Norm
ABGB §813Kopf
SZ 38/196
Spruch
Nach Bewilligung der Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger darf das Verlassenschaftsgericht ohne Zustimmung des erbserklärten Erben die vorzugsweise Befriedigung einzelner Verlassenschaftsgläubiger nicht mehr anordnen
Entscheidung vom 11. November 1965, 5 Ob 206/65
I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz
Text
Auf Antrag des Gläubigers Friedrich R. bestellte das Erstgericht mit Beschluß vom 4. Februar 1965 den Notarsubstituten Dr. M. zum Verlassenschaftskurator.
Am 15. März 1965 gab Katharina W., die mit Testament vom 3. Juli 1964 zur Alleinerbin eingesetzt worden war, die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab und erklärte damals, keinen Antrag auf Gläubigerkonvokation zu stellen, obwohl bis zu diesem Zeitpunkt nach dem Inhalt der Verlassenschaftsakten bereits mehrere Gläubiger Forderungen gegen den Nachlaß angemeldet hatten.
Mit Eingabe vom 19. März 1965 beantragten der Verlassenschaftskurator und der Gläubiger Friedrich R. gemeinsam unter Hinweis auf das Anerkenntnisurteil vom 4. März 1965, wonach die Verlassenschaft an Friedrich R. 29.338 S samt 4% Zinsen seit 28. November 1963 und die mit 1305.36 S bestimmten Prozeßkosten zu bezahlen habe, den Notar Dr. Walter P. zu ermächtigen, aus dem bei ihm für die Verlassenschaft erliegenden Guthaben den von der Verlassenschaft dem Friedrich R. aus dem Anerkenntnisurteil geschuldeten Betrag zu bezahlen.
Am 31. März 1965 stellte Katharina W. den Antrag, die Gläubiger der Verlassenschaft einzuberufen.
Mit Beschluß vom 12. April 1965 erklärte das Erstgericht, die Erbserklärung der Katharina W. anzunehmen und ihren Erbrechtausweis als erbracht anzuerkennen (Punkt 1 des Beschlusses). Außerdem enthob es Dr. Ernst M. seines Amtes als Verlassenschaftskurator (Punkt 3 des Beschlusses). In diesem Umfang wurde die Entscheidung des Erstgerichtes rechtskräftig. Gleichzeitig ordnete das Erstgericht die Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger für den 28. April 1965 an. Mit Punkt 2) seines Beschlusses ON. 26 ersuchte das Erstgericht im Sinne des Antrages des Verlassenschaftskurators und des Friedrich R. vom 19. März 1965 den Notar Dr. Walter P., den aus dem Kaufvertrag vom 16. Jänner 1964 stammenden restlichen Kaufpreis zur teilweisen Deckung der Forderung des Friedrich R. auf Grund des Anerkenntnisurteiles vom 5. März 1965 im Betrage von 29.338 S samt Zinsen und Kosten an den Vertreter des Friedrich R. zu überweisen.
Mit Eingabe vom 16. Juni 1965 zeigte Notar Dr. P. dem Verlassenschaftsgericht an, daß er das bei ihm erliegende Guthaben der Verlassenschaft im Betrag von nunmehr 31.778.46 S bei der Verwahrungsabteilung beim OLG. L. erlegt habe, weil der ihm mit Beschluß erteilte Auftrag von Katharina W. mit Rekurs angefochten worden sei, darüberhinaus aber Friedrich R. auf Grund des Anerkenntnisurteiles vom 4. März 1965 Forderungsexekution geführt habe und der Einschreiter bereits als Drittschuldner zur Äußerung aufgefordert worden sei.
Mit Beschluß vom 1. Juli 1965 erklärte das Erstgericht, den von Notar Dr. P. getätigten Erlag nicht zur gerichtlichen Verwahrung anzunehmen. Zugleich wurde die Verwahrungsabteilung beim OLG. L. angewiesen, den eingezahlten Betrag an den Erleger zurückzuzahlen.
