Norm
Landarbeitsgesetz §109 (3)Kopf
SZ 38/155
Spruch
Begriff des bäuerlichen Betriebes (§ 109 (3) LArbG., § 109 (3) bgld. LArbO.)
Entscheidung vom 5. Oktober 1965, 4 Ob 96/65
I. Instanz: Arbeitsgericht Eisenstadt; II. Instanz: Landesgericht Eisenstadt
Text
Die Klägerin war im Weinbaubetrieb des Beklagten vom 22. Mai 1963 bis 4. November 1963 als Arbeiterin beschäftigt. Sie wurde nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages über die Dienstnehmer in den bäuerlichen Betrieben Burgenlands entlohnt. Sie behauptet, Anspruch auf Entlohnung gemäß den Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Arbeiter und Arbeiterinnen in den landwirtschaftlichen Gutsbetrieben und anderen nichtbäuerlichen Betrieben der Bundesländer Niederösterreich, Burgenland und Wien zu haben, und macht eine der Höhe nach nicht bestrittene Entgeltsdifferenz von 1627.76 S klageweise geltend.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:
Der Beklagte habe ursprünglich nur zwei Weingärten in R. im Ausmaß von zusammen zirka 3/4 Katastraljoch besessen.Im Jahre 1952 habe er den Bauernhof der Maria F. in W. gekauft, bestehend aus Wohnhaus, Stall und Scheune mit Grundstücken in der Größe von zirka 12 Joch, darunter auch zirka 2 - 2 1/2 Joch Weingärten. Im Laufe der folgenden Jahre habe er seinen Liegenschaftsbesitz vergrößert durch Zukauf, darunter eines Weingartens in E., bzw. durch Kulturänderungen umgestaltet, auf den derzeitigen Stand von 15 1/2 ha Ackerland, 4 ha Wiese, 8 ha Weingärten und 4 1/2 ha unproduktive Fläche. Auf dem Bauernhof in W. wohnten die beiden einzigen ständigen Landarbeiter des Beklagten, das Ehepaar Michael und Magdalena J. Dieses halte dort auf Kosten des Beklagten, hauptsächlich jedoch für den eigenen Bedarf der Landarbeiter, eine Kuh, mehrere Schweine und Hühner, zur Bearbeitung der Weingärten des Beklagten aber auch zwei Pferde. An landwirtschaftlichen Geräten seien vorhanden ein Traktor, ein Pflug, eine Egge, ein Kultivator, ein Mähbinder (Anhänger) sowie eine alte, nicht mehr verwendete Dreschmaschine. Außer den angeführten ständigen Arbeitskräften beschäftigte der Beklagte in seinem landwirtschaftlichen Betrieb jeweils während der Sommersaison, das sei etwa ab Ende März oder Anfang April bis Mitte September und dann wieder während der Weinlese, manchmal auch durchgehend vom Frühjahr bis Mitte oder Ende November durchschnittlich 7 bis 8 (überwiegend weibliche) Saisonarbeiter. Diese wohnten nicht im Hause des Beklagten und verpflegten sich selbst. Der Beklagte bewohne mit seiner Familie, bestehend aus Gattin und zwei Söhnen, ein Haus in E. Er selbst sei als Diabetiker schonungsbedürftig und leiste in seinem landwirtschaftlichen Betrieb keine schwere körperliche Arbeit. Er führe nur gelegentlich, etwa einmal wöchentlich, mit dem Traktor Transporte durch, z. B. in das Lagerhaus oder nach W. und beteiligte sich an der Aufzucht und am Schnitt der Reben, ansonsten leite er nur den landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er die Arbeit einteile und beaufsichtige, schriftliche Arbeiten erledige u. dgl. Seine Gattin sei nur im Haushalte tätig. Seine beiden Söhne, von denen der ältere die Höhere Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg besuche, der jüngere die Höhere landwirtschaftliche Schule in Wieselburg absolviert habe, arbeiteten und arbeiten, sofern der Schulbesuch es erlaubt habe und erlaube, im landwirtschaftlichen Betrieb mit, und zwar sowohl körperlich z. B. beim Schneiden der Reben, Durchscheren der Weingärten, Pflügen der Felder, Anbauen, Mähen usw. als auch geistig. So erstelle zumindest der jüngere Sohn gemeinsam mit seinem Vater