TE OGH 1965/10/7 2Ob254/65

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Veröffentlicht am 07.10.1965
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Norm

Ehegesetz §50

Kopf

SZ 38/158

Spruch

Die Scheidung der Ehe nach § 50 EheG. setzt einen Zustand dauernder geistiger Abnormität voraus, der die künftige Wiederholung des den Ehefrieden störenden Verhaltens des geklagten Ehepartners erwarten läßt

Entscheidung vom 7. Oktober 1965, 2 Ob 254/65

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien

Text

Die Parteien haben am 8. Dezember 1938 miteinander die Ehe geschlossen. Beide Teile sind 54 Jahre alt. Aus dieser Ehe stammt der im Jahre 1939 geborene Sohn Peter und die im Jahre 1944 geborene Tochter Lore.

In der am 7. Dezember 1962 erhobenen Klage hat der Ehemann die Scheidung dieser Ehe aus den Verschulden seiner Gattin gemäß § 49 EheG. begehrt; während des erstgerichtlichen Verfahrens hat der Ehemann das Scheidungsbegehren hilfsweise auf § 50 EheG. gestützt. Die Ehefrau hat dem Scheidungsbegehren in jeder Hinsicht widersprochen und die Klagsabweisung verlangt.

Das Erstgericht hat die Ehe gemäß § 50 EheG. ohne Verschuldensausspruch geschieden und das auf § 49 EheG. gegrundete primäre Begehren des Klägers auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten abgewiesen (diese Abweisung ist rechtskräftig geworden). Das Erstgericht war zum Ergebnis gekommen, daß der Ehefrau wiederholte kränkende Beschimpfungen, tätliche Mißhandlungen, Herabsetzung ihres Gatten vor dritten Personen, tatsachenwidrige Beschuldigung der Beziehung zu anderen Frauen, der Gleichgeschlechtlichkeit sowie der Selbstbefriedigung, ferner Drohung mit Selbstmord, Verursachung häuslicher Szenen und Störung der Nachtruhe zur Last zu legen seien; diese Umstände ergäben in ihrer Gesamtheit ein grob ehewidriges und für die Zerrüttung der Ehe kausales Verhalten der Beklagten; es sei jedoch die Verantwortlichkeit der Ehefrau für ihr Verhalten nicht gegeben, da diese an krankhaftem Eifersuchtswahn leide; die Voraussetzungen für die Anwendung der sogenannten Härteklausel gemäß § 54 EheG. lägen nicht vor.

Der Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben.

Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichtes, zugleich auch das Ersturteil in dem seinem Scheidungsbegehren, soweit es auf § 50 EheG. beruht, stattgebenden Ausspruch, sowie in der Kostenentscheidung auf und verwies die Streitsache im Umfang dieser Aufhebung zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach den Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr. Friedrich Sch., dessen Gutachten die Vorinstanzen gefolgt sind, ist Eifersuchtsparanoia "schwierig zu diagnostizieren". Nun hat es der Sachverständige als möglich bezeichnet, daß "das Verhalten der Beklagten ruhiger geworden sei und daß sie sich an die Situation angepaßt habe." Der Sachverständige hat ferner bekundet, den Opernbesuch und die Arbeit des Klägers in St. V. bei der Stellung seines Gutachtens außer Betracht gelassen zu haben, so daß der Rüge der Revisionswerberin, das Gutachten sei vor Beendigung des Beweisverfahrens erstattet worden und habe der Sachlage nicht vollkommen gerecht werden können, schon unter diesem Gesichtspunkte die Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Nach herrschender Lehre (vgl. Volkmar im Beckschen Kommentar zum Ehegesetz 1939, S. 191) setzt die Scheidung nach § 50 EheG. einen Zustand dauernder geistiger Abnormität voraus, der die künftige Wiederholung des den Ehefrieden störenden Verhaltens des geklagten Ehepartners erwarten läßt. Ob diese Voraussetzung diesfalls gegeben sei, kann nach der derzeitigen Aktenlage nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Denn schon nach den eigenen Angaben des Sachverständigen ist, wie dargelegt, nicht der gesamte bisherige Krankheitsverlauf berücksichtigt worden. Bei der Wichtigkeit der Entscheidung für alle Beteiligten muß dieser Umstand zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und, weil es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, auch zur Aufhebung des dem Eventualbegehren des Ehemannes stattgegebenen Ersturteils führen. Dem Ermessen des Erstgerichtes bleibt vorbehalten, die vollständige Begutachtung durch den bereits zugezogenen Sachverständigen oder durch einen anderen zu veranlassen, um der Entscheidung eine möglichst sichere Prognose des künftigen Verhaltens der Ehefrau, abgestellt auf das gesamte bisherige Verhalten beider Ehepartner, zugrunde legen zu können. Erst nach dieser neuerlichen Begutachtung wird es möglich sein, auch die Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 54 EheG. zuverlässig zu beurteilen.

Anmerkung

Z38158

Schlagworte

Ehescheidung nach § 50 EheG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0020OB00254.65.1007.000

Dokumentnummer

JJT_19651007_OGH0002_0020OB00254_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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