Mit Beschluß vom 26. Mai 1965 änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes ON. 26 in dem von der erbserklärten Erbin Katharina W. angefochtenen Punkt 2) dahin ab, daß der Antrag des Verlassenschaftskurators Dr. M. und des Nachlaßgläubigers Friedrich R. abgewiesen wurde. Die Begründung dieser Entscheidung des Rekursgerichtes läßt sich dahin zusammenfassen, daß nach der Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger die vorzugsweise Befriedigung eines Gläubigers nur mit Zustimmung der erbserklärten Erbin erfolgen dürfe. Da diese Zustimmung nicht vorliege, müsse der Antrag abgewiesen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Nachlaßgläubigers Friedrich R. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach Ansicht des Rekurswerbers sei die vorzugsweise Befriedigung seiner Forderung gegen den Nachlaß aus dem bei Notar Dr. P. erliegenden Guthaben des Nachlasses deshalb, gerechtfertigt, weil der seinerzeitige Verlassenschaftskurator Dr. M. noch vor Abgabe der Erbserklärung der Katharina W. durch Mitunterfertigung des Antrages dem darin gestellten Antrag zugestimmt habe und die spätere Erbserklärung der Katharina W. die bereits wirksame Zustimmungserklärung des Verlassenschaftskurators nicht aufheben könne.
Dazu ist zu beachten, daß gemäß § 813 ABGB. dem Erben freisteht, zur Erforschung des Schuldenstandes des Nachlasses die Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger zu begehren und bis nach verstrichener Frist mit der Befriedigung der Gläubiger innezuhalten. Das Recht, die vorzugsweise Befriedigung einzelner Gläubiger insolange abzulehnen, erstreckt sich auch auf die Forderungen jener Gläubiger, deren Ansprüche bereits rechtskräftig festgestellt sind. Gemäß § 42
(1) Z. 6 EO. kann der Erbe nämlich die Aufschiebung der zur Hereinbringung einer solchen Forderung bewilligten Exekution beantragen. Deshalb darf das Verlassenschaftsgericht nach Bewilligung der Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger ohne Zustimmung des erbserklärten Erben die vorzugsweise Befriedigung einzelner Gläubiger nicht mehr anordnen und kann einem dahingehenden Antrag des Verlassenschaftskurators vom Zeitpunkt der Bewilligung der Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger an nicht mehr entsprochen werden.
Es ist deshalb nicht die Erbserklärung der Katharina W., sondern ihr Antrag auf Gläubigerkonvokation die Ursache, daß das Verlassenschaftsgericht ohne Zustimmung der erbserklärten Erbin die vorzugsweise Befriedigung der Forderung des Friedrich R. aus dem Anerkenntnisurteil vom 4. März 1965 nicht mehr anordnen konnte. Dies erkannte das Rekursgericht durchaus zutreffend, weshalb es in Abänderung des erstrichterlichen Beschlusses den dahin gehenden Antrag des Gläubigers und des früheren Verlassenschaftskurators abwies.
Nach der Entscheidung des Rekursgerichtes änderte sich freilich der Sachverhalt insofern, als nunmehr der Gläubiger Friedrich R. durch die Exekutionsbewilligung vom 9. Juni 1965 ein Absonderungsrecht an der Forderung des Nachlasses gegen Notar Dr. P. als Verwahrer des Verkaufserlöses der ehemaligen Liegenschaft des Erblassers erwarb. Diese Exekutionsbewilligung wurde Katharina W. als Vertreterin des verpflichteten Nachlasses am 11. Juni 1965 zugestellt und wurde mangels Anfechtung rechtskräftig. Da mit dem genannten Exekutionsbeschluß der Herausgabeanspruch der Verlassenschaft gegen Notar Dr. P. gepfändet und dem betreibenden Gläubiger zur Einziehung überwiesen worden war, besteht nunmehr weder für das Verlassenschaftsgericht noch für die erbserklärte Erbin die Möglichkeit einer Verfügung über die gepfändete Forderung. Dieser auch im Revisionsrekurs aufgezeigte Umstand ist aber für die vorliegende Entscheidung unbeachtlich, da die Rekursinstanzen die Gesetzmäßigkeit des Beschlusses I. Instanz nach der Sach- und Rechtslage zu überprüfen haben, wie sie sich zur Zeit der Erlassung dieses Beschlusses darstellte (GlUNF. 7327, RiZ. 1955 S. 60).
Ob der Rekurswerber trotzdem im Rahmen seines Pfandrechtes zur vollen Befriedigung seiner Forderung kommen kann, ist aus den bereits aufgezeigten Gründen für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z38196Schlagworte
Befriedigung von Verlassenschaftsgläubigern, Verlassenschaftsgläubigereinberufung und -befriedigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1965:0050OB00206.65.1111.000Dokumentnummer
JJT_19651111_OGH0002_0050OB00206_6500000_000