einfache Anbau- und Düngepläne, er kümmere sich darum, wann, wo und auf welche Weise in den Weingärten gesprizt werde, beaufsichtige während seiner körperlichen Mitarbeit auch die anderen Arbeiter. Neben seiner Landwirtschaft betreibe der Beklagte auch noch einen Weinhandel und als Pächter die Esche Weinhalle in E. Im Weinhandel habe er zwei Leute, in der Weinhalle während des Winters eine Person, sonst 5 bis 7 Leute beschäftigt. In den Jahren 1950 bis 1960 habe der Beklagte auch noch die Weingärten E.s in St. G., E., St. M. und R. im Ausmaße von zusammen zirka 50 Joch gepachtet gehabt. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses hinsichtlich der Weingärten habe der Beklagte, obwohl er ihrer nicht mehr unbedingt bedurft hätte, zwei Angestellte weiter beschäftigt, Johann W. sei seither "Mädchen für alles". Er arbeite hauptsächlich im Weinhandel mit, helfe aber auch im landwirtschaftlichen Betriebe. So teile er in der Regel jeden Morgen den Landarbeitern mit, welche Arbeit sie an diesem Tage zu verrichten haben, er fahre aber auch oft den Traktor, insbesondere beim Pflügen, Mähen und dgl. Ludwig I. besorge in einem als Kanzlei eingerichteten Raum des Wohnhauses des Beklagten gemeinsam mit einer Nichte des Letzteren die Buchhaltung und Korrespondenz für alle Betriebe des Beklagten, für den landwirtschaftlichen Betrieb hauptsächlich nur die Lohnverrechnung und Lohnbuchhaltung.
In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, nach § 109 (3) der Burgenländischen Landarbeitsordnung, auf die der Kollektivvertrag für die Dienstnehmer in den bäuerlichen Betrieben des Bundeslandes Burgenland verweise, hätten als bäuerliche Betriebe jene zu gelten, in denen die Betriebsinhaber selbst sowie ihre im Familienverband lebenden Familienangehörigen im Betriebe mitarbeiten, mit den Dienstnehmern in der Regel in Hausgemeinschaft leben und bei der Führung des Betriebes ein leitender Angestellter nicht beschäftigt werde. Ein solcher sei in der Führung des Betriebes des Beklagten nicht beschäftigt. Johann W. habe im wesentlichen nur die Anordnungen des Beklagten an die Landarbeiter weitergegeben, arbeite ansonsten im Betrieb nur körperlich mit und habe auf dessen Führung keinen Einfluß. Daß der Beklagte nicht mehr als dargelegt in seiner Landwirtschaft mitarbeite, möge einerseits auf seine Krankheit, andererseits auf seine Pflichten in seinen beiden anderen Betrieben zurückzuführen sein und sei noch kein Grund, ihn nicht als einen Bauern gelten zu lassen. Die beiden Söhne arbeiten, soweit es ihr Schulbesuch erlaube und sie überhaupt im Familienverband lebten, in der Landwirtschaft voll mit. Daß die Gattin des Beklagten sich nicht um die Landwirtschaft kümmere, möge allenfalls noch mit dem Umfang des Haushaltes, den sie zu versorgen habe, zu erklären sein und könne dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten auch noch nicht den Charakter eines bäuerlichen Betriebes nehmen, zumal das Gesetz nicht ausdrücklich die Mitarbeit aller im Familienverband lebenden Familienangehörigen fordere. Es fehle im landwirtschaftlichen Betriebe des Beklagten aber an jeglicher Hausgemeinschaft zwischen seiner Familie und seinen Dienstnehmern. Seine Familie wohne in E., die beiden ständigen Landarbeiter in W. und die Saisonarbeiter an ihren jeweiligen ständigen Wohnorten. Es bestehe weder Wohn- noch Tischgemeinschaft. Aus diesem Gründe könne der landwirtschaftliche Betrieb des Beklagten nicht als bäuerlicher Betrieb im Sinne des § 109 (3) der Burgenländischen Landarbeitsordnung angesehen werden. Er sei somit als landwirtschaftlicher Gutsbetrieb im Sinne des geltenden Kollektivvertrages anzusehen.
