TE OGH 1965/11/5 2Ob324/65

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Veröffentlicht am 05.11.1965
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Norm

Familienrechts-Angleichungsverordnung §6
ZPO §279

Kopf

SZ 38/187

Spruch

Die Anwendung des § 279 ZPO. im Ehelichkeitsbestreitungsprozeß widerstreitet der Amtswegigkeit des Verfahrens

Entscheidung vom 5. November 1965, 2 Ob 324/65

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien

Text

Mit der am 23. September 1959 eingebrachten Klage hat der Kläger die eheliche Geburt der Beklagten bestritten und die Feststellung begehrt, daß die am 15. Juni 1958 geborene Beklagte nicht aus seiner Ehe mit Katharina K. stamme. Der Kläger hat behauptet, daß er den ersten Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Kindes am 10. November 1957 hatte, daß er die Ehe mit dieser am 14. Dezember 1957 geschlossen habe und daß die Beklagte am 15. Juni 1958 zur Welt gekommen sei. Bei der Geburt habe ihm die Mutter des Kindes erklärt, daß es sich um eine Frühgeburt handle. Erst nach dem 10. Juli 1959 habe er in das Protokoll über die Geburt des Kindes Einsicht genommen und sich davon überzeugt, daß das Kind reif zur Welt gekommen sei: Die Beklagte könne daher nicht aus seinem Verkehr mit der Mutter des Kindes am 10. November 1957 stammen.

Die Beklagte hat neben der Rechtzeitigkeit der Klage die Behauptungen des Klägers bestritten und Klagsabweisung begehrt.

Da sich die Beklagte und ihre Mutter seit 10. Juli 1959 in Jugoslawien aufhalten, haben sich die Beweisaufnahmen schwierig gestaltet. Eine Verzögerung des Verfahrens ist auch dadurch eingetreten, daß zwei Urteile des Erstgerichtes, mit welchen dem Klagebegehren stattgegeben wurde, aufgehoben und die Sache zweimal zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen wurde. Im Aufhebungsbeschluß vom 24. November 1961 hat der Oberste Gerichtshof weitere Beweisaufnahmen, insbesondere auch die anthropologischerbbiologische Untersuchung, für notwendig erachtet und darauf hingewiesen, daß vom Erstgericht zu entscheiden sein werde, ob diese Untersuchung im Rechtshilfeweg möglich ist oder ob hiezu die Anwesenheit der Beklagten und ihrer Mutter in Österreich notwendig sein werde. Auf jeden Fall aber müsse das bereits eingeholte Gutachten über den bestmöglichen Zeugungstermin durch ein zweites Sachverständigengutachten überprüft werden, weil nach dem ersten Gutachten eine Zeugung der Beklagten durch den Kläger bei einem Geschlechtsverkehr am 8. oder 10. November 1957 als unmöglich anzusehen wäre.

Im fortgesetzten Verfahren ist ein zweites Sachverständigengutachten eingeholt und es sind verschiedene Blutuntersuchungen durchgeführt worden. Die Aufnahme des Beweises durch eine anthropologischerbbiologische Untersuchung ist vom Erstgericht bis 31. März 1965 befristet worden. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist hat das Erstgericht mit seinem dritten Urteil neuerlich dem Klagebegehren stattgegeben. Es hat die bei den Tragzeitgutachten zugrundegelegt, die darin übereinstimmen, daß die Beklagte weder durch einen Geschlechtsverkehr am 8. November 1957 noch am 10. November 1957 gezeugt worden sein kann. Das Erstgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger, wenn er auch durch die verschiedenen Blutuntersuchungen als Erzeuger der Beklagten nicht ausgeschlossen ist, das Kind nicht gezeugt habe.

Nach der Urteilsverkundung sind die Ergebnisse der in Jugoslawien im Rechtshilfeweg an der Beklagten und ihrer Mutter vorgenommenen Untersuchungen zur Schaffung der Voraussetzungen für ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten am 6. Mai 1965 beim Erstgericht eingelangt.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten nicht Folge gegeben. Es war der Meinung, daß es trotz der Amtswegigkeit des Verfahrens zulässig gewesen sei, den Beweis durch die anthropologisch-erbbiologische Untersuchung gemäß § 279 ZPO. zu befristen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist durfte das Verfahren ohne Rücksicht auf die noch ausstehende Beweisaufnahme fortgesetzt werden. Außerdem hat es darauf hingewiesen, daß die nachträglich eingelangten Befundaufnahmen unzureichend seien, weil sie nur die groben anthropologischen Maße enthielten und weitere Befundaufnahmen an der Weigerung der Mutter der Beklagten gescheitert seien. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Kläger durch die beiden Tragzeitgutachten bewiesen habe, die Beklagte nicht gezeugt zu haben und daß dieses Kind nicht aus Seiner Ehe mit der Mutter der Beklagten stamme.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel aus, daß sie für die Schwierigkeiten, die mit den Beweisaufnahmen in Jugoslawien verbunden waren, nicht verantwortlich gemacht werden könne und daß es notwendig gewesen wäre, sie und ihre Mutter vor das österreichische Gericht zu laden, um eine einwandfreie anthropologisch-erbbiologische Untersuchung zu erreichen. Unrichtig sei es gewesen, die Rechtshilfeersuchen zu befristen, weil es sich um ein amtswegiges Verfahren handle.

Diesen Ausführungen kommt insoferne Berechtigung zu, als versucht hätte werden müssen, die an das Erstgericht wenn auch verspätet eingelangten Befunde für die anthropologisch-erbbiologische Untersuchung durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen, ob sie ausreichen, um unter Einbeziehung des Klägers ein solches Gutachten erstatten zu können. Die Befristung der Beweisaufnahmen im Ausland hätte kein Hindernis für die Durchführung dieser Beweisaufnahmen sein dürfen. Da diese Befunde erst nach Fällung des dritten Urteiles des Erstgerichtes eingelangt waren, hätte noch das Berufungsgericht die Möglichkeit gehabt, die Beweisaufnahmen durch die Einholung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens zu verwerten und die weitere Beweisaufnahme durch die Einholung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens entweder selbst durchzuführen oder durch das Erstgericht zu veranlassen. Diese Unterlassung stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der die rechtliche Beurteilung der Sache derzeit hindert.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein amtswegiges Verfahren und der Oberste Gerichtshof ist der Meinung, daß die Befristung erheblicher Beweisaufnahmen, die zugunsten der Ehelichkeit der Beklagten sprechen könnten, der Amtswegigkeit des Verfahrens und der sich daraus ergebenden gerichtlichen Ermittlungspflicht widerstreitet. Gerade in diesem Verfahren, das seit sechs Jahren anhängig ist, kann nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes auf die Auswertung des noch vorliegenden Beweismaterials nicht verzichtet werden, zumal sich dieses zugunsten der Beklagten auswirken könnte.

Anmerkung

Z38187

Schlagworte

Ehelichkeitsbestreitungsverfahren, § 279 ZPO. nicht anwendbar, Säumnisfolgen im Ehelichkeitsbeschreitungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1965:0020OB00324.65.1105.000

Dokumentnummer

JJT_19651105_OGH0002_0020OB00324_6500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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