Norm
ZPO §237Kopf
SZ 38/149
Spruch
Die nach Beginn der 1. Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung ohne Anspruchsverzicht erklärte Klagsrücknahme kann vor der erst später erklärten Zustimmungserklärung des Beklagten widerrufen werden
Entscheidung vom 28. September 1965, 8 Ob 264/65
I. Instanz: Bezirksgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten
Text
Nach mehreren Tagsatzungen brachte die Klägerin am 13. November 1964 einen mit 10. November 1964 datierten Schriftsatz ein, in dem sie erklärte, die gegen ihren geschiedenen Gatten, den Beklagten, erhobene Klage zurückzuziehen.
Das Erstgericht erklärte mit Beschluß vom 2. Dezember 1964, die Zurücknahme der Klage nicht zur Kenntnis zu nehmen, weil in diesem Verfahrensstadium die Klage nur mehr unter Anspruchsverzicht zurückgenommen werden könne. Das hierauf gefällte Urteil des Erstgerichtes vom 4. Dezember 1964 hob das Berufungsgericht mit Beschluß vom 13. Mai 1964 mit der Begründung auf, daß dem Erstgericht, welches die Klagszurücknahme dem Beklagten nicht zur Kenntnis gebracht habe und es unterlassen habe, den Beklagten über die Möglichkeit und die rechtlichen Folgen einer Zustimmungserklärung zu der erwähnten Prozeßhandlung der Klägerin aufzuklären, ein Verfahrensmangel im Hinblick auf die Bestimmung des § 432 (1) ZPO. unterlaufen sei, der zur Aufhebung des Urteiles gemäß § 496 (1) Z. 2 ZPO. und Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz führen müsse. Am 5. April 1965 hatte die Klägerin zu gerichtlichem Protokoll erklärt, sie ziehe die Klage nicht zurück, und zwar weder mit noch ohne Anspruchsverzicht. Der Beklagte wieder erklärte mit Schriftsatz vom 31. Mai 1965, daß er mit der Klagszurücknahme der Klägerin vom 10. November 1964 einverstanden sei und dieser Klagszurückziehung zustimme.
Das Erstgericht faßte hierauf den Beschluß, die von der Klägerin erklärte Zurücknahme der Klage (mit Schriftsatz vom 10. November 1964) sowie die vom Beklagten abgegebene Zustimmungserklärung (mit Schriftsatz vom 31. Mai 1965) nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klagszurücknahme durch die Klägerin und die hiezu abgegebene Zustimmungserklärung des Beklagten zur Kenntnis nahm, und das Verfahren für beendet erklärte.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge und stellte in Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Sowohl die Erklärung der Klägerin, die Klage zurückzunehmen, als auch die Zustimmungserklärung des Beklagten sind Prozeßhandlungen, die als solche an das Gericht zu richten sind. Sie bedürfen nicht der Annahme durch das Gericht. Der vielfach übliche Beschluß des Gerichtes, mit dem die Klagszurücknahme zur Kenntnis genommen wird, hat keine rechtsbegrundende Wirkung. Die prozeßbeendigende Wirkung kommt vielmehr, sofern es sich um eine nach dem Prozeßrecht zulässige Klagsrücknahme handelt, dieser Erklärung selbst zu. Die von der Klägerin nach der ersten Tagsatzung ohne Anspruchsverzicht abgegebene Erklärung, die Klage zurückzunehmen, entsprach nicht der Bestimmung des § 237 (1) ZPO., da es an der Zustimmung des Beklagten fehlte. Solange der Beklagte seine Zustimmung zur Klagsrücknahme dem Gericht gegenüber nicht erklärt hatte, stand es der Klägerin frei, die unzulässige und daher wirkungslose Prozeßhandlung zu widerrufen. Das hat die Klägerin bei der Tagsatzung vom 5. April 1965 mit ihrer Erklärung, die nur im Sinne eines solchen Widerrufes verstanden werden kann, getan. Damit ist die Prozeßhandlung der Klagszurücknahme in dem Zeitpunkt bereits beseitigt gewesen, in dem der Beklagte seine Zustimmung gegeben hat. Die Zustimmungserklärung des Beklagten ging daher ins Leere.
Anmerkung
Z38149Schlagworte
Klagsrücknahme, Widerruf, Widerruf der KlagsrücknahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0080OB00264.65.0928.000Dokumentnummer
JJT_19650928_OGH0002_0080OB00264_6500000_000