasser bzw. die Verlassenschaft unter dem Namen des Erblassers, unter dem Namen der F.-S.-Anstalt oder unter der Bezeichnung Cassa B. mehrere Konten bei der A. Handels-Aktiengesellschaft habe. Weitere Schriftstücke legte er zur Bescheinigung dafür vor, daß dieses Verlassenschaftsvermögen gefährdet sei.
Der Erstrichter erließ einen Beschluß im Sinne des Antrages. Der Beschluß wurde außer an den Antragsteller und an die A. Handels-Aktiengesellschaft auch dem Bevollmächtigten der F.-S.-Anstalt, Vaduz, zugestellt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der F.-S.-Anstalt Folge. Es hob den Beschluß der ersten Instanz auf und wies den gegenständlichen Antrag zurück. Es bejahte die Rekurslegitimation der F.-S.-Anstalt weil der Beschluß der ersten Instanz auch in ihre Rechtssphäre eingreife. Die Rekurswerberin als juristische Person sei Inhaberin jenes Kontos bei der A. Handels-Aktiengesellschaft, an dem der Erblasser durch die ihm nach der Behauptung des Erben an der F.-S.-Anstalt zustehenden Rechte beteiligt sei. Das Rekursgericht war der Ansicht, der erstgerichtliche Beschluß stelle seinem Inhalte nach eine einstweilige Verfügung im Sinne der Exekutionsordnung dar. Zur Erlassung einer solchen Verfügung sei das Verlassenschaftsgericht nicht zuständig. Die Zuständigkeit richte sich in einem solchen Falle nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung.
Der Oberste Gerichtshof hat über den Revisionsrekurs der Verlassenschaft nach Hubert L. folgenden Beschluß gefaßt:
1. Soweit das vom Erstgericht erlassene Verbot die F.-S.-Anstalt betrifft, wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.
2. Soweit das vom Erstgericht erlassene Verbot die F.-S.-Anstalt nicht betrifft, wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß in diesem Umfange der Beschluß der ersten Instanz wieder hergestellt wird.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurswerberin kann nicht darin gefolgt werden, es handle sich nicht um einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, sondern um einen Antrag im Außerstreitverfahren, der die Sicherung des mj. Erben durch geeignete Maßnahmen des Verlassenschaftsgerichtes bezwecke. Die Maßnahmen, die das Verlassenschaftsgericht im Sinne der §§ 43 ff. AußStrG. unter anderem im Interesse von Erben zu ergreifen hat, die ihr Vermögen zu verwalten unfähig sind, sind anderer Art. Sie bestehen nicht in der Erlassung von Geboten oder Verboten, wie sie hier allein beantragt und vom Gericht erlassen wurden. Derartige Verfügungen können bei entsprechender Bescheinigung des Anspruches und der Gefährdung vom Exekutionsgericht erlassen werden. An der Tatsache, daß es sich um eine nach Exekutionsrecht zu beurteilende einstweilige Verfügung handelt, vermag auch nichts zu ändern, daß es der Antragsteller unterlassen hat, in eindeutiger Weise anzugeben, wer als Gegner der gefährdeten Partei zu gelten habe. Dem Rekursgericht ist auch darin beizupflichten, daß im Sinne der herrschenden Rechtsprechung (vgl. EvBl. 1946 Nr. 329 u. a.) zur Erlassung derartiger Verfügungen nicht das Verlassenschaftsgericht zuständig ist, sondern daß sich die Zuständigkeit in solchen Fällen nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung richtet.
Der Rekurswerberin kann auch nicht darin gefolgt werden, die F.-S.- Anstalt sei zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Beschluß der ersten Instanz nicht legitimiert gewesen, weil sich das vom Erstrichter erlassene Gebot nicht auf ein Konto der F.-S.-Anstalt bei der A. Handels-Aktiengesellschaft beziehe, sondern nur auf, wenn auch unter einem Phantasienamen geführte, Konten des Erblassers selbst bei der A. Handels-Aktiengesellschaft. Wenn auch im Spruch des erstgerichtlichen Beschlusses die F.-S.-Anstalt nicht ausdrücklich genannt wird, so ergibt sich doch aus der Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses, die zur Auslegung des Spruches herangezogen werden muß, mit aller Deutlichkeit, daß auch allfällige unter dem Namen der F.-S.-Anstalt bestehende Konten des Erblassers bei der A. Handels-Aktiengesellschaft unter den im Spruch bezeichneten Konten zu verstehen sind. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, daß das vom Erstrichter erlassene Gebot, das seinem Wesen nach ein Verbot darstellt, in die Rechtssphäre der F.- S.-Anstalt eingreift. Im Sinne des § 9 AußStrG. kann ihr daher die Rekurslegitimation nicht abgesprochen werden.
Dabei darf allerdings nicht außer Betracht bleiben, daß sich die Verfügung des Erstrichters nicht auf allfällige, unter dem Namen F.- S.-Anstalt geführte Konten des Erblassers bei der A. Handels-Aktiengesellschaft beschränkt, sondern daß auch andere Konten des Erblassers davon ergriffen werden sollen. Ein Beschwerderecht kann aber der F.-S.-Anstalt nur insoweit zugebilligt werden, als in ihre Rechtssphäre eingegriffen wurde, nicht jedoch hinsichtlich allfälliger sonstiger Konten des Erblassers bei der A. Handels-Aktiengesellschaft.
Soweit daher der Beschluß der ersten Instanz die F.-S.-Anstalt betrifft, wurde vom Rekursgericht der Antrag unter gleichzeitiger Aufhebung der Verfügung der ersten Instanz mit Recht zurückgewiesen. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht kommt im vorliegenden Falle eine Verweisung der Sache an ein anderes Gericht im Sinne des § 44 JN., insbesondere an das Exekutionsgericht Wien, nicht in Betracht, weil die Bestimmung des zuständigen Gerichtes nach den Umständen des Falles nicht möglich ist. Hat es doch der Antragsteller unterlassen, eindeutig zu sagen, wen er als Gegner in Anspruch nimmt. Nach der Sachlage fehlt es auch sonst an den erforderlichen Anhaltspunkten für die Beurteilung der Frage, ob ein inländisches Gericht und, gegebenenfalls, welches inländische Gericht für die Erlassung der angestrebten einstweiligen Verfügung im Sinne des § 387 (2) EO. zuständig ist. In diesem Belange muß es daher bei der Zurückweisung des Antrages verbleiben.
Soweit dagegen der F.-S.-Anstalt im Sinne der obigen Ausführungen eine Rekurslegitimation nicht zugebilligt werden kann, konnte der vom Erstrichter erlassene Beschluß nicht auf Grund eines in diesem Belange unzulässigen Rechtsmittels beseitigt werden. Insoweit war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluß der ersten Instanz wieder herzustellen.
Anmerkung
Z38134Schlagworte
Gebot, kein - zur Sicherung des Nachlasses, Nachlaßsicherung, keine Gebote oder Verbote, Sicherung des Nachlasses, keine Gebote oder Verbote zur -, Verbot, kein - zur Sicherung des NachlassesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0080OB00254.65.0914.000Dokumentnummer
JJT_19650914_OGH0002_0080OB00254_6500000_000