Infolge Berufung des Beklagten wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 (1) Z. 3 ArbGerG. von neuem und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. In rechtlicher Beziehung führte es im wesentlichen aus.
Für die Frage, ob ein Betrieb als bäuerlicher Betrieb anzusehen sei, sei in erster Linie die Arbeitsverfassung in dem betreffenden Betrieb maßgeblich. Bei der Beurteilung eines Betriebes sei allerdings auch auf seinen Umfang und auf seine Größe Bedacht zu nehmen. Wenn auch das Gesetz die Merkmale eines bäuerlichen Betriebes im § 109 (3) LandarbeitsG. auf die darin herrschende Arbeitsverfassung abstelle, so dürfe nicht übersehen werden, daß im Abs. 2 von der Bestimmung des Abs. 1 jene bäuerlichen Betriebe ausgenommen würden, die dauernd nicht mehr als 20 Dienstnehmer ohne Einrechnung der familieneigenen Arbeitskräfte beschäftigten. Wenn das Gesetz Betriebe mit 20 dauernd beschäftigten Dienstnehmern noch als bäuerliche Betriebe gelten lasse, so führe es damit zusätzlich zu den Merkmalen des bäuerlichen Betriebes auf Grund seiner Arbeitsverfassung als ein weiteres Merkmal noch die Betriebsgröße insoweit an, als es nach oben eine Grenze festsetze, bis zu welcher ein Betrieb noch als bäuerlicher Betrieb qualifiziert werden könne. Im Betrieb des Beklagten sei kein leitender Angestellter vorhanden. Es könne auch nicht eingewendet werden, daß sich die Bestellung eines leitenden Angestellten deshalb erübrige, weil der Beklagte die leitende Funktion selbst inne habe. Dessen Mitarbeit beschränke sich nämlich nicht auf diese leitende Tätigkeit, sondern er leiste auch körperliche und manuelle Arbeiten. Daß er nicht in größerem Ausmaße mitarbeite, als das Erstgericht festgestellt habe, finde in seinem Gesundheitszustande seine Erklärung. Damit erfülle aber der Beklagte das Erfordernis der Tätigkeit eines Betriebsinhabers in bäuerlichen Betrieben, wo die leitende Tätigkeit des Betriebsinhabers mit seiner körperlichen Mitarbeit im Betrieb vereinigt werde. Dazu komme die Mitarbeit der beiden Söhne des Beklagten, soweit dies im Rahmen ihrer Ausbildung möglich sei. Es stehe somit einer Mitarbeit der im Familienverband lebenden Familienmitglieder mit den übrigen Dienstnehmern fest. Zur Führung und Aufrechterhaltung des Betriebes gehöre schließlich auch noch die Führung des Haushaltes, eine Tätigkeit, die gerade in bäuerlichen Betrieben besondere Bedeutung habe. Das Gesetz verlange nicht unbedingt eine Hausgemeinschaft des Betriebsinhabers und seiner Familienangehörigen mit den Dienstnehmern. Betrieblich bedingte oder auf anderen Gründen beruhende Abweichungen von dieser Norm lasse das Gesetz gelten, ohne daß deshalb eine Änderung in der Qualifikation als bäuerlicher Betrieb eintreten müsse. Auch im vorliegenden Falle sei diese Abweichung nicht geeignet, die Qualifikation des Betriebes als bäuerlichen Betrieb in Frage zu stellen. Es sei davon auszugehen, daß seine Hauptsparte der Weinbau sei. Wenn auch wesentliche Flächen für den Ackerbau vorhanden seien, so sei er doch, wie die Ausstattung des Betriebes, die berufliche Gliederung der Arbeitskräfte, besonders aber auch das Fehlen eines Viehstandes zeigten, bedeutungslos in diesem Betriebe. Im Weinbau aber sei die Anwesenheit von Hilfskräften nur vom Frühjahr bis Herbst erforderlich. Nach Verrichtung ihrer Arbeiten seien sie im Betriebe entbehrlich.
Der Oberste Gerichtshof stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Untergerichte sind, zutreffend und hierin der Entscheidung Arb. 5349 folgend, davon ausgegangen, daß als Gutsbetrieb im Sinne des Kollektivvertrages alle nichtbäuerlichen Betriebe zu gelten haben, sowie daß für die Einordnung des landwirtschaftlichen Betriebes des Beklagten als bäuerlicher oder nichtbäuerlicher Betrieb die Begriffsbestimmung von § 109 (3) Burgenländische Landarbeitsordnung gleich § 109 (3) Landarbeitsgesetz heranzuziehen ist, wonach es aber in dieser Hinsicht nur auf die Betriebsverfassung ankommt. Es ist zuzugeben, daß die Einordnung des gegenständlichen Betriebes Schwierigkeiten bereitet, weil nicht alle Elemente der Betriebsverfassung eindeutig für die Zuordnung zu einem bäuerlichen Betrieb oder einem Gutsbetrieb im Sinne des Kollektivvertrages sprechen. Es weisen aber doch die wesentlichen Elemente der Betriebsverfassung auf die Einordnung des Betriebes in die Kategorie der nichtbäuerlichen Betriebe hin. Daraus, daß für bäuerliche Betriebe, sofern sie dauernd nicht mehr als 20 Dienstnehmer ohne Einrechnung der familieneigenen Arbeitskräfte beschäftigen, eine Betriebsvertretung der Dienstnehmer nicht eingerichtet wird (§ 109
(62) L.ArbG.), kann keineswegs geschlossen werden, daß der gegenständliche Betrieb ein bäuerlicher Betrieb ist. Aus Abs. 1 leg. cit. folgt ja andererseits, daß nach der Auffassung des Gesetzes ein nichtbäuerlicher Betrieb jedenfalls auch bei einer dauernden Beschäftigung von mindestens 5 Dienstnehmern vorliegen kann. Entscheidend erscheint aber, daß der Betriebsinhaber mit seiner Familie gesondert von den ständigen Dienstnehmern in einem Stadthaus wohnt und in der Hauptsache nicht manuell im Betrieb mitarbeitet, sondern sich im wesentlichen mit dessen Leitung begnügt und überdies noch im Weinhandel und mit dem Betrieb einer Weinhalle beschäftigt ist. Es ist zwar richtig, daß das Fehlen einer Hausgemeinschaft mit den Dienstnehmern nicht unbedingt die Qualifikation als bäuerlicher Betrieb ausschließt, doch muß dennoch die Absonderung des Betriebsinhabers von der eigentlichen Hofstelle, auf der die beiden ständigen Arbeiter wohnen, sowie die frühere Bewirtschaftung von 50 Joch Weingärten als Pächter den Eindruck verstärken, daß hier die für einen bäuerlichen Betrieb charakteristische unmittelbare Verbundenheit des Betriebsinhabers mit dem im übrigen erst in den letzten Jahren durch Hinzukäufe aufgestockten Betrieb weitgehend fehlt. Das Gesamtbild der Betriebsverfassung läßt sich einem bäuerlichen Betrieb im Sinne der gesetzlichen Begriffsbestimmung nicht mehr einordnen, woraus sich die Unterstellung des Dienstverhältnisses der Klägerin unter die für Gutsarbeiter geltenden kollektivvertraglichen Normen ergibt. Dies führt zur Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles.
Anmerkung
Z38155Schlagworte
Bäuerlicher Betrieb gemäß § 109 (3) LArbG., Betrieb, bäuerlicher - gemäß § 109 (3) LArbG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0040OB00096.65.1005.000Dokumentnummer
JJT_19651005_OGH0002_0040OB00096_6500000_000